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OLG München: Sind Umrechnungsformeln vorab bekanntzugeben? (Beschluss v. 21.05.2011 – Verg 2/10)

§ 19 Abs. 5 EG VOL/A

ParagraphAuch nach der VOL/A 2009 gilt: Bei der Wertung der Angebote berücksichtigen die Auftraggeber entsprechend der bekanntgegebenen Gewichtung vollständig und ausschließlich die Kriterien, die in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind (vgl. § 19 Abs. 8 EG VOL/A). Wie weit die Bekanntmachungspflicht der Auftraggeber reicht, war bereits Gegenstand einer Reihe von Entscheidungen. Das Oberlandesgericht (OLG) München fügte eine weitere hinzu. Es hatte unter anderem darüber zu entscheiden, inwieweit der öffentliche Auftraggeber verpflichtet sei, die Formel zur Umrechnung der Angebotspreise in Punkten mitzuteilen.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte den Bietern im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung allein die Zuschlagskriterien Preis (70 %), Qualität (25 %) und Vorlaufzeit (5 %) bekannt gegeben. Der Vergabeunterlage konnte jedoch nicht entnommen werden, dass die Zuschlagskriterien in Punkte umgerechnet werden sollten. Ebenso wenig wurde den Bietern die Umrechnungsformel für das Zuschlagskriterium Preis bekanntgegeben. Ein Bieter sah darin einen Verstoß gegen den Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz.

Umrechnungsformel war nicht bekanntzumachen

Dem folgt das OLG München nicht. Zur Begründung führte der Vergabesenat aus, dass der Auftraggeber eine Standardumrechnungsformel verwendet hatte, wie sie in den einschlägigen Vergabehandbüchern vorgegeben ist. Ferner habe sich bereits aus der festgelegten Gewichtung der Zuschlagskriterien ergeben, dass ein höherer Preis durch Qualität und Vorlaufzeit nur bedingt ausgleichbar war. Nach Ansicht des OLG München hätte die Kenntnis der Umrechnungsformel keine weitergehenden Vorteile gebracht. Der Senat hielt es daher für ausgeschlossen, dass die Kenntnis der Umrechnungsformel einen Einfluss auf das Angebot des antragstellenden Bieters gehabt hätte.

Nicht Verallgemeinerungsfähig

Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls bietet die Entscheidung des OLG München jedoch keine Gewähr dafür, dass die unterlassene Bekanntmachung der Umrechnungsformel künftig grundsätzlich vergaberechtskonform ist.

Zum einen hatte der Geschäftsführer der antragstellenden Bieterin in der mündlichen Verhandlung eingestanden, dass er der konkreten Umrechnungsformel für die Kalkulation des Angebotspreises keine Bedeutung beigemessen habe. Insbesondere hätte die Formel ihn nicht in der Bepreisung seiner Leistung beeinflusst. Dieses subjektive Verständnis ändert jedoch an der – objektiven – Bedeutung einer Umrechnungsformel im Rahmen der Angebotswertung nichts. Ohne die Kenntnis der Bewertungsmethode ist eine optimale Angebotskalkulation nicht möglich (VK Bund, Beschluss vom 10. August 2006 – VK-1 55/06).

Zum anderen gewährleistet allein die Bekanntmachung der vom Auftraggeber gewählten Berechnungsmethode, dass die Auftragsvergabe in einem transparenten Vergabeverfahren erfolgt und die Bieter durch die Vorhersehbarkeit der angewandten Methode vor einer willkürlichen Bewertung der Angebote geschützt sind (VK Bund, Beschluss vom 10. August 2006 – VK-1 55/06; VK Schleswig-Holstein Beschluss vom 22.01.2010 – VK-SH 26/09).

Ferner nahm der Vergabesenat in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich auf eine Standardumrechnungsformel Bezug. Es bleibt mithin offen, was in denjenigen Fällen gilt, in denen die Umrechnungsformel hiervon abweicht.

Fazit für die Vergabepraxis

In diesem speziellen Einzelfall mag eine Bekanntmachung der Umrechnungsformel entbehrlich gewesen sein. Die Entscheidung des OLG München bietet jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies die Regel ist. Ohnehin schließt nur eine Offenlegung der Umrechnungsformel des Preises in Punkte insoweit Nachprüfungsverfahren – wie im Fall des OLG München – und die damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen von vornherein aus.

Wagner_ChristianDer Autor Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt bei der Sozietät Scharlemann Rechtsanwälte [1] in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber. Mehr informationen finden Sie im Autorenverzeichnis [2].

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Über Dr. Christian-David Wagner [4]

Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.

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