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Wo Bundeswehr draufsteht, muss nicht Rüstung drinstecken! (VK Bund, Beschl. v. 17.02.2014 VK 1-2/14)

EntscheidungDie Tatsache, dass die Bundeswehr Leistungen ausschreibt, führt nicht automatisch dazu, dass es sich hierbei um verteidigungs- bzw. sicherheitsrelevante Beschaffungsvorgänge im Sinne der VSVgV handelt. Dies und die Frage, welche Anforderungen an den (Fachkunde-) Nachweis zu stellen sind, hat die Vergabekammer beschäftigt und zur Entscheidung vom 17.02.2014 geführt.

GWB § 97 Abs. 4 S.1, § 99 Abs. 7; VOL/A 2009 § 19 EG Abs.

Leitsatz

  1. Auf einen Auftrag über die Bereitstellung von Messeständen auf Publikums- und Verbrauchermessen, an denen sich die Messebesucher allgemeine Informationen über den Auftraggeber beschaffen können, findet die VSVgV keine Anwendung. Es liegt nämlich keine Fallgruppe eines verteidigungs- oder sicherheitsrelevanten Auftrages vor.
  2. Der Auftraggeber kann in der Bekanntmachung als Mindestanforderung eine Eigenerklärung und einen Nachweis verlangen, dass die Bewerber über eine mindestens fünfjährige Erfahrung im Umgang mit einem bestimmten Messebausystem verfügen.

Sachverhalt

Die Bundeswehr schrieb die Bereitstellung von Messeständen auf Publikums- und Verbrauchermessen, an denen sich Messebesucher über die Bundeswehr allgemein informieren können, für den Zeitraum von 2014 bis 2017 im Wege eines nicht offenen Verfahrens nach Maßgabe der §§ 97ff. GWB, 1ff. (EG) VOL/A europaweit aus. Zum Nachweis ihrer Fachkunde hatten Bewerber unter anderem zu belegen, dass sie Erfahrungen im Umgang mit einem bestimmten Messebausystem von mindestens fünf Jahren verfügen. Hierfür hatten Bewerber eine entsprechende Eigenerklärung einschließlich eines Nachweises mit ihrem Teilnahmeantrag einzureichen.

Die Beigeladene legte die geforderte Eigenerklärung unter zusätzlicher Benennung einer Referenzperson nebst Firmennamen und Telefonnummer vor. Nachdem sich die Beigeladene im Teilnahmewettbewerb qualifiziert hatte, sollte ihr in der weiteren Folge auch der Zuschlag erteilt werden.

Gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung wendete sich die zweitplatzierte Antragstellerin. Sie machte unter anderem geltend, dass eine falsche Verfahrensart gewählt worden sei. Statt eines nicht offenen Verfahrens hätte das offene Verfahren gewählt werden müssen. Die falsche Verfahrensart hätte ihre Zuschlagschancen verschlechtert. Ferner hätte die Ausschreibung nach Maßgabe der VSVgV und nicht der (EG) VOL/A durchgeführt werden müssen. Zudem verfüge die Beigeladene nicht über die nach den Auftragsbedingungen geforderte fünfjährige Erfahrung mit dem ausgeschriebenen Messebausystem.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsbegehren teilweise statt. In Bezug auf den Einwand der angeblich falschen Beschaffungsordnung führte die Kammer aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Auftrag um einen Beschaffungsvorgang handeln würde, der ersichtlich zivile und keine militärischen oder rüstungstechnischen Leistungen zum Gegenstand habe, so dass auch die VSVgV keine Anwendung finden könne. Im Hinblick auf die gewählte Verfahrensart, sei so die Kammer nicht erkennbar, in welcher Form die Antragstellerin durch die Wahl des nicht offenen Verfahrens in ihren Zuschlagschancen beeinträchtigt worden sei. Durch ihre erfolgreiche Teilnahme am Teilnahmewettbewerb sei ihre Wettbewerbsposition im Vergleich zum offenen Verfahren gerade verbessert worden, weil sie sich nur mit einem geringeren Kreis an Konkurrenten habe messen müssen.

Begründet sei der Nachprüfungsantrag allerdings insoweit, als die Antragsgegnerin die Eignung der Beigeladenen beurteilungsfehlerhaft bejaht habe. Zunächst stellte die Kammer fest, dass die Forderung einer Eigenerklärung und eines Nachweises, wonach der Bewerber über eine mindestens fünfjährige Erfahrung im Umgang mit dem bestimmten Messebausystem verfügen muss, sachgerecht und nicht zu beanstanden sei. Zudem sei es regelmäßig zulässig, seitens des öffentlichen Auftraggebers auf die inhaltliche Richtigkeit der Angaben und Eigenerklärungen eines Bieters zu vertrauen, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen. Die Vergabeakte zeige allerdings, dass einzelne Mitglieder der Zuschlagskommission der Antragsgegnerin erheblich Zweifel an der Richtigkeit der von der Beigeladenen vorgelegten Eigenerklärung gehabt hätten. Die Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Eigenerklärung hätte die Antragsgegnerin so die Kammer aber beseitigen und weitere Nachforschungen etwa durch Kontaktaufnahme mit der in der Eigenerklärung benannten Referenzperson anstellen müssen. Dies habe die Antragstellerin allerdings unterlassen und somit eine beurteilungsfehlerhafte Eignungsprüfung im Hinblick auf die Beigeladene vorgenommen.

Rechtliche Würdigung

Zutreffend kommt die Vergabekammer zu dem Ergebnis, dass der streitgegenständliche Auftrag nicht den Bestimmungen der VSVgV unterliegt. Für die Anwendbarkeit der VSVgV ist der Auftragsgegenstand und nicht die Natur des Auftraggebers entscheidend. Da es sich im vorliegenden Fall offensichtlich nicht um militärische oder ausrüstungstechnische Leistungen handelt, mangelte es der Antragstellerin schon an der erforderlichen Antragsbefugnis. Gleiches gilt für den Einwand einer angeblich fehlerhaften Verfahrensart. Auch hier hat die Kammer zutreffend die Möglichkeit einer etwaigen Rechtsverletzung verneint, da sich die Zuschlagschancen der Antragstellerin durch ihre Präqualifikation im Teilnahmewettbewerb gerade erhöht hatten.

Kritisch zu bewerten ist allerdings die Feststellung der Vergabekammer, wonach die Anforderung zum Nachweis einer mindestens fünfjährigen Erfahrung im Umgang mit dem bestimmten Messebausystem sachgerecht sei. Es steht einem Auftraggeber grundsätzlich frei, die von ihm für erforderlich gehaltenen Eignungsvorgaben selbst zu definieren und die von den Bietern zu erfüllenden Anforderungen festzulegen.

Ein Auftraggeber ist hinsichtlich der Aufstellung von Eignungskriterien jedoch nicht völlig frei. Vielmehr müssen die aufgestellten Erfordernisse durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt sein und in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen. Mit Blick auf die als K.O.-Kriterium definierte Anforderung einer fünfjährigen (Fachkunde-)Erfahrung lässt sich die Angemessenheit zumindest hinterfragen. Aus der Entscheidung geht nicht hervor, warum Bewerber zwingend über einen fünfjährigen Erfahrungshorizont verfügen mussten, so dass hierüber nur spekuliert werden kann. Die (EG) VOL/A geht in § 7 Abs. 3 lit. a jedenfalls nur von einer dreijährigen Zeitspanne aus. Allein vor diesem Hintergrund dürfte eine von dieser Zeitspanne abweichende Anforderung besonders begründungsbedürftig sein. Hinzu kommt, dass der streitgegenständliche Auftrag selbst nur auf vier Jahre ausgelegt war. Inwiefern der Auftragnehmer dann aber über einen mindestens fünfjährigen Erfahrungshorizont verfügen muss, lässt weitere Fragen offen. Die Vergabekammer musste hierüber in letzter Konsequenz nicht entscheiden, da keiner der Bieter die Rechtmäßigkeit der Fachkundeanforderungen beanstandet hatte.

Praxistipp

Öffentliche Aufträge sind, um dem Auftraggeber eine möglichst kostengünstige Beschaffung zu ermöglichen, im Wettbewerb der Bieter zu vergeben. Eine zu restriktive Festlegung von Eignungskriterien birgt die Gefahr in sich, dass faktisch abgeschlossene Teilmärkte entstehen, und von öffentlichen Auftraggebern häufig ungewollt und ohne Not ein Teil des Marktes ausgeschlossen wird. In jedem Fall muss die vorgegebene Mindestzeitspanne im angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen und die Beweggründe für das K.O.-Kriterium in der Vergabeakte dokumentiert sein. Mit Mindestanforderungen bezüglich der Eignung sollten Auftraggeber behutsam umzugehen.

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Über Jan-Michael Dierkes [1]

Jan-Michael Dierkes ist Syndikusanwalt bei der K+S Aktiengesellschaft [2] und in dieser Funktion unter anderem zuständig für das Vergaberecht. Er betreut die Gesellschaften der K+S Gruppe bei der Teilnahme an europaweiten Ausschreibungsverfahren. Die Beiträge von Jan-Michael Dierkes geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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