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„Jedes Jahr ohne eVergabe kostet den Steuerzahler sehr viel Geld" – Interview mit Christian Konhäuser, Geschäftsführer Healy Hudson

Konhäuser Den großen Markt der Elektronisierung der öffentlichen Beschaffung, kurz elektronische Vergabe oder noch kürzer „eVergabe“, teilen sich in Deutschland eine Handvoll Unternehmen. Eines davon ist Healy Hudson aus Mainz-Kastel, dessen internetbasierte Softwarelösung „Deutsche eVergabe [1]“ u.a. in der Region Ostwestfalen-Lippe, der Wirtschaftsregion Freiburg und der Metropolregion Rhein-Neckar zum Einsatz kommt. Vergabeblog sprach mit dem Geschäftsführer Christian Konhäuser über hoch gesteckte Ziele, Bieterakzeptanz und elektronische Signaturen.

Vergabeblog: Der EU-Aktionsplan i2010 fordert, dass die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge bis zum 28. Dezember diesen Jahres – also in genau elf Tagen – in allen Fällen möglich sein und in mindestens der Hälfte der Fälle auch tatsächlich angewandt werden soll. Wie bewerten Sie die momentane Situation, nach der deutlich wird, dass dieses Ziel nicht erreicht werden wird?

Konhäuser: Es ist richtig, dass wir von diesem ehrgeizigen Ziel, dass sich die EU im Jahr 2006 mit dem Aktionsplan gesteckt hatte, momentan noch weit entfernt sind. Aber es wäre fatal, deswegen jetzt in Panik und Aktionismus auszubrechen, denn die Gründe sind vielschichtig. Wir haben zwar Behörden, wie die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, die bereits 2003 als Vorreiter in Deutschland die eVergabe eingeführt hat. Allerdings gibt es auch viele Kommunen, die sich bisher mit dem Thema der elektronischen Vergabe nur am Rande beschäftigen. Dies ist weniger den Kommunen vorzuwerfen. Vielmehr mangelte es bis dato an der entsprechenden Überzeugungsarbeit. Daher sind wir alle – ob Unternehmer, Politiker oder Beamte – hier gefordert, weiterhin und stärker als bisher für die eVergabe zu werben und zu sensibilisieren. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung vieler Kommunen war sicherlich auch das am weitesten verbreitete Lizenzmodell zur Nutzung von Vergabesoftware. Dies bedeutete hohe Kosten, die kleine oder verschuldete Kommunen nicht stemmen konnten. Daher ist ein Transaktionsmodell eine Möglichkeit, in einer ÖPP auch diese Kommunen mit auf den Weg zu nehmen, um den vorgebenen Zielen ein wenig näher zu kommen.

Vergabeblog: Finden Sie nicht, dass, wenn – wie aktuell von der EU verlautet – dieses Ziel nun 2014 erreicht werden soll, die Einführung der elektronischen Vergabe in der Fläche mit Hochdruck betrieben werden müsste?

Konhäuser: Ja und Nein. Mit Hochdruck Dinge zu betreiben ist oftmals schwierig und kann größeren Schaden anrichten als Nutzen zu bringen. Schauen Sie sich beispielsweise Bund und Länder an: In den Vergabestellen des Bundes und vieler Länder wurde „mit Hochdruck“ eine elektronische Vergabelösung eingeführt. Das Resultat: Viele Plattformen können nicht miteinander kommunizieren und die Bieter benötigen zahlreiche Werkzeuge auf ihren Computern. Will heißen: Statt nach einer Lösung zu suchen, die für alle gleichermaßen praktikabel wie einfach ist, existieren zahlreiche Lösungen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Dateien müssen installiert werden, statt ohne Installation webbasiert arbeiten zu können. Da hätte doch eine ruhigere und konzertierte Vorgehensweise wesentlich mehr für alle Beteiligten gebracht, oder nicht? Auf der anderen Seite sollten wir uns auch nicht zurücklehnen und abwarten. Die Vergabestellen sollten sich schon mit der elektronischen Vergabe in 2010 beschäftigen, denn es ist ja nachweisbar so, dass eVergabe Kosten einsparen kann. Jedes Jahr ohne eVergabe kostet den Steuerzahler sehr viel Geld.

Vergabeblog: Mangelnde Bieterakzeptanz wurde in den vergangenen Wochen in der Fachpresse immer wieder als einer der Gründe genannt, warum Vergabestellen noch mit der Einführung eines elektronischen Vergabesystems warten sollen. Von Unternehmerseite kommt oftmals Kritik hinsichtlich der technischen Anforderungen der Bieterclients, die noch dazu verschieden sind, sowie des notwendigen Einsatzes der digitalen Signatur und der damit verbundenen Mehrkosten. Was sagen Sie den Unternehmern und den Vergabestellen, wenn es um die Akzeptanz der eVergabe bei den Bietern geht geht?

Konhäuser: Es ist ein Problem, wenn eine Vergabestelle elektronisch ausschreibt und feststellen muss, dass die Unternehmer den elektronischen Weg nicht mitgehen. Dies hängt dann in der Regel von mehreren Faktoren ab. Zu allererst muss der Bieter sehen können, welchen Vorteil er von der elektronischen Abwicklung der Angebotsabgabe hat. Sieht er dies nicht, wird er sein Angebot auf konventionellem Weg abgeben. Ich glaube, da liegt genau das Problem: Viele Vergabestellen sind der Meinung, dass sie elektronische Vergabe betreiben, wenn sie ihre Ausschreibungen im Internet publizieren oder ex post veröffentlichen. Das ist allerdings nur ein Bestandteil der elektronischen Vergabe. In dem Moment, wo ich die kompletten Verdingungsunterlagen elektronisch dem Unternehmer zur Verfügung stelle, er somit innerhalb weniger Minuten das Leistungsverzeichnis auch herunterladen und ein Angebot erstellen kann, liefere ich dem Bieter einen Mehrwert. Und genau das muss der Fall sein: Dass der Bieter Zeit und Geld spart. Dann wird er es gerne nutzen und auch seinerseits der Vergabestelle das Angebot elektronisch übermitteln, wodurch dann auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen Zeit und Geld einsparen. Und was die digitale Signatur angeht: Die qualifizierte digitale Signatur ist die sicherste, jedoch ist die fortgeschrittene weiter verbreitet, da sie günstiger und einfacher zu handhaben ist. Letztlich sollte jedoch entscheidend sein, womit der Unternehmer, der die Vergabeplattform als Bieter nutzt, arbeiten kann und möchte. Daher finde ich – als Übergangslösung – auch das Mantelbogenverfahren sehr sinnvoll. Der Unternehmer kann sein Angebot digital abgeben und macht es – wie bei der Steuererklärung seit Jahren üblich – mit seiner Unterschrift auf dem Mantelbogen rechtsgültig. Medienbruchfrei zu arbeiten ist toll, aber eine Vergabeplattform sollte in erster Linie nutzerorientiert sein. Außerdem sollten jedem Bieter alle Ausschreibungsbekanntmachungen frei zugängig sein und nicht nur dann, wenn er ein Abo bezahlt. Erst in dem Moment, wo der Bieter einen Mehrwert – sprich – die Verdingungsunterlagen erhält, halte ich eine geringe Gebühr für gerechtfertigt.

Vergabeblog: Wenn Sie in Sachen eVergabe einen Wunsch an die Politik stellen dürften, welcher wäre das?

Konhäuser: Ich wünsche mir, dass die Politik das Potenzial der eVergabe wirklich erkennt und auch einsetzt. Das tolle ist doch: eVergabe muss nicht kompliziert sein und ist schon gar nicht gleichbedeutend mit einem komplizierten Prozess. Behörden können sich Schritt für Schritt mit dem Vergabemanagement vertraut machen: Von der Veröffentlichung auf dem Portal über die Bereitstellung der Unterlagen im Dokumentensafe bis schließlich zum Vergabemanagement. Wenn Sie sich ansehen, dass laut einer Studie, die vom BMWI 2004 in Auftrag gegeben wurde, 19 Milliarden Euro jährlich eingespart werden können alleine durch die Nutzung der elektronischen Vergabe und die neuste Studie von Booz & Company den Betrag sogar auf 30 Milliarden beziffert, dann ist die Einführung der eVergabe ein Beitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte: Jede Vergabestelle kann rund 15 Prozent ihrer momentanen Kosten einsparen – und das jedes Jahr!

Herzlichen Dank für das Interview!

Christian Konhäuser ist geschäftsführender Gesellschafter von Healy Hudson und war zwischen 1999 und 2004 im Vorstand des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). Zuvor war er Einkaufsleiter bei der Flughafen Frankfurt/Main AG, heute Fraport AG. Konhäuser gründete 1999 die CaContent GmbH, eine Vorgängerin der heutigen Healy Hudson GmbH. Seit dem rechtlichen Zusammenschluss zur Healy Hudson GmbH verantwortet er den gesamten Vertrieb und das Produktmanagement des neu geschaffenen Unternehmens.

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