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Dienstleistungskonzessionen und kein Ende, Teil 1 (Einführung)

Paragraph (Anmk. der Redaktion:) Die Dienstleistungskonzession (DLK) unterfällt nicht den Vergaberichtlinien und somit nicht dem abgeleiteten nationalen Vergaberecht. Das bedeutet, dass etwa die Vergabenachprüfungsinstanzen unzuständig sind; der Primärrechtsschutz ist eingeschränkt. Die Kommission untersucht bereits seit geraumer Zeit, ob und inwieweit die DLK im Unionsrecht näher geregelt werden sollte. Ein entsprechendes Konsultationsverfahren lief bis zum 30.09.2010. Derzeit werden die zahlreichen Stellungnahmen, die der Kommission aus den Mitgliedstaaten vorliegen, ausgewertet. In nächster Zeit werden die Stellungnahmen auch im Internet veröffentlicht. Bereits jetzt ist klar, dass sich die Stimmen aus Deutschland nahezu einhellig gegen eine Regelung zur DLK aussprechen.

Unser Autor Rechtsanwalt Dr. Roderic Ortner hat über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen promoviert und erschien uns deshalb als der Richtige, um Sie, liebe Leserinnen und Leser, in das Thema einzuführen und bezüglich des „Gesetzgebungsverfahrens“ auf europäischer Ebene auf dem Laufenden zu halten.

1. Dienstleistungskonzession als unionsrechtlicher Begriff

Die DLK ist ein europäischer Begriff und nicht zu verwechseln mit dem, was landläufig unter Konzession verstanden wird: Nämlich die Konzession als Genehmigung (bspw. die Taxikonzession). Nach der insofern zunächst maßgeblichen Definition der europäischen Vergaberichtlinien sind DLKen Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Allerdings erfolgt die Vergabe einer DLK nicht im rechtsfreien Raum. Unlängst hat der EuGH in etlichen Entscheidungen Hinweise gegeben, welche Kriterien eine DLK ausmachen und welche Rechtsfolgen an das Vorliegen einer DLK geknüpft sind. Die Kommission hat die Rechtsprechung des EuGH in einer Interpretierenden Mitteilung zusammengefasst und den ausschreibenden Stellen Hinweise zum Umgang mit DLK auf den Weg gegeben. Die Mitteilung ist daher derzeit das maßgebliche Instrument für öffentliche Auftraggeber. Sie verstößt auch nicht, wie dies unter anderem Deutschland meinte, gegen Gemeinschaftsrecht, dies hat das Gericht der Europäischen Union kürzlich entschieden (vgl. dazu auch den Beitrag von Dirk Martin Kutzscher im Vergabeblog).

2. Dienstleistungskonzession als Modell der Privatisierung

Die Konzession stellt ein Modell der Privatisierung dar. Der Private erhält das Recht, aus der ihm vom Staat eingeräumten Dienstleistung Nutzen zu ziehen, sie also zu „kommerzialisieren“. Der Staat erhält für die Konzession vom Privaten im Gegenzug ein Konzessionsentgelt – das Betriebsrisiko liegt damit in aller Regel beim Konzessionär. Überall dort, wo die staatliche Nachfrage Dienstleistungen umfasst, kommt als Privatisierungsform die DLK in Betracht. Genannt seien beispielsweise Transport-, Verkehrs-, Telekommunikations- und Finanzdienstleistungen, Datenverarbeitung, Forschung und Entwicklung, Markt- und Meinungsforschung, Beratungsleistungen, Werbung, Druck und Verlag, Unterricht, inklusive Ausbildung von Medizinern und Juristen, Gesundheitsfür- und –vorsorge, Abfallbeseitigung und Wasser- und Abwasserentsorgung. Im Prinzip könnte jede öffentliche Dienstleistung konzessioniert werden, solange die Voraussetzungen einer DLK gegeben sind und die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten werden.

3. Voraussetzungen der Dienstleistungskonzession

Wann liegt eine DLK vor? Aus mittlerweile zahlreichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur DLK lassen sich m.E. folgende Schlussfolgerungen ziehen: Das Vorliegen einer DLK erfordert nicht, dass die Dienstleistung im Allgemeininteresse stehen muss. Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass mit der Konzession eine echte Pflichten- und Verantwortungsübertragung einhergeht oder dem Konzessionär gar ein Ausschließlichkeitsrecht eingeräumt wird. Schließlich muss die Leistung auch nicht unmittelbar über die Nutzer finanziert werden, eine so genannte Kongruenz ist daher nicht erforderlich, es genügt, wenn der Konzessionär von Dritten finanziert wird. Beispiel: Die Stadt Münster beauftragt ein Unternehmen mit der Pflege und Instandhaltung der städtischen Bushaltestellen für die nächsten vier Jahre. Das Unternehmen, der Konzessionär, finanziert sich nicht über die Nutzer der Haltestellen, sondern indem er, was ihm erlaubt ist, die Plakatflächen der Bushaltestellen vermietet.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer DLK lauten somit:

(1) Die öffentliche Stelle betraut den Konzessionär mit der Durchführung einer Dienstleistung,

(2) der Konzessionär erhält als Vergütung das Recht zur Verwertung der eigenen Leistung, gegebenenfalls zuzüglich eines Preises, und

(3) der Konzessionär trägt das wirtschaftliche Risiko.

Das wirtschaftliche Risiko ist je nach Einzelfall zu bemessen. Dabei sind alle die Leistung des Konzessionärs betreffenden risikoerhöhenden und risikoverringernden Faktoren zu berücksichtigen.

Im Teil 2 (im November) werde ich näher auf diese wohl wichtigste Voraussetzung der DLK eingehen, die gleichzeitig Abgrenzungskriterium zum öffentlichen Auftrag ist.

Mehr Informationen über den Autor Dr. Roderic Ortner, BHO Legal, Köln, München, finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Über Dr. Roderic Ortner

Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.

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