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Serie Zuschlagskriterien im Vergabeverfahren – Teil 3: Tiefe des Wertungssystems

Zuschlag Über die Auswahl der Zuschlags- und Unterkriterien sowie der Gewichtungsregeln kann der öffentliche Auftraggeber erheblichen Einfluss darauf nehmen, ob er im Ergebnis der Ausschreibung eine möglichst hochwertige und seinem Bedarf entsprechende Leistung erhält. Die Festlegung des Wertungssystems bietet mithin die Möglichkeit, ein Vergabeverfahren intelligent zu gestalten. Andererseits stellt sich die Frage, in welcher Differenziertheit und Tiefe das Bewertungssystem des öffentlichen Auftraggebers ausgestaltet sein muss. Ist der Auftraggeber in jedem Fall verpflichtet, im Vorhinein ein bis in letzte Unterkriterien und deren Gewichtung gestaffeltes Wertungssystem aufzustellen?

Kein bis ins letzte Unterkriterien gestaffeltes Wertungssystem erforderlich

Das OLG Düsseldorf entschied: Nein (Beschluss vom 30.07.2009 – Verg 10/09; so auch OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013 – 13 Verg 8/13). Im Streitfall hatte der Auftraggeber die Zuschlagskriterien „Preis“ mit einer Gewichtung von 90 % und „technischer Wert“ mit einer Gewichtung von 10 % aufgestellt. In Präzisierung des technischen Werts bildete er vier Unterkriterien. Als Unter-Unterkriterien hat er sodann die

und deren Gewichtung mit ein bis drei Wertungspunkten gestaffelt.

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf war eine weitergehende Differenzierung des Wertungssystems nicht geboten. Zur Begründung führte es zunächst aus, dass ein bis in letzte Unterkriterien und deren Gewichtung aufgestelltes Wertungssystem die Gefahr in sich birgt, endlos und unpraktikabel zu werden (OLG Düsseldorf, a.a.O).

Wertungsspielraum auf letzter Ebene

Ferner müsse auch bedacht werden, dass der öffentliche Auftraggeber auf der letzten Ebene der Angebotswertung einen Wertungsspielraum hat. Dieser dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass der Auftraggeber vergaberechtlich in jedem Fall daran gebunden wird, im Voraus in mehrstufige Unterkriterien und entsprechende Gewichtungen aufgegliederte Bewertungsregeln aufzustellen. Von daher ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Auftraggeber auf der vierten Stufe der Angebotswertung in einem Restbereich eine freie Wertung vorbehält (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Die Grenze, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe vergaberechtlich unzulässig ist, sei jedoch erreicht, wenn die aufgestellten Wertungsmaßstäbe so unbestimmt sind, dass die Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien und Modalitäten informiert werden, anhand derer das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird und sie infolgedessen auch vor einer willkürlichen und/oder diskriminierenden, d.h. einer die Gebote der Gleichbehandlung und der Transparenz verletzenden Angebotswertung nicht mehr effektiv geschützt sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Bewertungsmethoden

Das Beschaffungsamt des Bundesministerium des Inneres führt in der UfAB V 2.0, Sonderheft 2012 mögliche Methoden zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots auf (zu finden unter: http://www.cio.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/IT-Beschaffung/ufab_sonderheft.pdf?__blob=publicationFile [1]). Die „Vereinfachte Leistungs-/Preismethode“, sowie die „Einfache und Erweiterte Richtwertmethode“ sind weiterhin zu favorisieren. Für Fälle, in denen Leistung und Preis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes unterschiedlich gewichtet werden sollen, werden nunmehr die Medianmethode bzw. Referenzwertmethode empfohlen, die die mathematischen Schwächen der Mittelwertmethode in erheblich geringerem Maße (Medianmethode) bzw. überhaupt nicht (Referenzwertmethode) aufweisen.

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Fazit für die Vergabepraxis

Die Tiefe des Wertungssystems muss soweit reichen, dass die Bieter vor einer willkürlichen Angebotswertung geschützt sind. Solange die Gebote der Gleichbehandlung und Transparenz beachtet werden, kann sich die Vergabestelle allerdings einen Restbereich einer freien Wertung, insbesondere vergleichenden Wertung vorbehalten. Ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.

Für die jeweils zu wählende Bewertungsmethode bietet die UfAB V 2.0, Sonderheft 2012 gute Anhaltspunkte.

Anmerkung der Redaktion

Bei diesem Beitrag handelt es sich um die aktualisierte Fassung, Stand: 26. März 2015.

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Über Dr. Christian-David Wagner [3]

Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.

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