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„Hohe Transparenz gerade jetzt erforderlich“ – Interview mit Gabriele C. Klug, Transparency International

Das Konjunkturpaket II [1] sieht eine weitgehend formfreie Vergabe öffentlicher Aufträge zu deutlich erhöhten Wertgrenzen vor. Transparency International (TI) [2] übt Kritik an dieser pauschalen Lockerung des Vergaberechts und fordert ein hohes Maß an Transparenz für die unter dem Konjunkturpaket II durchgeführten Vergaben. Vergabeblog hat Frau Gabriele Klug, Vorstandsmitglied von TI, zu den Forderungen der Organisation für Korruptionsbekämpfung befragt.

Vergabeblog: Frau Klug, welche konkreten Folgen befürchten Sie durch das Konjunkturpaket II für die Korruptionsbekämpfung?
Klug: Durch die pauschale Lockerung des Vergaberechts befürchte ich vor allem einen Rückfall in alte Verhaltensmuster bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Vetternwirtschaft, ein Milieu der Entscheidungsbeeinflussung und Korruption könnten sich wieder dauerhaft etablieren. Dies würde einen herben Rückschlag für die Korruptionsprävention bedeuten.

Vergabeblog: Welche Maßnahmen sind Ihres Erachtens zu ergreifen, um einer Korruptionswelle entgegen zu wirken?

Klug: TI hat in seiner jüngsten Presseerklärung zu diesem Thema [3] gefordert, daß die Rahmenbedingungen aller Vergaben vor und nach der Auftragsvergabe auf einheitlichen Websites von Bund und den Bundesländern veröffentlicht werden. Ein Vorbild ist die US-amerikanische Website recovery.gov [4]. Auf dieser Website soll für alle Ausgaben im Zusammenhang mit dem US-Konjunkturpaket Rechenschaft abgelegt werden.

Vergabeblog: Verlangt TI damit nicht mehr Transparenz, als im „Normalfall“ gesetzlich vorgeschrieben ist?

Klug: Nur, soweit Sie Beschränkte Ausschreibung und Freihändige Vergabe isoliert betrachten, nicht wenn Sie auf das Gesamtsystem abstellen. Tatsächlich kompensiert das Mehr an Transparenz den Wegfall des formalisierten öffentlichen Teilnahmewettbewerbs der Ausschreibung durch die Änderung der Wertgrenzen. Mit der Lockerung des Vergaberechts sollen die Auftraggeber in erster Linie die Möglichkeit haben, Aufträge schneller vergeben zu können. Eine Notwendigkeit, dabei auch auf jegliche Transparenz zu verzichten, folgt daraus jedoch nicht. Im Gegenteil: gerade jetzt ist eine hohes Maß an Transparenz bei der Auftragsvergabe erforderlich, um Korruption und Mißwirtschaft zu verhindern.

Vergabeblog: Ist das Informationsfreiheitsgesetz [5], welches vom Bund und den meisten Ländern eingeführt wurde, Ihres Erachtens eine weitergehende Möglichkeit, um die gewünschte Transparenz der öffentlichen Vergaben herzustellen?

Klug: Mit dem Informationsfreiheitsgesetz können Bürger von der Verwaltung die Offenlegung ihrer Akten verlangen, soweit diese keine Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen enthalten. Eine Vergabeakte müsste damit der Öffentlichkeit zumindest in Teilen zugänglich gemacht werden können. Effektiver wäre es allerdings, wenn der Staat selbst die Notwendigkeit einer Offenlegung der Auftragsvergaben erkennt und entsprechend handelt.

Vergabeblog: Besteht Ihres Erachtens die Gefahr, dass die zeitlich eigentlich befristete Lockerung des Vergaberechts über das Jahr 2010 hinaus beibehalten wird?

Klug: Die Gefahr ist zumindest nicht auszuschließen. Allerdings haben Gesetzgeber und Regierung bisher eine klar andere Position eingenommen.

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Über Julie Wiehler, LL.M. [6]

Die Autorin Julie Wiehler, LL.M., ist Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Frhr. v.d. Bussche Lehnert Niemann Wiehler Rechtsanwälte & Notare [7]. Sie berät und unterstützt Unternehmen und die öffentliche Hand bei öffentlichen Ausschreibungen sowie bei vergaberechtlichen Fragen in öffentlich geförderten Projekten.

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