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Mittelständische Bauwirtschaft: Gleicher Rechtsschutz unterhalb wie oberhalb der EU-Schwellenwerte

Wie bekannt arbeitet das BMWi gegenwärtig an einer Umsetzung des im Koalitionsvertrags festgeschriebenen Rechtsschutzes auch unterhalb der EU-Schwellenwerte [1]. Im wesentlichen werden dabei vier mögliche Lösungen diskutiert: Ein verwaltungsinternes Verfahren, eine Ausweitung des bisherigen zivilrechtlichen Rechtsschutzes, einen sogenannten „schlanken Rechtsschutz“ und einen Rechtsschutz, wie er bereits seit einigen Jahren oberhalb der Schwellenwerte besteht.

Nach den kommunalen Spitzenverbänden [2] bezieht nun auch die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. [3] (BVMB) Stellung. Zur Erinnerung: Gegenwärtig besteht bei Bauvergaben ein förmlicher Rechtsschutz nach dem GWB erst ab dem Schwellenwert von 4,845 Mio. Euro.

Umfrage für 1 zu 1 Umsetzung

Dazu hat der Verband eine Umfrage unter seinen 700 Mitgliedern vorgenommen. Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Von den vier Alternativen lehnt der Mittelstand die drei erstgenannten Modelle ab. Es seien nur halbherzige Modelle, die keinen effektiven Rechtsschutz ermöglichen würden, so die Bauunternehmen. Entweder entfalten diese nur eine geringe Wirkung oder schränken den wirksamen Rechtsschutz zu stark ein.

Die Unternehmen sprechen sich daher für das vierte Modell aus, die sogenannte 1:1-Umsetzung, die keinen Unterschied zwischen dem Rechtsschutz unterhalb wie oberhalb der EU-Schwellenwerte macht.

“Nicht mehr hinnehmbar”

Der bislang fehlende förmliche Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte stelle nach Auffassung der mittelständischen Bauwirtschaft eine “nicht mehr hinnehmbare Misere” dar. Die Unternehmen kritisieren vor allem, dass auch im Falle eindeutiger vergaberechtlicher Verstöße keine effektiven Möglichkeiten bestünden, die Beseitigung der Vergabefehler zu erzwingen. Stattdessen stünden ihnen nur zahnlose Rechtsmittel zur Verfügung, wie etwa die Beschwerde bei der zuständigen VOB-Stelle. Wie der BVDM in einer aktuellen Pressemitteilung zum Thema mitteilt, sparen sich jedoch immer mehr Bauunternehmen den Gang dorthin, “weil sie häufig die Erfahrung gemacht haben, dass eine Krähe der anderen Krähe kein Auge aushackt“.

Alternativen ungeeignet

Das Modell des verwaltungsinternen Verfahrens, das bereits in Sachsen angewendet wird, führe schon allein deshalb zu keinem effektiven Rechtsschutz, weil es kein Zuschlagsverbot vorsieht. Zudem bestehe der Nachteil, dass die Nachprüfungsbehörde, die den beanstandeten Verstoß eines öffentlichen Auftraggebers überprüfen soll, lediglich die zuständige Aufsichtsbehörde ist. Die BVMB verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass “von den in Sachsen im Jahr 2008 eingereichten 126 Beschwerden nur eine einzige Beschwerde Erfolg hatte.”

Auch das Modell, das eine weitere Ausgestaltung des bisherigen zivilrechtlichen Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich vorsieht, erscheine “wenig zielführend”. Es sei zu kompliziert, biete keinen effektiven Primärrechtsschutz und führe zu einer gespaltenen Zuständigkeit der Nachprüfungsinstanzen und der Zivilgerichte. Es bestehe somit die Gefahr einer Zersplitterung des Rechtsschutzes unterhalb und oberhalb der Schwellenwerte.

Das Modell mit dem sogenannten „schlanken Rechtsschutz“, der als Ausgangspunkt den bisherigen Rechtsschutz oberhalb der EU-Schwellenwerte vorsieht, aber einige Modifizierungen erfahren soll, sei zwar “auf den ersten Blick durchaus überlegenswert”, so die BVMB: “Bei näherer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass die im Diskussionspapier genannten Modifizierungen, z.B. Einschränkung des Suspensiveffekts, keine zweite gerichtliche Instanz etc., schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben und den effektiven Rechtsschutz in erheblichem Maße beschneiden.”

Eindeutiges Votum für 1 : 1 Umsetzung

Aus Sicht des Mittelstandes komme daher nur das Modell der „1:1-Umsetzung“, das einen Rechtsschutz wie oberhalb der EU-Schwellenwerte beinhaltet, in Frage. Es stelle nach Auffassung der BVMB die einzige Möglichkeit dar, bei der Bewerber und Bieter die gleichen primärrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten zur Beseitigung eines Verstoßes eines Auftraggebers gegen das Vergaberecht hätten, wie sie bisher schon oberhalb der EU-Schwellenwerte gegeben sind.

Um dabei die von manchen befürchtete Beschwerdeflut zu verhindern, schlägt die BVMB eine noch zu diskutierende Bagatellschwelle für den Zugang zum Unterschwellen-Rechtsschutz vor, z.B. ab 100.000 €.

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