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OLG Koblenz: Der wirkliche Wille hat Vorrang vor dem Empfängerhorizont (OLG Koblenz, Beschluss v. 26.02.2014 – 1 Verg 15/13)

EntscheidungManchmal entscheidet die Auslegung eines Angebots darüber, ob es von den Vergabeunterlagen abweicht und daher auszuschließen ist. Wie eine Entscheidung des OLG Koblenz verdeutlicht, können dabei nicht nur die eigentlichen Angebotsunterlagen  und deren Auslegung relevant sein, sondern auch der wirkliche Wille eines Bieters.

§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 6 EG VOB/A, § 15 EG VOB/A

Leitsätze (amtlich)

  1. Bei der Auslegung eines Angebots hat der feststellbare wirkliche Wille des Bieters Vorrang vor einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, wenn die Erklärung vom Auftraggeber im gleichen Sinne verstanden wurde.
  2. Dies gilt auch, wenn das übereinstimmende Verständnis vom Inhalt eines Angebots das Ergebnis einer Aufklärung nach § 15 EG VOB/A ist.

Sachverhalt

Das Leistungsverzeichnis einer Ausschreibung von Abbrucharbeiten sah für mehrere Einzelpositionen den Abbruch von Hand/mit handgeführten Kleingeräten vor, während bei anderen Positionen Geräteeinsatz ist möglich vermerkt war. Der Auftraggeber stellte das Leistungsverzeichnis auch als GAEB Datei elektronisch bereit. Aufgrund eines technischen Fehlers erschien dort jedoch in zwei eigentlich für den Handabbruch vorgesehenen Positionen fälschlicherweise Geräteeinsatz möglich. Ein Bieter nutzte diese Datei und bepreiste die beiden Positionen fälschlicherweise für den Abbruch mit Geräteeinsatz. Die Urschrift des Leistungsverzeichnisses erkannte er aber als alleinverbindlich an. Auf eine entsprechende Aufklärungsfrage erläuterte der Bieter, dass er aufgrund der großen Flächen in diesen beiden Positionen den Abbruch durch Großgeräte mit Abbruchzangen einkalkuliert habe. Dies entspreche dem neuesten Stand der Technik (erschütterungsarm abbrechen) und sei auskömmlich kalkuliert. Der Auftraggeber schloss ihn daraufhin wegen unzutreffender Preisangaben gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) EG VOB/A aus.

Entscheidung

Im Ergebnis erfolgte der Ausschluss zu Recht! Das Oberlandesgericht Koblenz sah das Angebot als nicht ausschreibungskonform an.Deutsches VergabenetzwerkRechtliche Würdigung

Zulässige und eindeutige Vorgabe im Leistungsverzeichnis

Aus Sicht des Senats bestimmte das verbindliche Leistungsverzeichnis klar und eindeutig, dass die betroffenen Positionen von Hand abzubrechen seien. Ohne Erfolg argumentierte der Bieter, dass auch der Abbruch mit einer Abbruchzange von dieser Vorgabe umfasst sein müsse. Allein die (direkte oder indirekte) manuelle Bedienung eines Hydraulikbaggers, eines ferngesteuerten Abbruchroboters oder eines ähnlichen Tragegeräts machte den Geräteeinsatz aus Sicht des Senats noch nicht zu einem handgeführten Kleingerät.

Keine Wertung gleichwertiger Alternativen

Ob der angebotene Abbruch auch mit der Abbruchzange in schonender Weise möglich gewesen wäre, war unerheblich. Der Auftraggeber hatte die Leistung nämlich gerade nicht funktional also bezogen auf das Abbruchziel beschrieben, sondern den manuellen Abbruch explizit vorgegeben. Diese Vorgabe war aus Sicht des Senats auch durch das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt. Die alternative Lösung des Bieters war als solche nicht wertbar, da Nebenangebote nicht zugelassen waren.

Der zugestandene und erkannte wirkliche Wille bindet den Bieter!

Der Bieter konnte sein Angebot schließlich auch nicht dadurch retten, dass er am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte, sein Angebot beinhalte zum gleichen Preis die tatsächlich vorgegebene Ausführungsvariante (also per Handabbruch) und dies sei auch nach wie vor auskömmlich. Das hätte nämlich dem Willen des Bieters widersprochen, in diesen Positionen den Geräteabbruch anzubieten, aus dem er bislang keinen Hehl gemacht habe. Da der Auftraggeber dies so auch verstanden hatte, wäre der Vertrag bei Zuschlag auch mit diesem Inhalt geschlossen worden. Eine nachträgliche Änderung des Angebots über den Umweg der Auslegung war nicht möglich.

Praxistipp

Die Entscheidung unterstreicht die Relevanz von Klarstellungen und Auskünften der Bieter jenseits der eigentlichen Angebotsunterlagen. Von diesen können sie sich im Nachhinein ebenso wenig distanzieren, wie etwa von bereits erfolgten, irrtümlichen Produktangaben. Insoweit knüpft das OLG Koblenz an seine Rechtsprechung in Bezug auf die Anfechtungsmöglichkeit als Ausschlussgrund an (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30.03.2012, AZ.: 1 Verg 1/12).

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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