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Verlängerungsoption bei Rahmenvertrag bleibt die Ausnahme – maximale Laufzeit: 4 Jahre (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 11.04.2012 – VII-Verg 95/11)

§ 4 EG VOL/A

ParagraphDie EU-weite Ausschreibung eines Rahmenvertrages ist oft mühsam. Deswegen kommt es immer wieder vor, dass Rahmenverträge mit Blick auf den Aufwand und die Anfangsinvestition länger als die nach § 4 Abs.7 EG VOL/A grundsätzlich zulässigen vier Jahre ausgeschrieben werden – unter Hinweis auf die in § 4 EG VOL/A vorgesehene Verlängerungsoption. Dass dies aber durchaus Grenzen hat und nicht mit Begründungen erfolgen darf, die jeder Rahmenvereinbarung immanent sind, hat das OLG Düsseldorf in der Entscheidung vom 11.04.2012 (VII-Verg 95/11) klargestellt.

Der Fall

Die Vergabestelle hatte „Rahmenvertrags Berufe.TV“ europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Gegenstand der Ausschreibung waren die Produktion von berufskundlichen und anderer Filmen und deren Bereitstellung im Internet, für mobile Geräte und zum Abruf in den Berufsinformationszentren. Optional waren die Entwicklung neuer Filmformate und die Weiterentwicklung von Berufe.net vorgesehen. Die Vertragslaufzeit des Rahmenvertrages sollte 72 Monate, also sechs Jahre, ab Auftragsvergabe betragen. Die Überschreitung der nach § 4 Abs.7 EG VOL/A grundsätzlich vorgesehenen vier Jahre rechtfertigte die Vergabestelle im Vergabevermerk wie folgt:

„Die enge Verzahnung aus Filmproduktion, Redaktionsleistung und Programmierung – inklusive Aufbau und Pflege eines Content-Management-Systems (CMS) – erfordert vom Auftragnehmer erhebliche Investitionen und Aufwände, speziell in der Startphase und bei einem Auftragnehmerwechsel […] Eine mögliche längere Laufzeit reduziert diese Fixkosten im Verhältnis. Es ist davon auszugehen, dass sich in der Gesamtsumme dadurch – bezogen auf 6 Jahre – ein wirtschaftlicheres Angebot ergibt.“

Die Entscheidung

Im ersten Schritt ging es noch überhaupt nicht um die ausgeschriebene Länge des Rahmenvertrages: der Bieter wehrte sich – mit Erfolg – gegen die vorgegebenen Eignungskriterien. Die Vergabestelle wendet sich daraufhin mit der sofortigen Beschwerde an das OLG Düsseldorf – und unterliegt hier wegen der unwirksamen Verlängerungsoption des Rahmenvertrags.

Interessant sind die Ausführungen des OLG Düsseldorf zur Zulässigkeit einer Verlängerungsoption.

Unter Verweis auf § 4 Abs. 1 VOL/A und § 4 Abs. 7 EG VOL/A führt das Gericht aus, dass grundsätzlich eine vierjährige Regellaufzeit vorgegeben ist. Für diesen begrenzten Zeitraum soll das geschlossene System des Rahmenvertrages dem Wettbewerb entzogen sein, in dem die Effizienzgewinne ermöglicht werden.

Wegen des vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatzes ist eine längere Vertragslaufzeit als vier Jahre nur im Sonderfall gerechtfertigt, die sich aufgrund des Gegenstandes der Rahmenvereinbarung ergeben muss. Dabei, so das OLG, müssen der Auftragsgegenstand oder andere besondere Umstände herangezogen werden, z.B. erhebliche Aufwendungen bei der Entwicklung des Vertragsgegenstandes. Allgemeine Erwägungen, die auf jede Rahmenvereinbarung zutreffen, langen hierfür nicht aus.

Dazu das OLG Düsseldorf:

„Es ist zwar zutreffend, dass eine längere Vertragsdauer die Fixkosten des Auftragnehmers reduziert und diesem ein wirtschaftlicheres Angebot ermöglicht. Dieser Umstand – der bei jeder Vergabe festzustellen sein dürfte – reicht im Streitfall aber nicht aus, um die Abweichung von der Regellaufzeit und eine daraus folgende Wettbewerbseinschränkung, die möglicherweise zu weniger und höherpreisigen Angeboten führt, zu rechtfertigen.“

Auch die Anfangsinvestitionen sind kein überzeugendes Argument, da hier laut Angebot der Antragsstellerin nur Kosten in Höhe von 20.000,- € angesetzt wurden, was im Verhältnis zum Gesamtauftragswert zu vernachlässigen ist.

Kein Beurteilungsspielraum bei Verlängerungsoption

Das OLG schließt nicht aus, dass durchaus prognostische Beurteilungen bedeutsam bei der Ermittlung der Vertragsdauer sein können, stellt aber fest, dass deswegen kein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum der Vergabestelle besteht. Die Rechtfertigung der Verlängerungsoption ist somit anhand der Ausführungen in der Vergabeakte in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar.

Entscheidend ist dabei auch die Dauer der Verlängerungsoption: mit der vorliegenden Verlängerung der Laufzeit von sechs Jahren liegt eine Überschreitung der in § 4 Abs.7 EG VOL/A vorgegebenen Regellaufzeit von 50 % vor. Für eine derartige Verlängerung, so das OLG Düsseldorf, langt die schmale Begründung der Vergabestelle in dem Vergabevermerk mit den Bedarfsanforderungen nicht aus.

Deutsches Vergabenetzwerk [1]

Fazit

Obwohl in § 4 EG VOL/A die Regellaufzeit von vier Jahren klar normiert ist, sind nach wie vor häufig Ausschreibungen von Rahmenverträgen mit Verlängerungsoptionen von ein bis vier Jahren in Bekanntmachungen zu finden. Insofern werden Vergabestellen zukünftig verstärkt auf die vierjährige Regellaufzeit achten müssen. Verlängerungsoptionen sind nur in engen Ausnahmefällen zulässig, die im Vergabevermerk auch im Hinblick auf die Dauer der Verlängerung detailliert zu begründen sind.

PrellDie Autorin Monika Prell ist für den Bereich der Öffentlichen Ausschreibungen/Vergaberecht bei Bitkom Consult [2] “ zuständig. „Bitkom Consult – Vergaberecht“ coacht, berät und unterstützt insbesondere Unternehmen der ITK-Branche bei öffentlichen Ausschreibungen. Mehr Informationen finden Sie im Autorenverzeichnis [3].

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren [4].

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Über Monika Prell [5]

Monika Prell ist Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin bei der Kanzlei SammlerUsinger [6] in Berlin. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung im Vergaberecht und berät sowohl öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren als auch Bieterunternehmen umfassend bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus vertritt Monika Prell ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen. Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist sie als Kommentarautorin tätig, veröffentlicht regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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