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Gut für Auftraggeber: OLG Düsseldorf gewährt weiten Spielraum bei Loslimitierungen (Beschluss v. 7.11.2012 – VII-Verg 24/12)

ParagraphBei der Entscheidung für eine Loslimitierung haben öffentliche Auftraggeber einen weiten Spielraum. Sie dürfen frei zwischen einer Angebotslimitierung und einer Zuschlagslimitierung wählen, wenn sachliche Gründe für die Begrenzung bestehen. Auch an die Dokumentation der Loslimitierung stellt der Vergabesenat in seinem Beschluss vom 07.11.2012 (VII-Verg 24/12) nur geringe Anforderungen.

§ 97 GWB; § 24 EG VOL/A

Bei einer Ausschreibung von Reinigungs- und Winterdienstleistungen bildete der Auftraggeber Fachlose und teilte diese in mehrere Gebietslose auf. In einem der Fachlose durften Bieter für höchstens fünf von 21 Gebietslosen ein Angebot abgeben, in einem weiteren Fachlos durften höchstens drei von 12 Gebietslosen beboten werden (sog. „Angebotslimitierung“). Der Auftraggeber begründete seine Entscheidung mit einer Streuung der wirtschaftlichen und technischen Risiken. Auf welche Gebietslose die Bieter Angebote abgeben wollten, durften sie jeweils frei auswählen.

Hiergegen wehrte sich ein Unternehmen mit dem Einwand, der Auftraggeber habe den Wettbewerb übermäßig eingeschränkt, da er die Alternative einer Zuschlagslimitierung nicht in Betracht gezogen habe. Bei dieser dürfen zwar alle Lose beboten werden, ein Bieter kann jedoch nur für eine begrenzte Anzahl von Losen den Zuschlag erhalten. Zudem rügte das Unternehmen, die Entscheidung für die Angebotslimitierung sei nicht ausreichend dokumentiert worden.

Loslimitierung zur Begrenzung der Ausfallrisiken erlaubt

Ohne Erfolg, wie der Vergabesenat klarstellte. Unter Verweis auf eine seiner älteren Entscheidungen, den Euro-Münzplättchen III – Beschluss 15.06.2000, Verg 6/00), erinnerte der Senat daran, dass eine Loslimitierung trotz der damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkung grundsätzlich zulässig sei. Legitime Ziele, die eine Loslimitierung rechtfertigen, sind danach:

· die Streuung der wirtschaftlichen und technischen Risiken, insbesondere die Beherrschung des Ausfallrisikos des Auftragnehmers und

· der Schutz eines ausreichenden Wettbewerbs in der Zukunft.

Gerade in Bereichen, in denen der Versorgungssicherheit eine besondere Bedeutung zukommt (Banknoten, Arzneimittel), müssen wirtschaftlich starke Bieter hinnehmen, dass sie nicht auf jedes Los den Zuschlag erhalten können, obwohl sie über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügen. Die Versorgungssicherheit kann auch dadurch gewährleistet werden, dass der Auftraggeber für eine ausreichende Anbietervielfalt in der Zukunft sorgt, indem er den Auftrag zwingend von mehreren Auftragnehmern ausführen lässt (zuletzt OLG Düsseldorf, 07.12.2011, VII-Verg 99/11).

Bei der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Loslimitierung haben Auftraggeber einen Einschätzungsspielraum, der gerichtlich nur auf Willkür und offensichtliche Beurteilungsfehler überprüft wird.

Keine Abwägung zwischen Angebotslimitierung und Zuschlagslimitierung

Nach Auffassung des Vergabesenats müssen Auftraggeber dabei nicht zwischen den Alternativen einer Angebotslimitierung und einer Zuschlagslimitierung abwägen. Vielmehr dürfen sie sich ohne weitere Begründung für eine Angebotslimitierung entscheiden. Wörtlich heißt es in dem Beschluss hierzu:

„Nicht zu beanstanden ist …, dass der Auftraggeber die Loslimitierung in Form der Angebotslimitierung vorgenommen hat. Hierbei bedurfte es keiner ausdrücklichen Auseinandersetzung mit der Alternative der Zuschlagslimitierung, vielmehr ist der Auftraggeber im Rahmen seines Bestimmungsrechts frei, bei einer Loslimitierung zwischen einer Angebotslimitierung, einer Zuschlagslimitierung, bei der auf alle Lose geboten werden muss, und einer Zuschlagslimitierung mit der Möglichkeit, Angebote auf Lose nach Wahl des Bieters abzugeben, zu wählen.“

Zwar ist bekannt, dass der Vergabesenat des OLG Düsseldorf das Bestimmungsrecht öffentlicher Auftraggeber mittlerweile sehr weit auslegt (vgl. Mantler, Vergabeblog vom 18.11.2012 [1]). Allerdings wird hiergegen nicht ganz zu Unrecht eingewandt, eine Angebotslimitierung schränke den Wettbewerb deutlich stärker ein als eine Zuschlagslimitierung, bei der die Bieter wenigstens auf alle Lose Angebote abgeben dürfen, wenngleich sie nur für eine begrenzte Zahl der Lose den Zuschlag erhalten können. Mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Wettbewerbsprinzip des § 97 Abs. 1 GWB sei daher im Einzelfall sorgfältig abzuwägen, ob eine Zuschlagslimitierung ausreichend sei.

Dem entgegnet der Vergabesenat, dass sich die Chancen des einzelnen Bieters auf den Zuschlag für einzelne Lose sogar erhöhten, wenn die Bieter nur eine begrenzte Zahl an Angeboten einreichen dürfen. Denn bei Ausschreibungen, deren Lose im Wesentlichen gleich gestaltet sind, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Bieter für alle Lose das wirtschaftlichste Angebot einreicht.

Außerdem verweist das OLG Düsseldorf auf die verschiedenen Zwecksetzungen des Vergaberechts und führt aus:

“Dabei ist zu beachten, dass das Vergaberecht nicht nur Wettbewerb und subjektive Bieterrechte eröffnet, sondern auch eine wirtschaftliche und den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Anforderungen entsprechende Beschaffung gewährleisten soll. Der öffentliche Auftraggeber als Nachfrager hat durch seine Ausschreibungen nicht bestimmte Marktteilnehmer zu bedienen. Vielmehr bestimmt allein der Auftraggeber im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben den daran zu messenden Beschaffungsbedarf und die Weise, wie dieser gedeckt werden soll. Am Auftrag interessierte Unternehmen haben sich darauf einzustellen.“

Damit erkennt das Gericht neben den bereits genannten Gründen für eine Loslimitierung indirekt an, dass Auftraggeber gerade bei Ausschreibungen mit zahlreichen Losen auch ein Interesse daran haben können, die Anzahl der eingehenden Angebote von vornherein zu begrenzen. Dies ist mit einer Zuschlagslimitierung nicht möglich.

Im Ergebnis haben Auftraggeber künftig die freie Wahl zwischen einer Angebotslimitierung und einer Zuschlagslimitierung, sofern überhaupt Gründe für eine Loslimitierung gegeben sind.

Anforderungen an Dokumentation sehr gering

Mit Blick auf die Entscheidung für eine Loslimitierung stellt der Vergabesenat – abermals zum Vorteil öffentlicher Auftraggeber – denkbar geringe Anforderungen an die Verfahrensdokumentation im Sinne von § 24 EG VOL/A. Im entschiedenen Fall lautete die Begründung in der Vergabeakte knapp:

„Gewährleistung der Reinigungssicherheit und Streuung des wirtschaftlichen und technischen Risikos“.

Eine darüber hinaus gehende Begründung ist nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich, da die Vorteile der Loslimitierung in den mit Vergaberecht befassten Kreisen allgemein bekannt seien.

Deutsches Vergabenetzwerk [2]Fazit

Der Beschluss erscheint wie Balsam für die Seelen in den Vergabestellen. Während die Rechtsprechung die Anforderungen an die Dokumentation von Verfahrensentscheidungen in den letzten Jahren sukzessive und gewiss nicht immer nachvollziehbar erhöht hat, entscheidet das OLG Düsseldorf mit Augenmaß, wenn es eine stichwortartige Begründung genügen lässt. Deren ausführliche Umschreibung würde ohnehin keinen Zugewinn bringen und wäre eine bloße Förmelei. Etwas anderes gilt jedoch für die Frage, ob die stichwortartigen Gründe wirklich vorliegen. Hier muss – trotz des Beurteilungsspielraums öffentlicher Auftraggeber – eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet bleiben.

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Über Dr. Daniel Soudry, LL.M. [3]

Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin) [4]. Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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