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Auftraggeber muss in Verhandlungen nicht auf Optimierung der Angebote hinwirken! (VK Sachsen, Beschluss v. 28.08.2013 – Az.: 1 /SVK/026)

ParagraphDas Verhandlungsverfahren ist weitgehend formfrei. Vorgaben ergeben sich im Wesentlichen aus den vergaberechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs. Die in der Praxis wichtigen, konkreten Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten ergeben sich daher vorwiegend aus Einzelfallentscheidungen. Mehrfach stand dabei schon in unterschiedlicher Ausprägung die Frage im Raum, in welchem Umfang ein Auftraggeber nicht nur berechtigt , sondern sogar verpflichtet ist, zu verhandeln. Die Vergabekammer Sachsen begrenzt seine Pflichten in einer aktuellen Entscheidung in begrüßenswerter Weise (VK Sachsen, Beschluss vom 28.08.2013 – Az.: 1 /SVK/026)

Der Fall

Bei der Vergabe des Komplettumbaus eines Stadions im Verhandlungsverfahren sind der niedrigste Preis und das Kriterium „Planen und Bauen“ als Zuschlagskriterien bestimmt. Dem in beiden Kriterien zweitplatzierten Unternehmen signalisiert der Auftraggeber im Rahmen der ersten Verhandlungsrunde, dass ein optimiertes Gesamtangebot erwartet werde. Dabei betont er preisliche Optimierungen, indem er darum bittet, auch preisgünstigere Alternativen und Einsparpotentiale aufzuzeigen und auf den in der Leistungsbeschreibung genannten Kostenrahmen hinweist. Im Rahmen der weiteren Verhandlungen erfolgen punktuelle Hinweise zu möglichen Verbesserungen im Bereich „Planen und Bauen“. Obwohl sein finales Angebot preislich auf dem ersten Rang liegt, setzt sich in der Gesamtwertung das Angebot eines Konkurrenten durch, das in dem Kriterium „Planen und Bauen“ erheblich besser bewertet wurde. Dieses Wertungsergebnis greift das Unternehmen mit einem Nachprüfungsantrag an. Es beanstandet dabei unter anderem, dass der Auftraggeber im Rahmen der Verhandlungen nicht hinreichend deutlich auf qualitatives Optimierungspotential hingewiesen habe und dass der es deswegen davon ausgegangen war, im Bereich „Planen und Bauen“ keine Punkte mehr „gutmachen“ zu können. Während sich sein verbindliches Angebot an die kommunizierte Kostenobergrenze hält, habe das ausgewählte Angebot diese überschritten und so mit einer aufwändigeren Planung die – entscheidenden – besseren Wertungspunkte im Bereich Planen und Bauen erzielt.

Keine Pflicht zur Nivellierung von Angeboten

Ohne Erfolg!

Die Vergabekammer stellt klar, dass der angegebene „Kostenrahmen“ lediglich als „Zielmarke“ zu verstehen war. Deswegen überschritt das erfolgreiche Angebot auch keine verbindliche Kostenobergrenze. Die Vergabekammer lehnt auch eine Pflicht des Auftraggebers, im Rahmen von Verhandlungen zur Optimierung des Angebots in qualitativer Hinsicht beizutragen, grundsätzlich ab. Sie stellt klar, dass sich aus

„keiner vergaberechtlichen Bestimmung ein Anspruch des Bieters auf Durchführung von Verhandlungen eines bestimmten Inhaltes herleiten [lässt] , wenn ein Auftrag im Wege des Verhandlungsverfahrens vergeben werden soll. Der Bieter hat kein „Recht auf Verhandlungen“ mit dem Ziel, sich hinsichtlich einer optimalen Angebotserstellung abzusichern.“

Sie weist darauf hin, dass es gerade nicht Aufgabe des Auftraggebers sei, durch Verhandlungen in technischen und planerischen Aspekten zu nivellieren. Da es insoweit keine Pflicht des Auftraggebers gibt, konnte der Bieter aus einem fehlenden entsprechenden Hinweis auch nicht den Schluss ziehen, dass sein Angebot in qualitativer Hinsicht bereits optimal sei.

Deutsches Vergabenetzwerk [1]Zu beachten: Keine irreführenden Hinweise und Gleichbehandlungsgrundsatz!

Die Vergabekammer betont allerdings auch, dass Hinweise – wenn sie erfolgen – nicht irreführend sein dürfen. Diese Grenze sieht sie aber vorliegend durch den Hinweis auf preisliche Optimierungen wohl nicht als überschritten an, wobei der Bieter in seinem Angebot unbeschadet der preislichen Optimierungen sein Angebot ohnehin auch qualitativ überarbeitet hatte und dementsprechend insoweit auch letztlich besser bewertet wurde.

Ausdrücklich stellt sie zudem klar, dass der Auftraggeber dem Bestbieter ausweislich der Protokolle insoweit die gleichen Hinweise gegeben hatte. Er hatte also den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet. Darum war sein Verhalten vergaberechtskonform.

Einordnung und Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung ist nicht die erste, die sich mit Umfang und Grenze von Verhandlungspflichten des Auftraggebers befasst,. Die Rechtsprechung verbindet bisher mit der Wahl des Verhandlungsverfahrens zwar grundsätzlich den Anspruch auf zumindest eine Verhandlung (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 12.04.2012, Az.: 2 Verg 1/12; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2011, Az. 1 VK 51/11 und 53/11; zu möglichen Ausnahmen vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.2009, Az.: Verg 6/09). Diese Entscheidung der Vergabekammer Sachsen stellt jedoch klar, dass es jedenfalls keinen Anspruch auf Verhandlungen mit einem bestimmten Inhalt gibt. Zu Recht weist sie die Verantwortung und das strategische Risiko, sich im Wettbewerb mit eigenen Angebot attraktiv zu positionieren, dem Bieter zu.

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE [2]

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte [3], Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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