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2. Deutscher Vergabetag 2015: “Open-House-Verfahren auf dem Prüfstand – Arznei- und Hilfsmittelbeschaffung zwingend nach EU-Vergaberecht?”

Am 15. und 16. Oktober 2015 findet in Berlin der zweite deutsche Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) statt. In insgesamt 12 Workshops werden relevante und aktuelle Beschaffungsthemen durch namhafte Experten aufbereitet und Hilfestellungen für die Beschaffungspraxis gegeben. Im Vorfeld des Kongresses möchten wir Ihnen einzelne Workshops vorstellen. Heute der Workshop C.4: Open-House-Verfahren auf dem Prüfstand – Arznei- und Hilfsmittelbeschaffung zwingend nach EU-Vergaberecht.

Gesetzliche Krankenversicherungen und Leistungserbringer blicken gespannt in Richtung Luxemburg. Der EuGH wird sich hier zeitnah zur vergaberechtlichen Einordnung des Open-House- bzw. Zulassungsverfahrens positionieren.

Urteil mit gewichtigen Folgen

In der Praxis der gesetzlichen Krankenversicherungen wird der Abschluss von Arzneimittelrabatt- und Hilfsmittelverträgen regelmäßig im Wege eines Zulassungsverfahrens durchgeführt. Es sprechen indes valide Gründe dafür, dass derartige Verträge dem europäischen Vergaberecht unterfallen.

Das OLG Düsseldorf hat dem EuGH mit Beschluss vom 13. August 2014 die Frage vorgelegt, ob Zulassungsverfahren nach § 130a Abs. 8 SGB V mit Europäischem Recht vereinbar sind (VII-Verg 13/14). Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Vereinbarung von Arzneimittelrabatt- und mittelbar auch für Hilfsmittelvereinbarungen gemäß § 127 SGB V haben. Im Anschluss an sein obiter dictum in den Beschlüssen vom 11. Januar 2012 hat der Vergabesenat – in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung zu Dienstleistungskonzessionen (C-206/08) – alternative Voraussetzungen benannt, anhand derer die Zulässigkeit des Open-House-Verfahrens künftig festgemacht werden könnte.

Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf hält es danach für zumindest nicht ausgeschlossen, dass Auftragsvergaben in Zulassungsverfahren („Open-House-Modell“) nicht dem Vergaberecht unterfallen. Dem EU-Recht könne nicht entnommen werden, dass Aufträge zwingend nur in Form öffentlicher Aufträge zu vergeben sind. Zu beachten sei ferner die bereits in Kraft getretene jedoch noch nicht umgesetzte EU-Vergaberichtlinie. Erwägungsgrund 4, Unterabsatz 2 Richtlinie 2014/24/EU sieht vor, dass „[…] Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe in der Regel nicht für […] Fälle [gelten sollen], in denen alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe – ohne irgendeine Selektivität – berechtigt sind […].“

Die Vergabekammern des Bundes vertreten dementgegen die Auffassung, dass eine vom öffentlichen Auftraggeber zu treffende Auswahlentscheidung kein Tatbestandsmerkmal, sondern EU‑rechtlich gebotene Rechtsfolge eines öffentlichen Auftrags sei. Der Umstand, dass ein öffentlicher Auftraggeber auf eine Auswahl verzichte, indem er Arzneimittelrabattverträge mit sämtlichen Interessenten abschließen wolle, die die vorgegebenen Bedingungen akzeptierten, nehme dem Vertrag nicht den Charakter eines ausschreibungspflichtigen öffentlichen Rahmenvertrags. Eine derartige Auswahlentscheidung sei vielmehr Folge einer Vergabe im Wettbewerb. Anderenfalls werde der Begriff des öffentlichen Auftrags über die europarechtlichen Vorgaben hinaus in unzulässiger Weise eingeschränkt. Der öffentliche Auftraggeber habe keine Wahl, wie er bei der Beschaffung von Waren vorgehe, er sei vielmehr ausnahmslos zur Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens verpflichtet(1. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 20. Februar 2014, VK 1 – 4/14).

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Inhalt des Workshops

Im Rahmen des Workshops soll zunächst der aktuelle Verfahrensstand dargestellt werden. Hierbei werden unterschiedliche Szenarien abgebildet. Je nachdem, wie der EuGH entscheiden wird, unterfallen künftig nicht nur Arzneimittelrabatt- sondern nach Auffassung von Sebastian Schnitzler auch Hilfsmittelverträge dem EU-Vergaberecht. Neben den rechtlichen Aspekten soll auch dargestellt werden, weshalb das Vergaberecht aus Warte eines Leistungserbringers die effizientere und wettbewerblich gerechtere Beschaffungsalternative darstellt.

Dozenten:
Sebastian Schnitzler, LL.M., Rechtsanwalt im Kartell- und Vergaberecht bei Deloitte Legal in Hamburg.
Mario Kocera, Geschäftsführer der MAKO Sanitätshandel GmbH.

Das vollständige Programm und die Anmeldemöglichkeit zum 2. Deutschen Vergabetag finden Sie hier [1].

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