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VK Bund: Ist eine Nachfrist von 21 Stunden zur Vorlage fehlender Erklärungen ausreichend? (Beschluss vom 29.04.2011 – VK 1 34/11)

Paragraph§ 19 EG Abs. 2 S. 1 VOL/A

Nach § 19 EG Abs. 2 S. 1 VOL/A können Auftraggeber Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung nicht vorgelegt wurden, nachfordern. Die VOL/A-EG sieht anders als § 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 VOB/A (6 Kalendertage) jedoch keine konkrete Nachfrist vor. In § 19 EG Abs. 2 S. 1 VOL/A heißt es lediglich, dass die Erklärungen und Nachweise bis zum Ablauf einer „zu bestimmenden Nachfrist“ nachgefordert werden können. Vor diesem Hintergrund hatte sich die VK Bund mit der Frage zu befassen, inwieweit eine Nachfrist von 21 Stunden zur Vorlage fehlender Erklärungen ausreichend ist.

Sachverhalt

Ein Auftraggeber schrieb die Lieferung von Sicherheitswerkbänken im offenen Verfahren europaweit aus. Ausweislich der EU-Bekanntmachung waren die Bieter aufgefordert, ihren Angeboten eine CE-Kennzeichnung gem. 2006/42/EG beizufügen. Dennoch legte der Bestbieter keine CE-Erklärungen vor. Der Auftraggeber fordert ihn daher mit E-Mailnachricht vom 29.03.2011, 14.40 Uhr auf, die Nachweise bis zum 30.03.2011, 12.00 Uhr vorzulegen. Die Frist wurde jedoch nicht gehalten. Der Bestbieter versandt die CE-Erklärungen erst am 30.03.2011, 15.50 Uhr per Mail.

Angemessenheit der Nachforderungsfrist

Nach Ansicht der angerufenen Vergabekammer muss das Angebot des Bestbieters wegen fehlender nachgeforderter Erklärungen zwingend von der Wertung ausgeschlossen werden (vgl. § 19 EG Abs. 3 a) VOL/A). Zur Begründung führt die VK Bund aus, dass die Frist von 21 Stunden zur Vorlage der fehlenden CE-Erklärungen angemessen sei. Anders als § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A sähe die VOL/A-EG keine konkrete Vorlagefrist vor. Im Hinblick darauf läge es im Ermessen des Auftraggebers eine angemessene Nachfrist zu bestimmen. Dabei müsse zwar berücksichtigt werden, mit welchem Aufwand die nachgeforderten Erklärungen vom Bieter beschafft werden könnten. Dem Bieter müsse jedoch keine so lange Frist eingeräumt werden, wie im Rahmen der Angebotserstellung ursprünglich vorgesehen war. Der Bieter habe seit Kenntnis der Bekanntmachung davon gewusst, dass er entsprechende Erklärungen beibringen müsse. Er sei daher verpflichtet gewesen, sich die entsprechenden CE-Erklärungen zügig zu besorgen.

Deutsches Vergabenetzwerk [1]Praxistipp

Im Rahmen der EG-VOL/A obliegt es mithin den Auftraggebern, eine angemessene Frist zur Nachreichung von geforderten Erklärungen zu bestimmen. Die 6 Tage-Frist des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist dabei ein Anhaltspunkt. Sie ist jedoch keineswegs bindend. Die Entscheidung zeigt vielmehr, dass Auftraggeber auch wesentlich kürzere Nachforderungsfristen bestimmen können. Die Nachfrist zur Vorlage fehlender Erklärungen kann dabei umso kürzer bemessen werden, je länger der Bieter Kenntnis davon hatte, dass er eine entsprechende Erklärung beibringen muss.

Da § 19 EG Abs. 2 VOL/A auch keine Aussage dazu trifft, wann die Nachfrist zu laufen beginnt bzw. endet, ist Auftraggebern dringend anzuraten, den Zeitpunkt, bis zu welchem die nachgeforderten Erklärungen vorgelegt werden müssen, konkret zu benennen.

Wagner_ChristianDer Autor Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt bei der Sozietät Scharlemann Rechtsanwälte [2] in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber. Mehr informationen finden Sie im Autorenverzeichnis [3].

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren [4].

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Über Dr. Christian-David Wagner [5]

Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.

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