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Vergabeverfahren nach VOF – Vergütung von Planungsleistungen außerhalb eines Planungswettbewerbs? (Teil 2)

ParagraphDer erste Teil des Beitrags zur Vergütung von Planungsleistungen [1], die öffentliche Auftraggeber außerhalb eines Planungswettbewerbs im Rahmen von Vergabeverfahren nach VOF abfordern, hat den praktischen Hintergrund der Problematik dargestellt, die Regelungssystematik der VOF für Aufwendungen der Bieter bei der Angebotserstellung erläutert und die Rechtsprechungslinie der bislang ergangenen Entscheidungen der Landgerichte vorgestellt. Der zweite Teil analysiert das Urteil des OLG Koblenz vom 6. Juli 2012 (8 U 45/11 – nicht rechtskräftig), das sich detailliert mit der Thematik auseinandergesetzt hat.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb in einem Vergabeverfahren nach VOF Generalplanungsleistungen für die energetische Sanierung dreier Wohnanlagen europaweit aus. Bereits im Teilnahmewettbewerb waren die Bewerber unter anderem aufgefordert, ein energetisches Sanierungskonzept, die Erfüllung der Förderkriterien der KfW-Förderbank, eine Kostenschätzung für das Sanierungskonzept nach DIN 276 sowie einen Zeitablaufplan für die Umsetzung der Sanierung zu fertigen.

Die Bewerberin erbrachte daraufhin umfangreiche Planungsleistungen. Da sie den Zuschlag nicht erhielt, begehrte sie eine Vergütung für die erbrachten Planungsleistungen nach § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) in Höhe von über 140.000,00 EUR. Zur Begründung führte sie an, dass im Hinblick auf die geforderten Konzepte, etc. bereits konkrete Lösungsvorschläge für die gestellte Planungsaufgabe entwickelt werden mussten.

Der öffentliche Auftraggeber war der Auffassung, bei § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) handele es sich nicht um eine eigene Anspruchsgrundlage, es seien keine Planungsleistungen abgefordert worden und außerdem stehe die pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 4.000,00 EUR, welche der Bewerber akzeptiert und abgerechnet habe, einem weitergehenden Vergütungsanspruch entgegen.

Rechtliche Würdigung

Das OLG Koblenz stellt im Ausgangspunkt fest, dass § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) eine eigene Anspruchsgrundlage bildet. Jedoch seien vom Bewerber keine Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe, sondern ausdrücklich Konzepte abgefragt worden. Außerdem schließe die vom Auftraggeber nach § 15 Abs. 2 VOF 2006 (§ 13 Abs. 3 VOF 2009) vorgesehene Pauschalvergütung den geltenden gemachten Anspruch aus.

In den Entscheidungsgründen gelangt der Zivilsenat zu einigen verallgemeinerungsfähigen Aussagen, während in Bezug auf andere Feststellungen eine abschließende Klärung noch ausstehen dürfte.

Vergütungspflicht für Planungsleistungen außerhalb eines Planungswettbewerbs

Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch ist nach Auffassung des OLG Koblenz zunächst das Abfordern von „Lösungsvorschlägen für die Planungsaufgabe“ außerhalb eines Planungswettbewerbs. Mit „Lösungsvorschlägen für die Planungsaufgabe“ sei jegliche Planungstätigkeit der Bewerber gemeint, die mit dem Gegenstand des ausgeschriebenen und zu vergebenden Auftrags aus Sicht des Auftraggebers in Zusammenhang steht oder stehen kann. Es könne sich auch um die weitere Ausarbeitung eines bereits vorliegenden Lösungsvorschlags handeln.

Nach Auffassung des Zivilsenats muss von den ausgewählten Bewerbern aber die Ausarbeitung neuer eigener Lösungen verlangt werden, also letztlich das, was sonst das Wesen eines Planungswettbewerbs ausmacht. Bei § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) handele es sich um „eine Art Realisierungswettbewerb im Verhandlungsverfahren“, aber ohne Aussicht auf Preisgeld. Diese „Sonderleistungen“ sind nach der HOAI zu vergüten.

Diesen Feststellungen ist grundsätzlich zuzustimmen. Problematisch erscheint demgegenüber folgende Bemerkung:

„Um exorbitante Kosten eines Verhandlungsverfahrens zu verhindern, muss die Leistung dann aber ausdrücklich im Wortlaut des § 24 Abs. 3 VOF 2006 [§ 20 Abs. 3 n.F. VOF] verlangt werden und sowohl qualitativ als auch quantitativ mehr sein als eine branchenübliche Bewerbungsleistung.“

Bei genauerer Betrachtung ist diese Feststellung im besten Fall überflüssig. Ein ausdrückliches Abfordern von Planungsleistungen ist ohnehin notwendige Voraussetzung des Vergütungsanspruchs. Erbringen die Bewerber Planungsleistungen, handelt es sich stets um „mehr als eine branchenübliche Bewerbungsleistung“.

Schließt Festsetzung einer Pauschalvergütung eine Vergütung nach HOAI aus?

Das OLG Koblenz erblickt darüber hinaus in der Nichtfestsetzung einer Pauschalvergütung nach § 15 Abs. 2 VOF 2006 (§ 13 Abs. 3 VOF 2009) ein negatives Tatbestandsmerkmal. Mit anderen Worten: Ist eine pauschale Entschädigung vorgesehen, scheidet eine Vergütung nach HOAI aus. Der Zivilsenat knüpft mit dieser Aussage an ein Urteil des Vergabesenats des OLG Rostock vom 6. Juni 2001 (1 W 6/01) an:

„Wenn jedem Bieter ungeachtet seines tatsächlichen Aufwands pauschal ein Bearbeitungshonorar gezahlt wird, schließt dieses Angebot eine Berechnung des Honorars nach der Höhe der ermittelten anrechenbaren Kosten und dem Umfang der erbrachten Leistungen, wie dies durch § 4 ff. HOAI vorgesehen ist, bereits dem Grunde nach aus.“

Diese Feststellung begegnet aus mehreren Gründen erheblichen Zweifeln: Zunächst findet sich im Wortlaut des § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) kein Anhaltspunkt für diese negative Tatbestandvoraussetzung. Des Weiteren spricht die systematische Stellung des § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) in den „Besonderen Vorschriften zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen“ für eine Spezialregelung zur allgemeineren Vorschrift des § 15 Abs. 2 VOF 2006 (§ 13 Abs. 3 VOF 2009). Letztere Regelung stellt selbst ausdrücklich klar, das gesetzliche Gebühren- oder Honorarordnungen unberührt bleiben. Diese Klarstellung liefe leer, wenn mit der Festsetzung eines pauschalen Bearbeitungshonorars die Mindestsätze der HOAI unterschritten werden könnten.

Des Weiteren sollten sich im Regelfall keine Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben: Werden Planungsleistungen abgefordert, so geht die besondere Regelung für Architekten- und Ingenieurleistungen nach § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) als Spezialregelung vor. Sofern ein öffentlicher Auftraggeber die Erstellung von Unterlagen fordert, die über die bloße Ausarbeitung der Bewerbungs- und Angebotsunterlagen hinausgeht, aber keine Planungsleistung darstellt, ist ein Aufwendungsersatz nach § 15 Abs. 2 VOF 2006 (§ 13 Abs. 3 VOF 2009) vorzusehen. Für diese Annahme einer inhaltlichen Unterscheidung sprechen zuletzt auch die Ausführungen des OLG Koblenz an anderer Stelle:

„Ob die fehlerhafte Vergütungsfestsetzung nach § 15 Abs. 2 S. 1 VOF 2006 anstatt der Auslösung einer Vergütung nach § 24 Abs. 3 VOF einen Vergabefehler konstituiert, ist eine davon unabhängige Frage des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens. Die hier tatsächlich verlangten Leistungen fallen lediglich unter die Generalbestimmung von § 15 Abs. 2 S. 1 VOF 2006.“

Rechtsweg

In Bezug auf den einschlägigen Rechtsweg ist grundsätzlich zwischen den folgenden Fallkonstellationen zu unterscheiden:

Wendet sich ein Bewerber gegen die Höhe oder die Nichtfestsetzung einer Pauschalvergütung gemäß § 15 Abs. 2 VOF 2006 (§ 13 Abs. 3 VOF 2009), liegt möglicherweise positive Kenntnis eines Verfahrensverstoßes vor. Dieser Verfahrensverstoß ist im Wege des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens vor der zuständigen Vergabekammer geltend zu machen. Versäumt es der Bewerber, den Vergabeverstoß rechtzeitig zu rügen, wäre ein Nachprüfungsantrag bereits unzulässig. Wegen der Spezialrechtszuweisung nach §§ 102 ff. GWB ist in diesem Fall auch der Zivilrechtsweg versperrt.

Für die Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs nach § 24 Abs. 3 VOF 2006 (§ 20 Abs. 3 VOF 2009) ist hingegen der Zivilrechtsweg zu beschreiten, obwohl dieser Vergütungsanspruch auf einer vergaberechtlichen Rechtsgrundlage beruht. Ein solches Begehren ist der Sache nach auf einen Zahlungsanspruch gerichtet, worüber die Vergabekammer gemäß § 104 Abs. 2 GWB zu entscheiden nicht befugt ist. Auch ein Erst-Recht-Schluss aus § 104 Abs. 3 GWB ergibt, dass ein solches Begehren der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte unterfällt.

Deutsches Vergabenetzwerk [2]Fazit und Praxishinweise

§ 20 Abs. 3 VOF ist eine Anspruchsgrundlage für die Vergütung von Planungsleistungen, die von einem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nach VOF außerhalb eines Planungswettbewerbs verlangt werden. Die Höhe der Vergütung orientiert sich an der HOAI. Der Zahlungsanspruch ist vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Geht es jedoch um Verfahrensverstöße, etwa eine zu geringe oder fehlende Pauschalvergütung nach § 13 Abs. 3 VOF, ist wegen der Spezialrechtszuweisung nach §§ 102 ff. GWB allein der Weg vor die Vergabekammer eröffnet.

Ob die Festsetzung einer Pauschalvergütung nach § 13 Abs. 3 VOF hingegen geeignet ist, den Anspruch nach § 20 Abs. 3 VOF auszuschließen, ist zweifelhaft, weil beide Tatbestände sich inhaltlich abgrenzen lassen. Ebenso zweifelhaft ist die Feststellung des OLG Koblenz, exorbitante Kostenfolgen ließen sich vermeiden, sofern Planungsleistungen ausdrücklich gefordert werden und qualitativ und quantitativ über branchenübliche Bewerbungsleistungen hinausgehen. Auftraggebern ist vielmehr zu raten, eine (relativ) geringe Bearbeitungstiefe vorzugeben.

Die vorgestellte Rechtsprechung erhöht die Anforderungen für alle Verfahrensbeteiligten. Die Abforderung gewisser Planungsleistungen ist für eine sachgerechte Auftragsvergabe häufig sinnvoll, erfordert aber nunmehr noch größere Sorgfalt bei Konzeption und Durchführung der Vergabeverfahren sowie eine geordnete und rechtssichere Projektkommunikation. Bewerber und Bieter sind gehalten, erkannte Verstöße gegen Verfahrensvorschriften rechtzeitig zu rügen, um sich nicht ihrer Rechte zu begeben und einen unverhältnismäßigen Aufwand bei der Angebotserstellung zu vermeiden.

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Über Dr. Martin Ott [3]

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte [4], Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) [5].

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[2] Bild: https://www.dvnw.de/seite/mitglied-werden/

[3] Dr. Martin Ott: https://www.vergabeblog.de/author/ott/

[4] Menold Bezler Rechtsanwälte: http://www.menoldbezler.de

[5] Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW): http://www.dvnw.de/

[6] Profil im DVNW: http://www.dvnw.de/mitglied/martin-ott/

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