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Die Energieeffizienz ist in der Beschaffung schon angekommen

GruenerpunktEin Gastbeitrag von Dr. Susanne Mertens, LL.M.

Die Beschaffungsvorgänge der öffentlichen Hand unterliegen einem ständigen Veränderungs- und Anpassungsprozess. Mit dem Entwurf zur Vierten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge [1] (Stand Juni 2011 – Entwurf) soll das Kriterium der Energieeffizienz „als richtiges Kriterium bei der öffentlichen Vergabe oberhalb der Schwellenwerte“ rechtlich verankert werden. Ziel der Regelungen ist es, dass künftig bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der Schwellenwerte Produkte oder Dienste beschafft werden, die im Hinblick auf die Energieeffizienz die höchsten Leistungsniveaus haben und zur höchsten Effizienzklasse gehören (vgl. Begründung A. I zum Entwurf).
Die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass Energieeffizienz bereits jetzt sinnvoll in den Beschaffungsregelwerken verankert ist. Die geltende Rechtslage wird der Forderung nach Umweltaspekten, Aspekten der Nachhaltigkeit und Energieeffizienzkriterien bereits gerecht.

Dies jedoch ohne die Freiheit der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs beim Auftraggeber zu beschneiden.

1. Energieeffizienz im Beschaffungsablauf

1.1 Bedarfsfeststellung

Der Auftraggeber ermittelt seinen Beschaffungsbedarf, wobei er den Gegenstand der Beschaffung nach seiner Vorstellung leistungs- und sachgerecht bestimmen kann. Er hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob und welche Anforderungen an Produkte oder Dienste benötigt werden.

Im Rahmen der Bedarfsfeststellung ist eine strategische Marktbeobachtung und -analyse dem eigentlichen Beschaffungsprozess vorgeschaltet und bietet dem Auftraggeber die Möglichkeit auf einer sehr frühen Ebene die Weichen für eine energieeffiziente Beschaffung zu stellen. Bei einer Beschaffungsanalyse hat der öffentliche Auftraggeber Fragestellungen auch im Hinblick auf Energieeffizienz- und Umweltaspekte im Blick zu haben:

− Welchen technischen Stand haben die Produkte?

− Wie sind energieeffiziente Eigenschaften einzuschätzen?

− Sind Produktinnovationen in Kürze zu erwarten? Wenn ja, wie sind deren Vorteile hinsichtlich Umweltauswirkungen einzuschätzen?

− Welche Anbieter bieten solche Produkte an und wie zeichnen diese sich durch eine auf Energieeffizienz ausgerichtete Strategie aus?

1.2 Vergabevorbereitung

Die Phase der Vergabevorbereitung bietet dem öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit, an zwei zentralen Punkten Aspekte der Energieeffizienz einzubeziehen.

Die Leistungsbeschreibung ist wichtigster Anknüpfungspunkt für die Beschaffung , § 8 EG Abs. 1 VOL/A (bzw. § 7 Abs. 1 VOL/A). Sie ist Teil der Vergabeunterlagen und umfasst alle Anforderungen an die zu erbringende Leistung die von allen Bietern beachtet werden müssen. Bei der Beschaffung ist eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung zwingend, um Beschaffungsziele genau zu spezifizieren. Grundsätzlich steht es dem Beschaffer an dieser Stelle frei, die von ihm benötigten Leistungen so zu beschreiben, dass Anbieter möglichst viel Spielraum haben, energieeffiziente Produkte oder Dienstleistungen anzubieten.

Nach § 8 EG Abs. 5 VOL/A sind Umwelteigenschaften in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen ausdrücklich als technische Spezifikationen in der Leistungsbeschreibung zugelassen. Es obliegt dem öffentlichen Auftraggeber diese mit Inhalten zu füllen. Für die Beschaffung können unterschiedliche Fragestellungen in der Leistungsbeschreibung relevant werden:

− Festlegung von Spezifikationen,

− Bestimmungen zur Lebensdauer,

− Anforderungen zum Energieverbrauch,

− Zusätzliche Nutzerinformationen.

Für den öffentlichen Auftraggeber kann zur Beschaffung der Rückgriff auf Umweltzeichen eine erhebliche Vereinfachung bedeuten. So kann er Spezifikationen verwenden, die in europäischen, multinationalen oder anderen Umweltzeichen definiert sind, § 8 EG Abs. 5 VOL/A. Die Verwendung rein nationaler Umweltzeichen, wie beispielsweise den Blauen Engel, ist danach nicht vorgesehen. Die Anforderungen an die Umweltzeichen werden vom europäischen Vergabeverfahrensrecht kumulativ wie folgt bestimmt:

− das Umweltzeichen muss zur Definition der Merkmale des Auftragsgegenstandes geeignet sein,

− die Anforderungen an das Umweltzeichen müssen auf der Grundlage von wissenschaftlich abgesicherten Informationen ausgewertet werden,

− das Erlassverfahren für das Umweltzeichen muss interessierten Kreisen wie staatlichen Stellen, Verbrauchern, Herstellern, Händlern und Umweltorganisationen eine Teilnahmemöglichkeit eröffnen und

− das Umweltzeichen muss für alle Betroffenen zugängig und verfügbar sein.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so können im Verfahren Waren oder Dienstleistungen, die damit ausgestattet sind, als die technischen Anforderungen erfüllend unterstellt werden.

Es ist jedoch zu beachten, dass Umweltkriterien nur dann Teil der geforderten Eigenschaft des Auftragsgegenstands sind, wenn sie einen Leistungsbezug zu diesem aufweisen. Auch darf die Leistungsbeschreibung per se nicht dazu führen, dass sie den Bieterkreis auf einen einzelnen (An)Bieter oder ein einziges Produkt einengt. Die Nachweismöglichkeit auf das Umweltzeichen zu beschränken, bleibt nach wie vor unzulässig. Die Auftraggeber müssen daneben jedes andere geeignete Beweismittel, wie beispielsweise technische Unterlagen des Herstellers oder Prüfberichte anerkannter Stellen, akzeptieren.

1.3 Aspekte der Unternehmereignung

Die Eignungsprüfung ist eine unternehmensbezogene Untersuchung, ob ein Unternehmen nach seiner personellen, finanziellen und technischen Ausstattung in der Lage sein wird, den Auftrag auszuführen, § 19 EG Abs. 5 VOL/A (bzw. § 16 Abs. 5 VOL/A). Ob im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs oder im Rahmen der Angebotslegung; vom Unternehmer ist der Nachweis zu bringen, für die ausgeschriebene Leistung sachkundig, leistungsfähig und auch zuverlässig zu sein. Besonders geeignet ist dabei der Nachweis von Referenzen im Bereich der umweltfreundlichen Ausführung oder Wertung.

Umweltmanagementverfahren können die im Rahmen dieser Eignungsprüfung zu erbringenden Eignungsnachweise/Erklärungen oder Angaben unter Umweltaspekten zu einem umweltrelevanten Know-how und Ausrüstung des Unternehmens sinnvoll ergänzen.

Bei einer grünen Beschaffung kann insbesondere relevant sein, ob die Unternehmen bestimmte Normen für das Umweltmanagement erfüllen, § 7 EG Abs. 11 VOL/A. Soweit der Auftraggeber hier zum Nachweis nicht auf die unternehmenseigene Erklärung allein vertrauen will, kann die Vorlage unabhängiger Stellen verlangt werden. Hiermit ist dann allerdings auf das Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS) oder erneut auf Normen für das Umweltmanagement Bezug zu nehmen, die auf den einschlägigen europäischen oder internationalen Zertifizierungsnormen entsprechen. Ein rein nationaler Bezug ist mithin nicht möglich.

Vielmehr haben Auftraggeber auch andere Nachweise für Umweltmanagementmaßnahmen anzuerkennen, die von den Unternehmen vorgelegt werden.

1.4 Auswahl und Wirtschaftlichkeit

Öffentliche Beschaffung ist anhand des Wirtschaftlichkeitsprinzips unter Beachtung einer sparsamen Haushaltsführung durchzuführen. Eine energieeffiziente Beschaffung ist dabei nicht nur kein Gegensatz; die energieeffiziente Beschaffung leistet einen sinnvoll ergänzenden Beitrag dazu. Voraussetzung für die Wertung ist jedoch die vorherige Bekanntgabe der (Zuschlags)Kriterien. Sinn und Zweck dieser Pflicht ist es, dass der Bieterkreis vorhersehen soll, worauf es dem Auftraggeber in besonderem Maße ankommt, um dies bei der Angebotserstellung berücksichtigen zu können. Der Auftraggeber soll dabei einerseits auf seinen Bedarf besonders ausgerichtete Angebote erhalten, andererseits aber auch bei der Auswahl nicht manipulieren können.

Als Zuschlagskriterien kommen nur Kriterien in Betracht, die der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots dienen. Bewertet werden die Eigenschaften der angebotenen Leistung, nicht aber die des Anbieters oder seiner Referenzen.

Beschaffungssteuerung bedeutet hier auch die Berücksichtigung von Umwelteigenschaften, § 19 EG Abs. 9 VOL/A (bzw. 16 Abs. 8 VOL/A). Umwelteigenschaften sind dann als Zuschlagskriterium zulässig, wenn sie im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und dem Auftraggeber nicht dazu dienen, eine willkürliche Auswahl zu treffen. Gem. §§ 4 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 9, 5 Abs. 2 Nr. 2 VgV ist das Kriterium des Energieverbrauchs jetzt bereits zugelassen.

Dabei ist eine Abwägung im Hinblick auf Relevanz und Sachgerechtigkeit in jedem Einzelfall ebenso Voraussetzung wie die Festlegung von Gewichtung und Wertungsmaßstäben. Die Bestimmung des Bedarfs und damit einhergehend der Kriterien zur Besetzung bleibt beim Auftraggeber verankert.

3. Fazit

Die energieeffiziente Beschaffung ist rechtlich und tatsächlich bereits jetzt möglich. Das Vergaberecht bietet verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten zur sinnvollen und leistungsgerechten Berücksichtigung von Umwelt- und insbesondere Energieeffizienzaspekten.

Die energieeffiziente Beschaffung ist ein sehr sinnvoller Beitrag zur umweltbezogenen und wirtschaftlichen Bedarfsdeckung. Dabei soll der Aspekt der Energieeffizienz jedoch nicht den in § 97 Abs. 5 GWB verankerten Grundsatz wirtschaftlicher Beschaffung verdrängen.

Die vorgesehene Neuregelung ist jedoch, gerade vor dem Hintergrund des beim Auftraggeber entstehenden erheblichen Mehraufwands, gefährdet sich als Einfallstor zusätzlicher Vergaberügen und damit Verzögerungen zu etablieren. Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers im Hinblick auf seinen Bedarf geht Hand in Hand mit dem Recht zur Bestimmung sinnvoller und entstehungsbezogener Eignungs- und Zuschlagskriterien. Dabei soll und kann das Kriterium der Energieeffizienz eine sinnvolle und gewichtige Rolle, wenn es die zu beschaffende Leistung und das Projekt insgesamt ermöglichen.

Eine um jeden Preis verpflichtende Regelung würde diesen Abwägungsprozess nicht gerecht. In diesem Sinn ist der Beschluss des Bundesrates v. 08.07.2011 (BR Drs 345/11) [2] als Schritt in die richtige Richtung zu sehen, wonach eine angemessene Berücksichtigung des Kriteriums Energieeffizienz vom Auftraggeber vorzusehen ist.

mertensDie Autorin Dr. Susanne Mertens, LL.M., ist Mitglied des Teams Green Legal Solutions bei HFK Rechtsanwälte LLP. Das interdisziplinäre Anwaltsteam setzt sich für umweltgerechte und nachhaltige Lösungen in der Rechtsberatung bei Großprojekten ein. Mehr unter hfk.de [3].

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren [4].

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