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Risikofreie Wertung von Preis- und Nichtpreiskriterien? – Thema auf dem 1. Bau-Vergabetag 2017

Am 16. Februar 2017 findet in Berlin der 1. Bau-Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. Zur Vorbereitung und Auswahl der angebotenen Workshops stellen die Referenten ihren Workshop im Vorfeld des Kongresses vor; heute der Workshop A.2: „Risikofreie Wertung von Preis- und Nichtpreiskriterien?“

Einführung in den Workshop

Die Wertung der Angebote in Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte anhand der von den öffentlichen Auftraggebern vorgegebenen Preis- und Nichtpreiskriterien ist ein Dauerthema in den Entscheidungen der Vergabekammern und –senate. Dabei stehen nicht nur die Aufstellung von Zuschlagskriterien im Fokus der Rechtsprechung, sondern insbesondere die zur Wahrung der Transparenz bestehenden Mitteilungspflichten der Auftraggeber bezüglich des vorgesehenen Bewertungsmaßstabes zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots.

Im Rahmen des Workshops soll die Thematik anhand von best practice Beispielen aus der Baupraxis mit Hinweisen zur Fehlervermeidung und den Entwicklungen der Rechtsprechung vermittelt werden.

Wertungsmöglichkeiten von Preiskriterien

Soll die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht nur anhand des niedrigsten Preises erfolgen, sind von den Auftraggebern weitere Nichtpreiskriterien aufzustellen. Die Wertung von Preiskriterien im Zusammenhang mit Nichtpreiskriterien setzt die Gewichtung der aufgestellten Zuschlagskriterien in einer Wertungsmatrix voraus, die nach § 127 Abs. 5 GWB in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufzuführen ist. Die sich aus dieser Matrix ergebene Gewichtung der Preiskriterien macht es oftmals erforderlich, dass die von den Bietern angebotenen Preise bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots in Punktewerte umzurechnen sind. Die Umrechnung in Punktwerte kann grundsätzlich anhand verschiedener Umrechnungsformeln geschehen. Die Auswahl der konkreten Umrechnungsformel muss dabei jedoch die relativen Preisabstände angemessen bei der Punkteverteilung berücksichtigen (vgl. VK Südbayern, Beschl. v. 30.08.2016, Z3-3-3194-1-28-07/16, noch nicht bestandskräftig; so auch im Grundsatz jüngst: VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.10.2016, 1 VK 41/16).

Neben den bekannten Umrechnungsformeln zur Berechnung der Punktwerte soll mit den Workshopteilnehmern auch die Übertragung der für die Beschaffung von IT-Dienstleistungen gängigen Bewertungsmethoden aus der UfAB (Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen; siehe dazu auch http://www.cio.bund.de/Web/DE/IT-Beschaffung/UfAB/ufab_node.html [1]) auf den Baubereich diskutiert werden.

Pflicht zur Mittelung der Bewertungsmaßstäbe bei Nichtpreiskriterien?

Auftraggeber sind verpflichtet, den Bietern im Bekanntmachungstext oder den Vergabeunterlagen die in den Verfahren zur Anwendung vorgesehenen Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bekannt zu geben. In welchem Umfang jedoch eine Pflicht zur Mitteilung der Bewertungsmaßstäbe besteht oder ob diese nunmehr vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH (Urt. v. 14.07.2016, Rs. C-6/15) entbehrlich ist, soll im Rahmen des Workshops diskutiert und weiter vertieft werden. Denn die Bewertung von Nichtpreiskriterien setzt nach Ansicht des OLG Düsseldorfs (Beschl. v. 16.12.2015, Verg 25/15) voraus, dass den Bietern im Vorhinein der Bewertungsmaßstab mitgeteilt wird, welchen Erfüllungsgrad (Zielerreichungsgrad) die Angebote bei den Kriterien aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden. Die Punktwerte können dabei entweder nach einem Schulnotensystem oder anderen, an dieses System angelehnte, Bewertungsmaßstäben bestimmt werden. Wurde den Bieter im Voraus nicht zuverlässig mitgeteilt, auf welche konkreten Leistungen der Auftraggeber Wert legt und wie die Angaben und angebotenen Konzepte zueinander gewichtet werden sollen, lässt dies objektiv Raum für Manipulationen und Willkür bei der Bewertung der Angebote (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015, Verg 28/14, Beschl. v. 15.06.2016, Verg 49/15). Diese Entscheidung des OLG Düsseldorfs galt als Ende der Schulnotensysteme. Das OLG Dresden (Beschl. v. 26.01.2016, Verg 1/16) pflichtete der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorfs grundsätzlich bei, betonte dabei aber, dass dies nicht dazu führen würde, dass Schulnotensysteme vergaberechtlich grundsätzlich unzulässig wären. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Bieter nicht erkennen kann, wonach der Auftraggeber innerhalb des Wertungskriteriums die Wertungsabstufung inhaltlich vorzunehmen beabsichtigt.

Demgegenüber sieht der EuGH (Urt. v. 14.07.2016, Rs. C-6/15) keine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, den potenziellen Bietern in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen die Bewertungsmethode, die er zur konkreten Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, zur Kenntnis zu bringen. Allerdings darf diese Methode keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken und grundsätzlich nicht nach der Öffnung der Angebote festgelegt worden sein.

Ausblick

Vor dem Hintergrund der vergaberechtlichen Rechtsprechung soll im Rahmen des Workshops vermittelt werden, wie eine risikofreie Wertung von Preis- und Nichtpreiskriterien aussehen kann. Dies umfasst neben der Aufstellung der Wertungskriterien (u.a. Technischer Wert, Bauzeit, architektonische Qualität sowie Qualifikation und Erfahrung des Personals) die mögliche Ausgestaltung in den Vergabeunterlagen und die mit dem Vergaberecht einhergehenden Dokumentationspflichten der Auftraggeber.

Einladung

Ihre Fragen rund um diesen Themenkomplex werden im Workshop A.2: „Risikofreie Wertung von Preis- und Nichtpreiskriterien?“ auf dem 1. Bau-Vergabetag am 16. Februar 2017 in Berlin [2] von den Referenten Frau Rechtsanwältin Dr. Eva-Dorothee Leinemann (Leinemann Partner Rechtsanwälte) und Herrn Matthias Steck (Vorsitzender der Vergabekammer Südbayern) gerne beantwortet.

Der Workshop behandelt insbesondere die Themen:

Das vollständige Programm des 1. Bau-Vergabetags 2017 sowie die Anmeldemöglichkeiten finden Sie unter:

http://www.bau-vergabetag.de/ [2]

Kontribution
Dieser Beitrag wurde von Frau RA´in Dr. Eva-Dorothee Leinemann in Zusammenarbeit mit Herrn Matthias Steck verfasst.

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Über Matthias Steck [3]

Matthias Steck ist seit Herbst 2002 als juristischer Staatsbeamter im höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst des Freistaats Bayern tätig und seit August 2012 Vorsitzender der Vergabekammer Südbayern. Neben der Bearbeitung von durchschnittlich 55 bis 65 Nachprüfungsanträgen jährlich, tritt Matthias Steck regelmäßig als Referent auf vergaberechtlichen Fortbildungsveranstaltungen auf und ist Mitautor verschiedener vergaberechtlicher Kommentierungen.

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Über Dr. Eva-Dorothee Leinemann, LL.M. [4]

Seit 2001 ist Dr. Eva-Dorothee Leinemann als Rechtsanwältin bei Leinemann Partner Rechtsanwälte [5]in Berlin tätig, seit 2010 als Partnerin der Sozietät. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Vergaberecht, wo Dr. Eva-Dorothee Leinemann u. a. Auftraggeber bei komplexen Ausschreibungen sowohl im Bau- als auch im Dienstleistungs- und Lieferbereich berät. Sie bearbeitet ferner Prozesse und Beratungsmandate im privaten Bau-, Architekten- und Fördermittelrecht. Dr. Eva-Dorothee Leinemann ist Redakteurin von Publikationen, Referentin vergaberechtlicher Seminare und Lehrbeauftragte an der Fachhochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Ehrenamtlich engagiert sich Dr. Eva-Dorothee Leinemann u.a. als Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht im Deutschen Anwaltsverein. Dr. Eva-Dorothee Leinemann wird im JUVE-Handbuch seit 2004/2005 als häufig empfohlene Anwältin im Vergaberecht geführt.

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