- Vergabeblog - https://www.vergabeblog.de -

OLG Düsseldorf zur Ausschreibung von Rechtsberatungsleistungen (Beschluss vom 21.04.2010 – VII-Verg 55/09) – „Schiffshebewerk Niederfinow“

paragraph Juristische Beratungsdienstleistungen sind grundsätzlich nach den Bestimmungen der VOF auszuschreiben. Die VOL gilt nur, wenn die Leistungen eindeutig und erschöpfend beschrieben werden können. Dies hat nun das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 21.04.2010 – VII-Verg 55/09) klargestellt und den Nachprüfungsantrag einer Anwaltskanzlei verworfen.

Gegenstand des Verfahrens war die Vergabe eines Auftrags über juristische Beratungsdienstleistungen und juristisches Nachtragsmanagement an eine Anwaltskanzlei. Vorausgegangen war ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, zu dem drei Anwaltskanzleien, nicht jedoch die Antragstellerin, eingeladen wurden. Nachdem die Vergabestelle die Auftragsvergabe im EU-Amtsblatt bekannt gemacht hatte, stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag. Sie rügte unter anderem, dass dem Vergabeverfahren keine Bekanntmachung vorausging. Das OLG Düsseldorf hat nun klargestellt, dass dies auch nicht erforderlich war.

Bei Rechtsberatung gilt regelmäßig VOF

Juristische Beratungsdienstleistungen sind grundsätzlich freiberufliche Leistungen. Als nachrangige Dienstleistungen nach Kategorie 21 des Anhangs I B der VOF unterliegen sie nur §§ 8 Abs. 2 bis 7 und 17 VOF. Damit gilt auch die Pflicht zur vorherigen Vergabebekanntmachung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 VOF nicht.

Handelt es sich hingegen um eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen, so finden gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 VOF die Bestimmungen der VOL Anwendung.

Für die Frage, ob juristische Beratungsdienstleistungen nach der VOF oder der VOL auszuschreiben sind, gibt der Vergabesenat wichtige Hinweise. Im Streitfall sah der Vertragsentwurf vor, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber bei Bedarf Vorschläge für das weitere Vorgehen macht, an der Korrespondenz des Auftraggebers mitwirkt, an Besprechungen teilnimmt sowie Rechtsgutachten mit konkreten Entscheidungsvorschlägen anfertigt.

Darin liegt nach Auffassung des OLG Düsseldorf keine eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistung mehr. Hierzu führt der Senat anschaulich aus:

„Bei der Ausführung der Leistung hat der Auftragnehmer beträchtliche Kognitions-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume, die sich auf das Erkennen von Problemstellungen, die Entwicklung von Lösungswegen und die Beratungsergebnisse erstrecken. … Bei den Lösungen spielen sowohl die Bedürfnisse des Auftraggebers als auch die Opportunität eines Vorschlags und die Kreativität des Auftragnehmers eine gewichtige Rolle. … In Anbetracht der theoretischen und praktischen Bandbreite denkbarer Lösungen schließt das in der Regel die Möglichkeit und Notwendigkeit ein, dass dem Auftragnehmer vom Auftraggeber, ggf. auch wiederholt, zunächst Sachinformationen erteilt werden, die Vertragsparteien darüber sowie über Lösungsvarianten sprechen und verhandeln, und dass sich erst im Gespräch die Lösung herausbildet und formt, mit der Folge, dass danach erst beschrieben werden kann, welche Leistung dem Auftragnehmer genau obliegt. Die Leistung ist demnach zwar bestimmbar, aber nicht von vorneherein beschreibbar …“

Zuschlagsmitteilung bleibt notwendig

Demnach müssen Auftraggeber juristische Beratungsdienstleistungen nur dann nach den Bestimmungen der VOL ausschreiben, wenn sie eindeutig und erschöpfend beschrieben sind. Dies wird in der Praxis selten vorkommen. Erforderlich ist, dass jede Einzelleistung detailliert aufgelistet wird und so feststeht, dass eine Weiterentwicklung des Leistungsumfangs in der Ausführungsphase ausgeschlossen ist.

Anderenfalls bewegen sich Auftraggeber in der deutlich weniger regulierten VOF. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 VOF muss der Auftraggeber vergebene Aufträge aber stets nachträglich bekannt machen.

Beihilfeprüfung bei Gesamtnichtigkeit denkbar

Am Rande nimmt das OLG Düsseldorf noch zu der Frage Stellung, ob beihilferechtliche Verstöße in Vergabenachprüfungsverfahren zu erörtern sind. Die Bewertung fällt differenzierter als früher aus:

Eine Beihilferechtsprüfung ist dann möglich, wenn sie den geschlossenen Vertrag selbst betrifft und dieser insgesamt gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist. In seinem Beschluss vom 26.07.2002 (Verg 22/02) lehnte der Vergabesenat eine Beihilfeprüfung noch ab. Im Unterschied zum jetzt entschiedenen Fall ging es dort allerdings um in der Vergangenheit einmal erhaltene Beihilfen.

Mehr Informationen über den Autor Daniel Soudry, LL.M. finden Sie im Autorenverzeichnis [1].

Avatar-Foto

Über Dr. Daniel Soudry, LL.M. [2]

Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin) [3]. Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

Teilen
[5] [6] [7] [8] [9]