Vergabeblog

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Bauleistungen

Fehlerhafte Wertung wegen nicht bekannt gemachter Wertungskriterien (VK Bund, Beschluss v. 12.04.2013, VK 1-15/13)

ParagraphBei der  Angebotswertung nach bekanntgegebenen Zuschlagskriterien steht dem Auftraggeber grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zu. Die Bewertung ist jedoch dann fehlerhaft, wenn der Auftraggeber das Fehlen von Nachweisen moniert, die in den Vergabeunterlagen nicht gefordert waren (VK Bund, Beschluss v. 12.04.2013, VK 1-15/13).

§ 97 Abs. 5 GWB; §§ 25,26,29 SektVO

Leitsätze

1. Dem Auftraggeber steht bei der Wertung der Angebote nach den bekanntgegebenen Zuschlagskriterien (sog. 4. Wertungsstufe) ein Beurteilungsspielraum zu. Die Wertung von Angeboten kann daher nur auf Beurteilungsfehler hin überprüft werden.

2. Die Bewertung eines Angebots ist beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber das Fehlen eines detaillierten Erläuterungsberichtes beanstandet, die Vorlage eines solchen Berichtes aber weder in der Wertungsmatrix noch in den Vergabeunterlagen verlangt wurde.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Sektorenauftraggeber (AG ) hatte die Erneuerung einer Überführung europaweit im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Zuschlagskriterien waren der Preis ( Gewichtung 85% ) sowie „Terminplanung“ (10 % ) und „Logistik“ ( 5% ). Diese wurden entsprechend der beigefügten Wertungsmatrix mit 0 – 5 Punkten bewertet und dann entsprechend der Gewichtung zueinander ins Verhältnis gesetzt. Für die Kriterien Terminplanung und Logistik sah die Wertungsmatrix vor, dass jeweils 1 Punkt vergeben wurde, wenn die dazu genannten Anforderungen erfüllt waren. Dabei konnte ein höherer Punktwert ( max. 5 Punkte) nur dann erreicht werden, wenn die Anforderung für den jeweils niedrigeren Punktwert ebenfalls erfüllt war. Beim Kriterium“Logistik“ sollte ein Punkt vergeben werden, wenn ein technisch nachvollziehbarer Erläuterungsbericht vorhanden war und „Übersichtspläne ( SiGe – Pläne ) berücksichtigt und technisch nachvollziehbar“ waren. Das Angebot des Bieters A erhielt beim Kriterium“Logistik“ 0 Punkte – mit der Begründung der fehlenden Vorlage eines zusätzlichen, detaillierten Erläuterungsberichts und fehlenden Angaben zur SiGe- Planung.

Die Entscheidung

Die VK gibt hier Bieter A recht. Die geplante Zuschlagsentscheidung verstoße gegen §§ 97 Abs. 5, 29 Abs. 1 SektVO, da ihr eine fehlerhafte Wertung des Angebots des A zugrundeliege.

Rechtliche Würdigung

Dem AG stehe bei der Angebotswertung nach den bekanntgegebenen Zuschlagskriterien (4. Wertungsstufe) ein Beurteilungsspielraum zu. Die Angebotswertung könne daher von den Nachprüfungsinstanzen nur auf Beurteilungsfehler hin überprüft werden. Beanstandungen an der Bewertung eines Angebots könnten somit nur auf das Zugrundelegen eines  falschen Sachverhalts, auf Nichteinhaltung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe, auf Ungleichbehandlung, Willkür und sachfremde Erwägungen gestützt werden. Soweit der AG hier am Angebot des A beanstande, daß ihm kein zusätzlicher, detaillierter Erläuterungsbericht beiliege, ziehe er dagegen ein sachfremdes Wertungskriterium heran. Denn weder der Wertungsmatrix noch den Vergabeunterlagen sei zu entnehmen, daß die Bieter zusätzlich zum Logistikkonzept einen Erläuterungsbericht mit seinem Angebot einreichen mußte, geschweige denn, dass ein solcher detailliert ausfallen sollte.

Soweit der AG seine Wertung darauf stütze, daß A in seinem Logistikkonzept keine Stellung zu den erforderlichen Informationen der SiGe- Planung beziehe, sei dies ebenfalls beurteilungsfehlerhaft. Mit der Erwägung spreche der AG zwar ein Wertungskriterium an. Die entsprechende Planung und damit entsprechende Informationen hätten jedoch in der Angebotsphase gar nicht vorgelegen und hätten daher weder von A noch von anderen Bietern, wie in der Matrix gefordert, berücksichtigt werden können. Da dieses Unterkriterium von keinem Bieter erfüllt hätte werden können, müsse es diskriminierungsfrei einheitlich gegenüber allen Bietern fallen gelassen werden.

Deutsches VergabenetzwerkPraxistipp

Allen öffentlichen Auftraggebern wird  mit dieser Entscheidung noch einmal quasi ins Stammbuch geschrieben, dass nur dann ein ordnungsgemäßes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren durchgeführt werden kann, wenn die veröffentlichte Wertungsmatrix strikt beachtet wird. Zusätzliche, in den Vergabeunterlagen gar nicht vorgesehene Erläuterungen oder Detaillierungen können bei der Angebotswertung (auf Wertungsstufe 4) auch nicht berücksichtigt werden. Wenn der AG an einem solchen Kriterium unbedingt festhalten will, bleibt ihm effektiv nichts anderes übrig, als das Verfahren auf den Stand vor der Angebotsabgabe zurückzuversetzen und entsprechend so nachzubessern, daß das Kriterium für alle Bieter tatsächlich erfüllbar wird.

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Über Michael Werner

Michael Werner ist Rechtsanwalt und bei der DEGES GmbH in Berlin tätig. Herr Werner ist Experte im deutschen und europäischen Vergaberecht sowie im Bauvertragsrecht. Vor seiner anwaltlichen Tätigkeit war Herr Werner langjähriger Leiter der Rechtsabteilung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e.V. und Mitglied im Deutschen Vergabe - und Vertragsausschuss des Bundes (DVA).

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