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Das Wichtigste zur neuen Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) – Teil 1/2

Icon EU„Nach der Reform ist vor der Reform“ – dieses geflügelte Wort konnte man in vergaberechtlichen Newslettern und Veröffentlichungen der vergangenen Wochen des Öfteren lesen. Der Grund: Die Bundesregierung drückt aufs Tempo und will sich kurz nach Inkrafttreten des neuen Vergaberechts zum 18.04.2016 des nationalen Vergaberechts annehmen. Das Ergebnis ist der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) am 31.08.2016 veröffentlichte Diskussionsentwurf einer Unterschwellenvergabeordnung, die den 1. Abschnitt der VOL/A ablösen soll. Das Papier beschert der Vergabewelt weitere 52 Paragrafen, verordnet dem praktisch bedeutsamen nationalen Vergaberecht ein umfassendes Update und gleicht es in weiten Teilen an die EU-Reform an. Die zehn wichtigsten Neuerungen auf einen Blick:

1. Verfahrensarten

Wie die VgV unterscheidet die UVgO nun nach den Voraussetzungen für die Wahl der jeweiligen Verfahrensart (§ 8) und der Darstellung des Verfahrensablaufs (§§ 9 ff.).

Der Vorrang der Öffentlichen Ausschreibung wird aufgegeben und die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb nach § 8 Abs. 2 S. 1 UVgO auf dieselbe Stufe gestellt. Öffentliche Auftraggeber dürfen hiernach also frei wählen, welche der beiden Verfahrensarten sie wählen, ohne dies näher begründen zu müssen. Beibehalten wurde nach § 8 Abs. 3 UVgO die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb, die im EU-Recht keine Entsprechung hat.

Die Freihändige Vergabe wird nun Verhandlungsvergabe genannt, wobei das Gesetz zumindest dem Wortlaut nach deutlicher zwischen einem Verfahren mit und ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb unterscheidet (§ 8 Abs. 1, 4). Während einige Tatbestände mehr oder weniger unverändert aus der VOL/A übernommen werden, sind in § 8 Abs. 4 UVgO andere neu hinzugekommen: So ist – sehr abstrakt gehalten – eine Verhandlungsvergabe nach Nr. 2 zulässig, wenn der Auftrag nicht ohne Verhandlungen vergeben werden kann. Nach Nr. 9 ist eine Verhandlungsvergabe zudem erlaubt, wenn der Aufwand einer anderen Verfahrensart im Missverhältnis zu dem erreichten Vorteil oder dem Wert der Leistung stünde. Wann dies mit Blick auf die weniger formalisierten, dafür aber aufwändigeren Verhandlungen überhaupt der Fall sein soll, erschließt sich nicht. Schließlich zählt Nr. 9 gerade nicht zu den in § 12 Abs. 3 S. 1 UVgO genannten Fällen, in denen auf die Beteiligung mehrerer Bieter verzichtet werden darf. § 8 Abs. 4 Nr. 13 UVgO nennt als Anwendungsfall der Verhandlungsvergabe schließlich die vorteilhafte Gelegenheit. Im Abschnitt der VOL/A fand sich diese nicht ausdrücklich, sondern – gut versteckt – im Anhang IV zur VOL/A, dort unter III. bei den Bemerkungen zu § 3 Abs. 5 lit l) VOL/A.

Neu ist auch, dass Auftraggeber – wie nach § 17 Abs. 11 VgV – nach § 12 Abs. 4 S. 2 UVgO ein Angebot ohne Verhandlungen annehmen dürfen, wenn sie bereits bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf diese Möglichkeit hinweisen. Ob sich ein Auftraggeber zur Anwendung von § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO auf diesen Gedanken berufen darf, erscheint zumindest zweifelhaft.

§ 14 verdoppelt schließlich die Wertgrenze für den Direktauftrag (bisheriger „Direktkauf“ nach § 3 Abs. 6 VOL/A) von 500 Euro auf 1.000 Euro.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Verhandlungsvergabe künftig leichter gewählt werden darf. Insoweit entspricht die Zielsetzung der EU-Reform.

2. Freiberufliche Leistungen

Die UVgO soll nach dem Willen des BMWi nunmehr auch auf freiberufliche Leistungen anwendbar sein. Das noch geltende Recht nimmt sie gemäß § 1 VOL/A von deren Anwendungsbereich aus. Hier gelten im Wesentlichen §§ 7, 55 BHO und die hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften des Bundes (vgl. Anhang IV, III zur VOL/A, dort zu § 1).

Für die Vergabe freiberuflicher Leistungen steht öffentlichen Auftraggebern nach § 8 Abs. 4 Nr. 4 UVgO grundsätzlich die Verhandlungsvergabe zur Verfügung. Betreffen die freiberuflichen Leistungen solche, die nach einer verbindlichen Gebühren- oder Honorarordnung abgerechnet werden dürfen, soll der Auftraggeber nach § 12 Abs. 3 S. 2 UVgO mit einem einzigen Unternehmen verhandeln dürfen. Dies erscheint wenig nachvollziehbar, dreht sich der Wettbewerb doch nicht allein um den Preis, sondern auch und vor allem um den Erhalt des Auftrags an sich (vgl. etwa die Ausschreibung preisgebundener Schulbücher).

§ 21 Abs. 2 UVgO erlaubt Auftraggebern schließlich vom Regelfall abzusehen und die VOL/B nicht zum Vertragsgegenstand zu machen.

3. Markterkundung

Wie § 28 VgV erklärt § 20 UVgO Markterkundungen ausdrücklich für zulässig. Die bisherige Regelung in § 2 Abs. 3 VOL/A, wonach Markterkundungen (nur!) unzulässig sind, wenn sie in Form eines Vergabeverfahrens erfolgen, ist missverständlich und führte allzu häufig zu dem falschen Verständnis, dass Markterkundungen generell vergaberechtswidrig seien (Vgl. Soudry, Vergabeblog Nr. 23752 vom 11.02.2015 [1]). Die Klarstellung ist daher zu begrüßen.

4. Losvergabe

Die Losvergabe ist nun deutlich ausführlicher als bisher geregelt. Nach § 22 Abs. 1 S. 2, 3 UVgO dürfen Auftraggeber sowohl eine Angebots- als auch eine Zuschlagslimitierung vorsehen, ohne dies begründen zu müssen. Damit wird das Unterschwellenvergaberecht nicht nur an § 30 VgV angeglichen, sondern auch in Gesetzesform gefasst, was entgegen kritischer Stimmen von der Rechtsprechung schon vor der EU-Reform für zulässig gehalten wurde (Vgl. Soudry, Vergabeblog Nr. 14465 vom 16.01.2013 [2]).

§ 22 Abs. 3 UVgO regelt, wie Auftraggeber vorgehen müssen, wenn sie den mehrere Lose kombinieren und an einen Bieter vergeben möchten.

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5. Unteraufträge

§ 26 UVgO enthält nun erstmals detaillierte Regelung zur Vergabe von Unteraufträgen an Nachunternehmer. Die Regelung entspricht § 36 VgV und setzt unter anderem die Rechtsprechung des BGH um, wonach die Benennung von Nachunternehmern bereits mit Angebotsabgabe gefordert werden darf, wenn dies für die Bieter zumutbar ist (Vgl. Mantler, Vergabeblog Nr. 13205 vom 22.07.2012 [4]). Zudem wird der Einsatz von Nachunternehmern – ebenfalls entsprechend der VgV – deutlicher von der Eignungsleihe (§ 34 UVgO) abgegrenzt.

Ein weites Nachforderungsrecht erhalten öffentliche Auftraggeber mit § 26 Abs. 5 UVgO eingeräumt: Benennt ein Bieter einen ungeeigneten Nachunternehmer, kann der Auftraggeber verlangen, dass dieser ersetzt wird, und zwar im laufenden Vergabeverfahren. Nach bisherigem Recht wäre dies, jedenfalls in Bezug auf letztverbindliche Angebote, eine unzulässige Nachverhandlung, weshalb das Angebot mangels nachgewiesener Eignung zwingend auszuschließen wäre (vgl. OLG Düsseldorf, 05.05.2004, VII-Verg 10/04). Das soll nur noch so sein, wenn der Bieter auf entsprechende Aufforderung keinen geeigneten Nachunternehmer anstelle des ungeeigneten benennen kann, § 26 Abs. 5 S. 5 UVgO.

Ganz neu ist § 26 Abs. 6 UVgO: Danach darf der Auftraggeber vorschreiben, dass der Bieter bestimmte Aufgaben bei der Leistungserbringung selbst ausführen muss und nicht an einen Nachunternehmer weiterreichen darf. Im Vergleich zu § 47 Abs. 5 VgV, der dies nur für „kritische Aufgaben bei Dienstleistungsaufträgen“ oder für „kritische Verlege- oder Installationsarbeiten“ erlaubt, ist § 26 Abs. 6 UVgO deutlich weiter formuliert. Vermutlich ist der größere Spielraum darauf zurückzuführen, dass das Selbstausführungsgebot im nationalen Vergaberecht – anders als im EU-Vergaberecht – grundsätzlich zulässig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 18.03.2004, Rs. C-314/01, Rn. 43).

Im zweiten Teil des Beitrags lesen Sie unter anderem zu

– den Bekanntmachungspflichten

– der Zurverfügungstellung der Vergabeunterlagen

– der Eignung der Bieter sowie

– den Zuschlagskriterien und der Angebotswertung.

 

Anmerkung der Redaktion
Im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) [5] wurde zur Veröffentlichung des Diskussionsentwurf der Fachausschuss „Entwurf UVgO“ [6] eingerichtet. Hier soll der Entwurf im Ganzen als auch einzelne Regelungen daraus erörtert und diskutiert werden. Wir freuen uns auf für Ihre rege Beteiligung!

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Über Dr. Daniel Soudry, LL.M. [7]

Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin) [8]. Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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