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Dienstleistungskonzession und kein Ende, Teil 3: Ausschreibungsverfahren

ParagraphIm ersten Teil der Serie [1] hat unser Autor die Voraussetzungen der Dienstleistungskonzession definiert. Im zweiten Teil [2] hat unser Autor die wohl wichtigste Voraussetzung zur Abgrenzung zum öffentlichen Auftrag näher betrachtet, nämlich die Frage, wann der Konzessionär („Auftragnehmer“) das wirtschaftliche Risiko trägt. Der dritte und vorerst letzte Teil der Serie befasst sich mit den Rechtsfolgen der Dienstleistungskonzession. (Anmk. d. Red.)

1. Altes und Neues von der Dienstleistungskonzession

Der Europäische Gerichtshof (EuGH), der jetzt nur noch „Der Gerichtshof“ heißt, hat sich in etlichen Entscheidungen mit der Dienstleistungskonzession befasst. Der Grund hierfür: Die Dienstleistungskonzession wurde schon immer von den Vergaberichtlinien aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen, so dass schon früh, nämlich bereits vor über zehn Jahren (EuGH, Urteil vom 07.12.2000 – Rs. C-324/98, Telaustria), gerichtlicher Bedarf entstand, diese „Lücke“ mit Regeln zu füllen. Zuletzt hat sich der Gerichtshof mit Urteil vom 10.03.2011 (Rs. C-274/09) mit der Dienstleistungskonzession befasst, es ging um die Vergabe von Rettungsdienstleistungen in Bayern. Der Vergabeblog berichtete [3]. In internen Kommissionskreisen kursiert nun ein noch unveröffentlichter Vorschlag zur Einbettung der Dienstleistungskonzession in die bestehenden Vergaberichtlinien. Der wohl wichtigste Punkt ist dabei die Einbeziehung des Rechtsschutzes.

2. Nichts neues im Westen: Dienstleistungskonzessionen sind auszuschreiben!

Dienstleistungskonzessionen sind auszuschreiben, d.h. eine Direktvergabe ist in aller Regel ausgeschlossen, es sei denn, es kommt aus besonderen Gründen nur ein Unternehmen in Betracht oder in Fällen besonderer Dringlichkeit. Insofern gelten die Ausnahmeregeln für eine unmittelbare Beauftragung nach den Vergaberichtlinien „erst recht“ bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen.

Zu unterscheiden ist, wie bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags, ob die Dienstleistungskonzession nach nationalen Regeln oder nach EU-regeln auszuschreiben ist. Die Schwierigkeit der Abgrenzung liegt darin, dass es keine Schwellenwerte gibt, die dem Auftraggeber sagen, wann er nach EU-Regeln auszuschreiben hat.

3. EU-weite Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession

Wann also unterfällt eine Dienstleistungskonzession den EU-Regeln und was folgt daraus für das Ausschreibungsverfahren?

Der EuGH hat das o.g. Urteil vom 10.03.2011 mit folgenden Worten geschlossen:

„Es ist hinzuzufügen, dass Verträge über Dienstleistungskonzessionen beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts zwar von keiner der Richtlinien erfasst werden, mit denen der Unionsgesetzgeber das öffentliche Auftragswesen geregelt hat, die öffentlichen Stellen, die solche Verträge schließen, aber gleichwohl verpflichtet sind, die Grundregeln des AEU-Vertrags, insbesondere die Art. 49 AEUV und 56 AEUV, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zu beachten, wenn – was das vorlegende Gericht zu prüfen hat – an dem betreffenden Vertrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht“.

In der Praxis stellt sich daher die Frage, ob für die Dienstleistung ein „eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse“ besteht, ob sie also „Binnenmarktrelevanz“ hat und diese „eindeutig“ bejaht werden kann.

a) Binnenmarktrelevanz der Dienstleistungskonzession

Die Kommission führt hierzu in ihrer Mitteilung aus dem Jahre 2006 zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht [4], das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, und darunter fallen auch Dienstleistungskonzessionen, Folgendes aus:

„Die Entscheidung, inwieweit ein Auftrag möglicherweise für Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats von Interesse sein könnte, obliegt den einzelnen Auftraggebern. Nach Auffassung der Kommission muss dieser Entscheidung eine Prüfung der Umstände des jeweiligen Falls vorausgehen, wobei Sachverhalte wie der Auftragsgegenstand, der geschätzte Auftragswert, die Besonderheiten des betreffenden Sektors (Größe und Struktur des Marktes, wirtschaftliche Gepflogenheiten usw.) sowie die geographische Lage des Orts der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind.“

Schreibt etwa die Stadt Aachen eine Dienstleistungskonzession hinsichtlich der Stadtmöblierung oder des Breitbandausbaus aus, so muss sie aufgrund des Werts der Leistung und der geographischen Nähe der Stadt zu Belgien, den Niederlanden und Frankreich prüfen, ob dort Wirtschaftsteilnehmer Interesse an dem vakanten Vertrag haben könnten.

Nach dem klaren Wortlaut des EuGH muss dieses Interesse „eindeutig“ zu bejahen sein, d.h. dass m.E. bei Zweifeln an einem grenzüberschreitenden Interesse keine Binnenmarktrelevanz zu bejahen ist. Solche Zweifel bestehen freilich dann nicht mehr, wenn sich entsprechende Unternehmen in der näheren Vergangenheit bereits um solche Aufträge bemüht bzw. ihr Interesse bekundet haben.

Angenommen, der Auftraggeber bejaht eine Binnenmarktrelevanz stellt sich nun die weitere Frage, wie die ausländischen Wirtschaftsteilnehmer einzubeziehen sind.

Hierzu stellt die Kommission in der o.g. Mitteilung zunächst klar:

„Kommt der Auftraggeber zu dem Schluss, dass der fragliche Auftrag für den Binnenmarkt relevant ist, muss die Vergabe unter Einhaltung der aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Grundanforderungen erfolgen. (…).

Das Kontaktieren einer bestimmten Anzahl potenzieller Bieter ist nach Auffassung der Kommission nicht ausreichend, selbst wenn der Auftraggeber auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten einbezieht oder versucht, alle potenziellen Anbieter zu erreichen. (…).

Daher lassen sich die vom EuGH festgelegten Erfordernisse nur erfüllen, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht wird.“

Festzuhalten ist: Eine Dienstleistungskonzession mit Binnenmarktrelevanz ist öffentlich bekannt zu geben.

b) Bekanntmachungsmedium

Es stellt sich dann die weitere Frage, wo genau die Konzession bekannt zu geben ist. Auf der Hand läge nun eine Bekanntmachung im Tenders Electronic Daily, denn schließlich wurde die Binnenmarktrelevanz bejaht. Dem ist aber nicht zwingend so. Die Kommission sagt hierzu in der o.g. Mitteilung:

„Je interessanter der Auftrag für potenzielle Bieter aus anderen Mitgliedstaaten ist, desto weiter sollte er bekannt gemacht werden. Vor allem bei Aufträgen über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG und Anhang XVII Teil B der Richtlinie 2004/17/EG, die die Schwellenwerte dieser Richtlinien überschreiten, ist zur Erzielung einer angemessenen Transparenz im Allgemeinen eine Veröffentlichung in einem Medium mit großer Reichweite erforderlich.“

Dieser Hinweis ist insofern bizarr, als die Kommission auf Anhang II Teil B verweist, welche Anlage II Teil B der VOL/A entspricht. Dort sind aber die sog. nachrangigen Dienstleistungen genannt, bei denen ihrer Natur nach typischer Weise von einer geringeren Binnenmarktrelevanz ausgegangen wird, da es sich regelmäßig um national- oder ortsgebundene Leistungen handelt (Gaststätten, Rechtsberatung, Arbeitsvermittlung, Ausbildung u.ä.). Als Faustformel kann man aber wohl festhalten: Je höher der Wert der Konzession, desto eher ist EU-weit bekannt zu geben. Die Schwellenwerte geben hierzu einen ersten Anhaltspunkt.

Als Bekanntmachungsmedien benennt die Kommission neben der EU-Bekanntmachungsplattform TEDT (enotices) auch nationale Amtsblätter, Ausschreibungsblätter, regionale oder überregionale Zeitungen und Fachpublikationen und sogar Lokalzeitungen, Gemeindeanzeiger oder gar die Anschlagtafel. Es sei daran erinnert, das zuvor eine Binnenmarktrelevanz bejaht wurde, so dass eine Bekanntmachung in einer Lokalzeitung oder auf einer Anschlagetafel im örtlichen Rathaus seltsam anmutet und in der Praxis wohl auch keine Rolle spielen dürfte.

c) Auswahlverfahren und Auswahlkriterien

Es bietet sich an, die Vergabe der Dienstleistungskonzession an einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb auszurichten, so dass einer bekannten Eignungsprüfung (d.h. insbesondere Prüfung von Referenzen) die Angebotsprüfung folgt. Bei dieser ist in qualitativer Hinsicht ebenfalls wie „üblich“ zu verfahren, d.h., dass sich der Auftraggeber etwa ein technisches Konzept vorlegen läßt oder auch Mindestkriterien formuliert. Schwieriger ist dagegen die Beurteilung des Auswahlkriteriums „Preis“, da der Auftraggeber den Auftragnehmer (Konzessionär) in der Regel nicht bezahlt. Sollte eine (teilweise) Bezahlung vorgesehen sein, was zulässig ist, so wäre dieser zusätzliche „Preis“ als Wertungskriterium denkbar. Als weitere preisliche Anknüpfung kommt in Betracht, wenn der Konzessionär dem Auftraggeber ein Konzessionsentgelt für die Übertragung der Dienstleistung entrichtet, was aber nicht zwingend sein muss. Schließlich ist denkbar, dass man die Höhe der Gebühren, welche der Konzessionär gegenüber den Nutzern erhebt, bewertet. Dann gilt freilich, je geringer die Gebühr, desto mehr Wertungspunkte erhält das Angebot.

d) Befristung

Die Dienstleistungskonzession ist nach weiter Auffassung zu befristen, da dies angeblich ihrem Charakter entspreche. Der EuGH hat dies zwar so nicht eindeutig geäußert. Die Kommission strebt jedoch in ihrem Entwurf zur Ergänzung der Vergaberichtlinien ebenfalls eine Befristung an, so dass sich in der Praxis bereits jetzt für auszuschreibende Verträge empfiehlt, eine Befristung vorzusehen.

4. Nationale Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession

Liegt eine Dienstleistungskonzession vor, so folgt bereits aus dem Haushaltsrecht, dass diese im Wettbewerb zu vergeben ist, d.h. das möglichst drei Vergleichsangebote einzuholen sind. Ist die Dienstleistungskonzession von überörtlichem Interesse, so knüpft daran in der Regel eine Pflicht, die Vergabe auch überörtlich bekannt zu geben. Das Vergabeverfahren wird sich in aller Regel an eine Freihändige Vergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb nach VOL/A anlehnen.

5. Rechtsschutz

Ein Rechtsschutz vor den Vergabenachprüfungsinstanzen ist bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ausgeschlossen und zwar unabhängig davon, ob eine nationale oder EU-Vergabe vorliegt. Ein Nachprüfungsantrag wäre unter allen Umständen unzulässig. Der Bieterrechtsschutz ist jedoch regelmäßig vor dem Zivilgerichten gegeben, insofern gilt, was derzeit für den Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte geäußert wird. Allerdings ist in der Praxis ein solcher Rechtsschutz wenig effektiv, da ein Zuschlagsverbot in aller Regel nicht mehr im Wege der einstweiligen Verfügung zu erreichen ist. Ob eine Pflicht der Vergabestelle besteht, die Bieter vor Bezuschlagung zu informieren, damit diese überhaupt die Möglichkeit erhalten, ihre Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung geltend zu machen, ist noch ungeklärt. Die Rechtsprechung zur sog. beamtenrechtlichen Konkurrentenklage“ spricht jedenfalls für eine solche Hinweis- und Informationspflicht (vgl. BVerwG vom 04.11.2010 [5]).

6. Zusammenfassung und Praxishinweis

Liegt eine Dienstleistungskonzession vor muss der Auftraggeber prüfen, ob diese Binnenmarktrelevanz hat. Hat sie Binnenmarktrelevanz empfiehlt sich die Verwendung des EU-Bekanntmachungsformulars. Die oft geäußerte Sorge, dass sich dann auf die ausgeschriebene Dienstleistungskonzession etliche Wirtschaftsteilnehmer aus anderen EU-Ländern bewerben könnten und dies einen massiven Auswertungsprozess nach sich zöge, ist unberechtigt. Denn rein statistisch bewerben sich aus dem EU-Ausland ohnehin nur unter 2 Prozent ausländische Unternehmen.

Weiterhin ist zu empfehlen, das Verfahren an dem bekannten Verhandlungsverfahren auszurichten, insbesondere sind die Bewerbungsbedingungen, Eignungs- und Zuschlagskriterien einschl. deren Gewichtung transparent zu machen.

Ortner_RodericDer Autor Dr. Roderic Ortner berät Auftraggeber und Bieter in allen vergaberechtlichen Fragen mit einem Schwerpunkt im ITK-, Verteidigungs- und Forschungsbereich. Am 02.03.2011 fand unter seiner Beteiligung ein EWeRK-Workshop zu dem Thema: „Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers“ statt. Hierzu ist ein Aufsatz in der EWeRK 2011, Seite 111 f. erschienen. Zum Aufsatz geht es hier [6].

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren [7].

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Über Dr. Roderic Ortner [8]

Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal [9] in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.

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