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Rückblick: Tag der öffentlichen Auftraggeber in Berlin

Der große herrschaftliche Tagungssaal im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) [1] war nicht ganz so gefüllt wie im vergangenen Jahr. Aber es war ja auch der bereits neunte Tag der öffentlichen Auftraggeber, den der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) [2] zusammen mit dem BMWi am vergangenen Dienstag in Berlin veranstaltete. Höhepunkt wie immer die Verleihung des Preises „Innovation schafft Vorsprung“ für innovative Leistungen öffentlicher Auftraggeber. Der Schwalm-Eder-Kreis erhielt den Preise für eine ebenso einfache wie richtige Lösung: Während nach dem üblichen Prozedere Kanal- und Straßenbauarbeiten von zwei verschiedenen Baulastträgern vergeben werden, übernimmt hier die für den Kanalbau zuständige Kommune auch die Straßenbaulast, was neben Doppelbaustellen über 40 % Kosten spart. Inoffizieller Programmhöhepunkt: Hans-Peter Müller vom Dienstsitz Bonn des BMWi (Referat I B 6, Preisrecht, Vergaberecht) verriet ein wenig über die anstehenden Reformen des Vergaberechts.

Zum Tag der öffentlichen Auftraggeber treffen sich jährlich Fach- und Führungskräfte aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie aus öffentlich-rechtlichen Unternehmen, um Erfahrungen und Informationen auszutauschen. Anders als im vergangenen Jahr [3] fand sich diesmal keine Protestgruppe für ein Mehr an nachhaltiger Beschaffung vor den Toren des Ministeriums in der Scharnhorststraße nahe des Hauptbahnhofs ein. Moderatorin Martina Jungclaus, BME, führte gewohnt souverän wie kurzweilig durch das Programm.

Preisträger

homann-cv,property=bild,bereich=bmwi,sprache=de,width=75,height=100 Staatssekretär Jochen Homann (Foto links, Copyright BMWi, Pressefoto Jochen Homann) und BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Holger Hildebrandt zeichneten den Kreisausschuss des Schwalm-Eder-Kreises und die Klinik Logistik Eppendorf GmbH mit dem Preis „Innovation schafft Vorsprung“ aus. Staatssekretär Homann: „Mit der heutigen Preisverleihung zeigen wir, dass es auch im kommunalen Aufgabenbereich Beschaffungen gibt, die sehr innovativ und gleichzeitig wirtschaftlich sind.“ BME Hauptgeschäftsführer Dr. Hildebrandt: „Die Rolle des Einkaufs wird auch in öffentlichen Institutionen immer wichtiger. Die heute ausgezeichneten Preisträger zeigen, wie neue, innovative Beschaffungskonzepte in relativ kurzer Zeit maßgeblich zur Steigerung der Wertschöpfung und zur Einsparung von Steuergeldern beitragen können.“

Preisträger Kreisausschuss des Schwalm-Eder-Kreises

Das prämierte Konzept des Schwalm-Eder-Kreises befasst sich mit Kanal- und Straßenbauarbeiten. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage der Bundesländer lassen sich viele Kreisstraßen nach Abschluss von Kanalarbeiten nur mit einem geringen finanziellen Aufwand notdürftig wieder herstellen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden sie oft erneut aufgerissen und erst dann vollständig ausgebaut. Während nach dem üblichen Prozedere Kanal- und Straßenbauarbeiten von zwei verschiedenen Baulastträgern vergeben werden, übernimmt bei der Lösung des Schwalm-Eder-Kreises die für den Kanalbau zuständige Kommune auch die Straßenbaulast. Das spart Planungskosten, vermeidet doppelte Baustellen und gewährleistet einen Straßenaufbau ohne starre Richtlinien und angepasst an die individuellen Gegebenheiten vor Ort. Das Modell des Kreises spart im Vergleich zu den klassischen Ausbauvarianten zwischen 40 und 62 Prozent Kosten.

Preisträger Klinik Logistik Eppendorf GmbH

Die Klinik Logistik Eppendorf GmbH, eine hundertprozentige Tochter des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, wurde für ein Konzept ausgezeichnet, das die Beschaffungsprozesse und Materialflüsse für OP-Zubehör durch den Einsatz einer neuen Software im Sterilgutlager deutlich verbessert. Ein bestandsgeführtes Lager für Medicalprodukte ermöglicht es, den Materialverbrauch in den Operationssälen durchgängig nachzuvollziehen sowie Materialverbrauch und Kosten dem einzelnen Patienten zuzuordnen. Auf dieser Grundlage können die Leistungen mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Zudem können die Lagerbestände bei der Disposition berücksichtigt werden, was den Beschaffungsprozess insgesamt vereinfacht. Neben einer deutlichen Prozessverbesserung führt das prämierte Konzept zu Kosteneinsparungen in Höhe von jährlich 40.000 Euro.

Blick in die Glaskugel: Vergaberechtsreform

Der vielleicht interessanteste Punkt des Tages. Und da man schließlich vom Besuch solcher Veranstaltungen auch einen Mehrwert haben sollte, an dieser Stelle nur die beiden wichtigsten Aussagen: Die noch umzusetzende EU-Richtlinie 2009/81/EG zu Vergaben in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung [4] wird – jedenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach – dem Vorbild der Sektorenverordnung (SektVO) folgend in Form einer Rechtsverordnung kommen und nicht als Annex oder Anpassung von VOL bzw. VOB. Und – entscheidend – damit auch ohne eine Beteiligung der für diese zuständigen Vergabeausschüsse. Die “Gemeinsame Erklärung zum Vergaberecht” [5] von insgesamt 13 Wirtschaftsverbänden, Organisationen und Gewerkschaften, die sich eben hiergegen aussprach, hatte also nichts genutzt. Müller verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Reform der VOL/A ungefähr doppelt so lange brauchte wie die Geburt der SektVO, die ohne Vergabeausschüsse erfolgte.

Was den – ausweislich des Koalitionsvertrages ja beschlossenen [6] – “wirksamen“ Rechtschutz unterhalb der Schwellenwerte angeht, wird man sich aber noch weiter gedulden müssen. Zu den nach wie vor in der Diskussion befindlichen vier Modellen [7] laufe noch eine Evaluation, die nicht vor Sommer abgeschlossen werden sein wird. Im Westen also nichts Neues.

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Über Marco Junk [8]

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) [9]. Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer [10]und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom [11] tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck [12]. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom [13] und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. [14] Seit 2022 ist Marco Junk als Leiter Regierungsbeziehungen für das IT-Dienstleistungsunternehmen Atos [15] tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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