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Keine gewerkeweise beschränkte Ausschreibung nach erfolgloser GU-Vergabe (VG Aachen, Urt. v. 16.12.2014 – 2 K 1603/12)

EntscheidungBauleistungen müssen (deutschlandweit) öffentlich ausgeschrieben werden, wenn nicht die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen (§ 3 Abs. 2 VOB/A). Beschränkt kann ausnahmsweise ausgeschrieben werden, wenn z.B. eine öffentliche Ausschreibung kein annehmbares Ergebnis erbrachte (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A).

Das Verwaltungsgericht Aachen hatte im Rahmen einer Fördermittelstreitigkeit u.a. darüber zu entscheiden, ob der vorstehende Ausnahmegrund vorliegt, wenn eine öffentliche GU-Bauausschreibung aufgehoben und anschließend eine beschränkte Ausschreibung von Einzelgewerken durchgeführt wurde.

§ 3 Abs. 2 u. 3 VOB/A

Sachverhalt

Ein bereits in den Jahren 1998/1999 erfolgter Umbau sowie die Modernisierung und Erweiterung eines Altenzentrums wurde mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt. Der Zuwendungsbescheid sah die zwingende Beachtung des ersten Abschnitts der VOB/A für den Betreiber des Altenzentrums vor.

Im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung bemängelte die Fördermittelstelle die Wahl der beschränkten Ausschreibung als fehlerhaft und forderte vom Betreiber des Altenzentrums Fördergelder zurück.

Dieser behauptete vor Gericht, die Baumaßnahme zunächst als GU-Vergabe öffentlich ausgeschrieben zu haben. Allerdings hätten nur vier Bauunternehmen Angebote eingereicht, wobei das preisgünstigste Angebot die kalkulierten Gesamtkosten der Baumaßnahme um mehr als 1,5 Mio. DM überschritten habe. Deshalb sei die öffentliche Ausschreibung aufgehoben und die Einzelgewerke beschränkt ausgeschrieben worden. Eine öffentliche Ausschreibung auch der Einzelgewerke habe sich nach Meinung des Betreibers nicht angeboten, weil als Bieter nur regionale Unternehmer in Betracht gekommen wären. Auf diese Weise habe er das Vergabeverfahren vereinfachen und den Kreis der potentiellen Bieter von vornherein auf solide, kooperative und auf ihren Ruf bedachte Bauunternehmen beschränken wollen.

Die Entscheidung

Die Aachener Verwaltungsrichter gaben dem Erstattungsanspruch des Fördermittelgebers wegen der falschen Verfahrenswahl statt. Eine beschränkte Ausschreibung der Bauleistungen nach Einzelgewerken war nicht ausnahmsweise gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A gestattet, weil eine vorherige öffentliche Ausschreibung zu keinem annehmbaren Ergebnis geführt hätte. Denn aufgrund der erheblichen Unterschiede der ausgeschriebenen Bauleistungen lässt das Scheitern der öffentlichen GU-Ausschreibung nicht den Schluss zu, dass sich auch hinsichtlich der Einzelgewerke die öffentliche Ausschreibung als untauglich bzw. nicht zielführend erwiesen hat und deshalb eine beschränkte Ausschreibung der Bauleistungen zulässig wäre. Die GU-Ausschreibung umfasste sämtliche Gewerke der gesamten öffentlich geförderten Baumaßnahme (Umbau und Erweiterungsbau) sowie der darüber hinausgehenden Errichtung von Altenwohnungen. Damit zählte zu den zu erbringenden Leistungen die gesamte zeitliche und organisatorische Planung der Bauausführung bei gleichzeitiger Beauftragung von Subunternehmern für die Ausführung einzelner Bauleistungen. Hieraus ergibt sich ein erheblicher organisatorischer Spielraum und ein entsprechend umfangreiches Planungs- und Finanzierungsrisiko für den GU. Die Leistungsbeschreibung kann sich im Wesentlichen auf das zu erstellende Bauwerk beschränken, während der Bieter in seinem Angebot die Unwägbarkeiten berücksichtigen muss, die sich aus der Koordination verschiedener Bauleistungen und verschiedener Einzelunternehmer ergeben, so das VG Aachen.

Demgegenüber liegt bei einer Ausschreibung von Einzelgewerken die Detailplanung der Gesamtbaumaßnahme wesentlich beim öffentlichen Auftraggeber, weil der Bieter die zu erbringende Bauleistung anhand der vorgegebenen Leistungsbeschreibung im Einzelnen kalkulieren kann. Damit unterscheidet sich die GU-Vergabe inhaltlich von der Ausschreibung von Einzelgewerken sowohl hinsichtlich der vom Auftraggeber zu erbringenden Vorleistungen für die Leistungsbeschreibungen als auch auf Seiten der Bauunternehmer in der Konzeption der Angebote sowie der Anforderungen an das finanzielle und logistische Leistungsvermögen des Bieters.

Alleine aus dem Umstand, dass sich an der öffentlichen GU-Ausschreibung nur wenige Anbieter beteiligt und deren Angebote, welche die Kostenkalkulation des Fördermittelempfängers weit überschritten hätten, kann nach Ansicht der Aachener Verwaltungsrichter daher nicht geschlossen werden, dass eine öffentliche Ausschreibung von Einzelgewerken ein aus vergleichbaren Gründen nicht erfolgreiches Ergebnis haben würde. Die Einschränkung des Vergabewettbewerbs durch beschränkte statt öffentliche Ausschreibung kann deshalb nicht nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A gerechtfertigt werden.

Auch bei dem Wunsch des Betreibers des Altenzentrums mit bekannten regionalen Bauunternehmen zusammenzuarbeiten handelt es sich um keinen aus der konkreten Baumaßnahme oder den einzelnen ausgeschriebenen Bauleistungen erwachsendes Sachargument. Vielmehr handelt es um einen Gesichtspunkt, der jeder öffentlichen Ausschreibung entgegengesetzt werden könnte, der aber nach dem Konzept der VOB/A zugunsten eines möglichst weitgehenden Wettbewerbs ohne Bedeutung ist, so das Verwaltungsgericht Aachen. Eine öffentliche Ausschreibung ist deshalb nicht gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A unzweckmäßig.

DVNW_Mitglied [1]

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung ist vergaberechtlich nachvollziehbar. Die beschränkte Ausschreibung ist gegenüber der öffentlichen Vergabe nachrangig, weshalb die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmegrundes beim öffentlichen Auftraggeber liegt. So wie der Vergabestelle nicht das Scheitern einer vorangegangenen – und an sich vorrangigen –  öffentlichen Ausschreibung zuzurechnen sein darf, weil bspw. die von ihr zu verantwortenden Vergabebedingungen die Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrages bis an die Grenze der Unmöglichkeit erschwerten und deshalb keine oder keine wirtschaftlichen Angebote eingegangen sind (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 16.10.2001 – WVerg 7/01, zum Verhandlungsverfahren). Genauso wenig kann die Änderung einer ursprünglich erfolglosen (GU-)Ausschreibungskonzeption einen (gewerkeweisen) beschränkten Vergabewettbewerb rechtfertigen. Dies gilt nicht zuletzt auch für das häufig anzutreffende Postulat, nur regionale oder bekannte Unternehmen bei der Vergabe berücksichtigen zu wollen. Eine solche Forderung kann subjektiv, etwa aus kommunalpolitischen Erwägungen, verständlich erscheinen, vermag aber aus objektiver Sicht keine Wettbewerbseinschränkung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge allgemein sachlich begründen.

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Über Holger Schröder [2]

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht Holger Schröder verantwortet als Partner bei Rödl & Partner [3] in Nürnberg den Bereich der vergaberechtlichen Beratung. Er betreut seit vielen Jahren zahlreiche Verfahren öffentlicher Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber zur Beschaffung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen von der Bekanntmachung bis zur Zuschlagserteilung. Er ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen und und referiert regelmäßig zu vergaberechtlichen Themen. Herr Schröder ist Lehrbeauftragter für Vergaberecht an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und ständiges Mitglied im gemeinsamen Prüfungsausschuss "Fachanwalt für Vergaberecht" der Rechtsanwaltskammern Nürnberg und Bamberg.

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