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„Erfolgreicher Einkauf trotz Verhandlungsverbot“ – Was Auftraggeber beachten sollten

Öffentliche Beschaffer sind verpflichtet, das wirtschaftlichste Angebot einzukaufen. Genau dies macht das Vergaberecht aber nicht gerade leicht. Bis auf wenige Ausnahmen wie bspw. im Verhandlungsverfahren bestehen keine Möglichkeiten, vor Vertragsschluß das Leistungsportfolio des Bieters mit der genauen Nachfragesituation des Auftraggebers hinreichend genau abzugleichen. Was im privaten Bereich selbstverständlich und für beide Seiten nutzbringend ist, geht zu Gunsten eines transparenten Wettbewerbs im öffentlichen Bereich nicht – die Ausschreibung ist ebenso final wie das darauf eingereichte Angebot. Hans-Jörg Geddert und Thomas H. Fischer zeigen in der aktuellen Ausgabe des Behörden Spiegels [1] (45. Woche, S. 25), was öffentliche Auftrageber beachten sollten, um gleichwohl sicher zu stellen, das für sie „beste“ Angebot zu erhalten, und dabei zugleich dem Gebot eines fairen und transparenten Wettbewerbs Rechnung zu tragen.

So empfehlen die Autoren vor der Ausschreibung die Möglichkeiten der Markterkundung auszuschöpfen, bspw. durch sog. Bieterkonferenzen. Der Bieter hat regelmäßig die größere Sachkunde auf dem Gebiet der nachgefragten Leistung, weshalb, so die Autoren, Nebenangebote sofern möglich zugelassen werden sollten. Dies leuchtet insb. bei komplexen technischen Produkten oder Dienstleistungen ein, bei der die ausschreibende Stelle Alternativen möglicherweise gar nicht erkennen kann. Neben weiteren angesprochenen Punkten ist ein zentrales Thema das der Risikoverteilung zwischen öffentlichem Auftraggeber und – privatem Auftragnehmer: Die oft praktizierte einseitige Verlagerung der Risiken auf die Seite des Auftragnehmers mag für den Auftrageber verlockend sein – ist aber tatsächlich zu dessen Nachteil: Sie führt zu einer – oft deutlichen – Reduktion der Anzahl der eingereichten Angebote und verhindert einen funktionierenden Wettbewerb um „die beste Lösung“.

Das strenge Vergaberecht hat zweifelsfrei seine Berechtigung. Gleichwohl gilt es, im Sinne „erfolgreicher“ Ausschreibungen für beide Seiten, die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen. Es bleibt zu hoffen, dass – schon im Interesse der öffentlichen Auftraggeber – wenigstens einige der von Herrn Geddert und Herrn Fischer genannten Hinweise auf fruchtbaren Boden fallen.

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Über Marco Junk [2]

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) [3]. Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer [4]und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom [5] tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck [6]. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom [7] und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. [8] Seit 2022 ist Marco Junk als Leiter Regierungsbeziehungen für das IT-Dienstleistungsunternehmen Atos [9] tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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