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Doch lieber USB statt Firewire: Änderung der Leistungsbeschreibung bei Verfahrenszurücksetzung zulässig?

USB [1] Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens verpflichtete das OLG die Vergabestelle, ein Verfahren zur PC-Beschaffung in den Stand vor Angebotsaufforderung (es handelte sich um einen Teilnahmewettbewerb) und Versendung der Verdingungsunterlagen zurück zu versetzen. Aus der Not die Tugend machen, dachte sich wohl die Vergabestelle, und änderte bei dieser Gelegenheit gleich mal die Leistungsbeschreibung ein wenig: Ursprünglich waren alternativ Firewire- oder USB-Schnittstelle zugelassen, nun sollte in jedem Fall ein USB-Anschluss vorhanden sein. Das sah einer der Bieter mit alleinig Firewireanschlüssen gründlich anders und stellte Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer (VK Bund, Az VK 3 32/08)

Die Gretchenfrage war also, ob die Vergabestelle die Leistungsbeschreibung nur im Rahmen des zur Beseitigung der vom OLG gerügten Vergabeverstöße Erforderlichen hatte überarbeiten dürfen oder auch darüber hinaus: Die Vergabekammer (VK) sah die Änderung der Verdingungsunterlagen über das vom OLG beanstandete Maß hinaus als zulässig an.

Die Auftraggeberin könne, so die VK, bei der Überarbeitung der Verdingungsunterlagen neue Erkenntnisse, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Nachprüfungsverfahrens waren, einbringen. So z.B., wenn Sie feststelle, dass die ursprüngliche Leistungsbeschreibung ihren Bedürfnissen nicht hinreichend gerecht werde. Denn eine andere – rein formale – Betrachung hätte die Konsequenz, ein offenkundig ungeeignetes Produkt einzukaufen. Das aber stünde im Widerspruch mit den einzuhaltenden Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Dieser Wertung stünde vorliegend auch kein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin entgegen.

Bei der gebotenen funktionalen Betrachtungsweise handele es sich um ein neues Vergabeverfahren und damit gerade nicht um eine (unzulässige) Änderung der Verdingungsunterlagen während eines laufenden Verfahrens. Eine rechtswidrige Verletzung von Bieterinteressen sei nur dann gegeben, wenn diesen keine ausreichende Zeit eingeräumt würde, sich auf die geänderten Anforderungen einzustellen, was vorliegend aber nicht der Fall gewesen sei.

Die Entscheidung der VK darf man wohl getrost als praxisorientiert im besten Sinne bezeichnen. Dabei drängt sich eine interessantes Gedankenspiel auf: Die Möglichkeit der Vergabestelle, durch gezielt rechtswidriges Verhalten während des Vergabeverfahrens willentlich eine Verfahreszurücksetzung zu kassieren um so die Option auf Änderung der Leistungsbeschreibung zu erhalten. Aber das wäre sicherlich nicht sehr praxisorientiert (und möge man auch bitte nur als juristisch interessante Möglichkeit verstehen, gewiss nicht als unterstellte Praxis!).

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Über Marco Junk [2]

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) [3]. Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer [4]und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom [5] tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck [6]. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom [7] und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. [8] Seit 2022 ist Marco Junk als Leiter Regierungsbeziehungen für das IT-Dienstleistungsunternehmen Atos [9] tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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