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Ausschreibungspflichtige Neuvergabe bei Einführung einer blauen Tonne? (VK Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 05.07.2013 – VK 1-11/13)

ParagraphIm Jahr 2008 hat die VK Brandenburg festgestellt, dass eine Umstellung der Entsorgung von Altpapier durch Bündelsammlung auf eine behältergestützte Sammlung keinen ausschreibungspflichtigen Vorgang darstellt, weil es sich um keine wesentliche Vertragsänderung handelt. Begründet worden ist dies vor allem damit, dass die hinzukommende Leistung mit dem bereits bestehenden Vertag in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehe. Zudem sei der Auftragnehmer bereits in Folge einer öffentlichen Ausschreibung mit der Altpapierentsorgung im Kreisgebiet befasst. Diese Leistung soll vom Aufragnehmer auch in Zukunft erbracht werden, zusätzlich durch die Entsorgung von Altpapier aus zuvor aufgestellten Altpapierbehältern (VK Brandenburg, Beschluss vom 17.06.2008 – VK 13/08).

§§ 99 Abs. 1, 101 b GWB

Das Oberlandesgericht Celle hat hingegen unter Anwendung der EuGH-Kriterien aus dem sog. Pressetexturteil festgestellt, dass die Umstellung von der Bündelsammlung auf eine behältergestützte Sammlung mittels blauer Tonne ausschreibungspflichtig ist. Grund hierfür war vor allem, dass es durch die Einführung der behältergestützten Sammlung zu einer quantitativen Verschiebung bei der Abfallmenge, zu verschiedenen technischen Anpassungen und zu einer Aufstockung des Fuhrparks sowie weiteren Personals komme (OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2009 – 13 Verg 8/09).

Die Vergabekamme Rheinland-Pfalz hatte nunmehr erneut über die Ausschreibungspflicht bei Einführung einer blauen Tonne zu entscheiden und diese bezogen auf den Einzelfall abgelehnt.

Sachverhalt

Die Vergabestelle hat im Jahre 2009 die Sammlung, den Transport und die Verwertung von Altpapier europaweit im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Altpapierentsorgung sollte in Form einer Bündelsammlung ohne Einsatz von Sammelbehältern erfolgen. Ausgegangen wurde in dieser Ausschreibung in Bezug auf das Altpapier von einer Mengenspannbreite von 8.010 bis 9.790 Mg/a. Die Beigeladene erhielt den Zuschlag und wurde für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2018 mit der Ausführung der Entsorgungsleistung beauftragt. Die Vergabestelle beabsichtigte, zum 01.07.2013 das bisherige System der Altpapierentsorgung umzustellen. Die bisherige Form der Bündelsammlung sollte durch eine Sammlung in Altpapierbehältern ersetzt werden. Der Entsorgungsvertrag zwischen der Vergabestelle und der Beigeladenen sollte insofern geändert werden. Gegen diese Änderung wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag.

Entscheidung

Die Vergabekammer weist den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Verwiesen wird von der Vergabekammer auf das OLG Celle, das die Einführung der blauen Tonne für Altpapier unter Bezugnahme auf die EuGH-Kriterien dann als ausschreibungspflichtige Neuvergabe ansieht, wenn die Umstellung von der Bündelsammlung zur behältergeschützten Entsorgung einen Mehrbedarf an Personal und Fahrzeugen sowie eine Mehrvergütung auslöst, die als solche den Schwellenwert übersteigt (OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2009 – 13 Verg 8/09). Diese Fallkonstellation liege erkennbar nicht vor. Die zukünftig erwarteten Altpapiermengen (inklusive der 20 %-igen Erhöhung) liege innerhalb der Mengenspannbreite der ursprünglichen Ausschreibungsbedingungen. Eine vergaberechtlich relevante Erhöhung des Auftragsvolumens sei nicht feststellbar. Desweiteren sei auch keine Preiserhöhung zu verzeichnen, wenn die Beigeladene beabsichtigt, den Auftrag über die verbleibende Vertragslaufzeit zu dem ursprünglichen Angebotspreis auszuführen. Der personale Einsatz solle genauso unverändert bleiben wie die Fahrtrouten mit dem vierwöchigen Abfahrrhythmus für die Sammlung von Altpapier. Änderungen würden in der notwendigen Umrüstung der Fahrzeuge liegen. Sie müsse so konzipiert sein, dass sie in der Lage sind, in der fortbestehenden Bündelsammlung zusätzlich auch die Leerung über Altpapiersammelbehälter sicherzustellen. Erforderlich hierzu sei der Aufbau von zusätzlichen Schüttungen an den bestehenden Fahrzeugen. Der Austausch bzw. die Umrüstung von Fahrzeugen sei jedoch eine durch § 2 VOL/B gedeckte zulässige Leistungsänderung. Die Vergabestelle wäre daher berechtigt, die Altpapiersammlung ohne Neuausschreibung umzustellen. Die Fortführung des Entsorgungsvertrages mit der Beigeladenen sei vergaberechtlich unbedenklich.

Deutsches Vergabenetzwerk [1]Praxishinweis

Zutreffend stellt die Vergabekammer fest, dass die Umstellung des Sammelsystems ausschreibungsfrei ist, wenn hiermit keine personellen sowie logistischen Änderungen im Rahmen der Sammelleistung verknüpft sind. Auch wird das wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten des Aufragnehmers dann nicht geändert, sofern die bisher gewährte Vergütung unverändert fort gilt. Zulässig ist es hierbei sogar, sofern der Auftragnehmer sein Entgelt gegenüber der Vergabestelle ermäßigt. Erforderlich ist jedoch, dass die Abfallsammelbehälter von der Vergabestelle unmittelbar selbst unter Beachtung des Vergaberechts beschafft und verteilt werden.

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Über Dr. Dominik R. Lück [2]

Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte [3] in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.

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