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Bauleistungen

Keine Nachforderung bei widersprüchlich abgegebenen Erklärungen? (VK Nordbayern, Beschl. v. 09.05.2014 – 21.VK-3194-08/14)

EntscheidungEine Nachforderung im Sinne des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist nur für fehlende Erklärungen und Nachweise, nicht für mehrdeutige Angaben möglich.

VOB/A 2012 § 3a Abs. 1 Nr. 1, § 15 EG Abs. 2, § 16 EG Abs. 1 Nr. 3

Leitsatz

  1. Angebote mit mehrdeutigen Angaben führen zum Angebotsausschluss. Dies gilt auch im Bereich von Nachunternehmererklärungen.
  2. Lässt ein Bieter die ihm gesetzte angemessene Frist unbeantwortet verstreichen (§ 15 EG Abs. 2 VOB/A ), so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Eine nochmalige Aufforderung kann nicht aus § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A abgeleitet werden. Die Pflicht zur Nachforderung des § 16 EG Abs. 1 Nr.  3 VOB/A betrifft nur fehlende Erklärungen oder Nachweise, welche vom Auftraggeber zur Vorlage mit dem Angebot gefordert worden sind.

Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb Rohbauleistungen im Zusammenhang mit einem Tunnelvortrieb europaweit aus. Die Baubeschreibung enthielt grundsätzliche Festlegungen zum Vortrieb. Ausweislich der Vergabeunterlagen waren Nachunternehmerleistungen auszuweisen. Nach Submission forderte die Vergabestelle die spätere Antragstellerin zur Erläuterung deren Vortriebskonzeptes und Benennung der vorgesehenen Nachunternehmer unter Fristsetzung zum 16.12.2013 auf. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin unter Vorlage einer Nachunternehmerliste nebst Benennung der Nachunternehmer nach. Im Rahmen eines hierauf folgenden Bietergespräches wurde festgehalten, dass bis zum 17.01.2014 Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer einzureichen sind. Fristgerecht erklärt die Antragstellerin sich nochmals zu den vorgesehenen Nachunternehmern unter Beifügung einer handschriftlichen Anmerkung Biegepartner = Eigenleistung, Lohnleistung NU (unter Vorbehalt Fa. Y). Eine Verpflichtungserklärung der Fa. Y lag der Erklärung nicht bei. Hierauf schloss die Vergabestelle die Antragstellerin u.a. wegen Nichtvorlage geforderter Nachweise aus.

Die Entscheidung

Die VK bestätigt den Ausschlussgrund nach § 15 EG Abs. 2 VOB/A . Insoweit folgt die VK der Auffassung der Vergabestelle, die Antragstellerin habe widersprüchliche und unklare Angaben zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz abgegeben, da die zum 16.12.2013 abgegebene Nachunternehmerliste für die fragliche Leistung einen Nachunternehmer X vorsah, wohingegen der Eintrag in der am 17.01.2014 vorgelegten Liste handschriftlich mit der Bemerkung Biegepartner = Eigenleistung, Lohnleistung NU (unter Vorbehalt Fa. Y) auswies. Hierdurch habe die Antragstellerin eine widersprüchliche und unklare Erklärung abgegeben, da letztlich nicht klar sei, wer konkret die entsprechende Leistung ausführt. Auch das nachträglich eingebrachte Argument der Antragstellerin, die Fa. Y sei Nachunternehmer eines Biegepartners, weshalb die Vorlage einer Verpflichtungserklärung nicht erforderlich sei, verfängt hierzu nicht. Entscheidend, so die VK, sei hier die Abgabe einer widersprüchlichen Erklärung, da das Angebot jedenfalls einen mehrdeutigen Inhalt habe. Ein Zuschlag hierauf komme nicht in Betracht. Letztlich sei die Vergabestelle auch nicht verpflichtet worden, nochmals Unterlagen nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachzufordern: Die Vorschrift beträfe nur mit dem Angebot vorzulegende Unterlagen, nicht hingegen nachträglich angeforderte Unterlagen, sodass die Norm nicht anwendbar sei.

Rechtliche Würdigung

Die VK hält eine Nachforderung von Unterlagen, die nicht schon mit dem Angebot vorzulegen waren, sondern erst später angefordert werden, für unzulässig. Diese Vorgehensweise widerspricht der Auffassung des OLG Celle (Beschluss vom 16.06.2011, 13 Verg 3/11), wonach generell eine Nachforderungspflicht bestehen soll.

Praxistipp

Insgesamt ist die Rechtsprechung zur Nachforderungspflicht sehr uneinheitlich, weshalb Auftraggeber jeweils im Einzelfall explizit prüfen sollten, ob hier tatsächlich eine Nachforderungspflicht in Betracht kommt. Die hiervorgenommene Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A überzeugt schon deshalb nicht, weil Auftraggeber hierbei durch nachträgliches Anfordern von Unterlagen jeweils eine Nachforderungsmöglichkeit ausschließen und damit eine zweite Chance der Bieter auf Vervollständigung ihrer Unterlagen verhindern könnten. Dies widerspricht dem Sinngehalt der Aufnahme dieser Vorschrift in die Vergabeordnungen.

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Über Julia Zerwell

Julia Zerwell ist Dipl.-Verwaltungswirtin (FH), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht bei der SIBETH Partnerschaft in Frankfurt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Vergaberecht und umfasst die Beratung bei öffentlichen Auftragsvergaben sowie bei Konzeptionierung und Durchführung von Ausschreibungen aller Vergabearten im Bau- oder Dienstleistungsbereich. Sie unterstützt Auftraggeber und berät Vergabestellen wie auch Bieter. Ihr Tätigkeitsfeld erstreckt sich auf die projektbegleitende Beratung im privaten Bau- und Architektenrecht, insb. bei Großbauvorhaben und Infrastrukturprojekten, sowie Vertretung vor Behörden und Gerichten. Zerwell ist Referentin verschiedener Seminare und publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften.

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