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Entsorgung: VK Südbayern zu tauschähnlichen Umsätzen bei der Ausschreibung der PPK-Vermarktung und zur Gestaltung der Preisabfrage (Az. Z3-3-3194-1-23-04/10 v. 24.06.2010)

Muell Ein südbayerischer Landkreis hatte die Vermarktung von Altpapier (Papier, Pappe und Kartonagen, kurz: PPK) in einem europaweiten offenen Verfahren ausgeschrieben. Hierbei konnten die Bieter einen Vergütungspreis angeben, den sie an den Landkreis zu zahlen haben. Die Vermarktung sollte die Übernahme, den Transport und die ordnungsgemäße Verwertung des PKK beinhalten. Die Abfrage von Entgelten für den Transport unterblieb. Die Vergabeunterlagen enthielten weiterhin eine Preisgleitklausel mit Bezugnahme auf einen Marktindex.

Gegen die Art und Weise der Preisabfrage wehrte sich ein Bieter mit einem Nachprüfungsantrag erfolgreich. Die VK Südbayern (Az. Z3-3-3194-1-23-04/10 v. 24.06.2010) gab der Vergabestelle auf, das Verfahren sowohl im Hinblick auf die Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes als auch wegen der vorgesehenen Preisgleitklausel nachzubessern.

Tauschähnliche Umsätze

Die Vergabeunterlagen sahen nur die Möglichkeit der Abgabe eines Vergütungspreises für die Vermarktung des PPK vor. Bei der Vermarktung von PPK handelt es sich um den Verkauf werthaltiger Abfälle, so dass der Bieter vortrug, hier sei gemäß dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Dezember 2008 – IV B 8 – S 7203/07/10002 [1] ein so genannter tauschähnlicher Umsatz gegeben, so dass sämtliche Leistungsbestandteile separat abzufragen gewesen wären. Für die Leistungen des Verpressens und des Transports des PPK schulde man gegenüber dem Finanzamt die Umsatzsteuer, könne diese Positionen aber nicht abrechnen. Die Art und Weise der Ausschreibung verstoße daher gegen geltendes Steuerrecht und sei daher unzulässig.

Die Vergabekammer gab dem Bieter recht und der Vergabestelle auf, die Ausschreibung insoweit nachzubessern. Die Angebote seien wegen der unklaren Behandlung der MwSt.-Pflicht für die Aufwandspositionen nicht vergleichbar. Auch die von der Vergabestelle vertretene Auffassung, es handele sich bei der PPK-Vermarktung um einen Verkauf ab Station, teilt die Vergabekammer nicht.

Anm. d. Red. zu “Tauschähnliche Umsetze”: Begriff aus der Umsatzsteuer, beschreibt ein Geschäft, bei dem die Lieferung oder sonstige Leistung der einen Seite von der anderen Seite auch mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung bezahlt wird. Hier stellt der Landkreis die Abfälle aus PKK zur Verfügung, für die der Landkreis eine Vergütung erhält. Die Gegenleistung des Auftragnehmers besteht in Transportlestungen und ggf. weiteren geschuldeten Aufwendungen.

Preisgleitklausel

Das Preisblatt sah folgende Preisanpassungsklausel vor:

Aktueller Preis = Angebotspreis + [(Angebotspreis/100 * (EUWID aktuell – EUWID Ausgangsmonat, hier Januar)].

Die Vergabekammer kommt zu dem Ergebnis, dass die Formel zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und daher nicht verwendet werden darf. Dies alleine schon deshalb, weil die Berechnung mit aktuellen Werten kein wirkliches Ergebnis bringt und die Formel bei Angebotspreisen kleiner/gleich 0,00 EUR keinen Sinn mehr ergebe.

Stellungnahme und Fazit

Der Vergabekammer ist in ihrer Argumentation zu folgen. Bei der PPK-Vermarktung handelt es sich um den klassischen Fall eines Verkaufs werthaltiger Abfälle unter Berücksichtigung der Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes. Zu Recht lehnt die Vergabekammer auch die Einstufung als bloßen Kaufvorgang mit Abholverpflichtung ab, ohne dies zu begründen. Dabei gibt es nahe liegende und stichhaltige Argumente gegen die Einstufung als Kauf: Bei einem Kauf darf der Käufer, wenn er den Kaufpreis gezahlt hat, mit der Kaufsache verfahren, wie er will. Dies kann der Auftragnehmer einer PPK-Vermarktung aber gerade nicht, weil er die ordnungsgemäße Entsorgung abfall- und vertragsrechtlich gegenüber der jeweiligen Vergabestelle schuldet. Aus diesem Grund hatte der BGH bereits im Jahre 2005 entschieden, dass die PPK-Vermarktung kein vergaberechtsfreier Verkauf sondern eine ausschreibungspflichtige Dienstleistung ist.

Die hier erwähnte Entscheidung der VK Südbayern ist rechtskräftig. In einem Parallelverfahren liegt diese Frage dem OLG München vor, das wahrscheinlich die Entscheidung der Vergabekammer bestätigen wird.

Die Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes sind also von den Vergabestellen bei der Ausschreibung von werthaltigen Abfällen, insbesondere der Vermarktung von PPK, zwingend zu beachten. Die Vergabestellen können sich demzufolge nicht auf den Standpunkt zurückziehen, die Umsatzsteuer sei Risikosphäre des Auftragnehmers. Dies bedeutet, dass Aufwandspositionen, wie z. B. Transport, Mengenstromnachweisführung, u.s.w. gesondert abgefragt werden müssen.

Bei flexiblen Preismodellen ist große Sorgfalt auf die Gestaltung der Formel zur Preisgleitung zu legen, damit nicht – wie vorliegend – die Formel zu sinnwidrigen Ergebnissen führt, die von der Marktpreisentwicklung abgekoppelt sind.

Mehr Informationen über den Autor Martin Adams, Mag. rer. publ., finden Sie im Autorenverzeichnis [2].

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Über Martin Adams, Mag. rer. publ. [3]

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte [4], Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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