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Bauleistungen

Auftraggeber durfte zulässigerweise einen schwimmfähigen Bagger verlangen (VK Bund, Beschl. v. 09.02.2016 – VK 1 – 130/15)

EntscheidungZur Abgrenzung von Hauptangeboten und Nebenangeboten sowie zum Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers. Weicht ein Angebot von einer technischen Spezifikation ab, kann es sich gleichwohl um ein zulässiges Hauptangebot handeln, wenn es mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist.

§ 7 EG Abs. 8 VOB/A 2012, § 13 EG Abs. 2 Satz 1 VOB/A 2012

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb europaweit Bodenverdichtungsmaßnahmen im Uferbereich eines Sees aus (sog. wasserseitige Rütteldruckverdichtungsarbeiten). Im Uferbereich dieses Sees war es zuvor zu Böschungsabbrüchen gekommen. Es sollten daher zwingend schwimmende Amphibienbagger zum Einsatz kommen, damit die Verdichtungsarbeiten schwimmend aus dem Wasser heraus durchgeführt werden konnten. Zum Nachweis der Schwimmfähigkeit der einzusetzenden amphibischen Bagger mussten die Bieter eine Schiffszulassung vorlegen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass bei Böschungsabbrüchen während des Betriebs keine Gefahr für den Bagger besteht. Nebenangebote waren nicht zugelassen.

Der bestplatzierte Bieter hatte lediglich ein Angebot für den Einsatz eines nicht schwimmenden Baggers eingereicht, für den entsprechend auch keine Schiffzulassung bestand. Sein Angebot sollte daher ausgeschlossen werden. Gegen diesen Ausschluss hat der Bieter sich gewehrt und u.a. argumentiert, dass ein Schwimmbagger nur von einem einzigen Unternehmen angeboten werden könne und mit der Leistungsbeschreibung daher der Wettbewerb unzulässig eingeschränkt worden sei. Ein Abrutschen des von ihm angebotenen Baggers sei außerdem praktisch ausgeschlossen, weil er zuvor den Boden im Uferbereich so verdichten werde, dass eine Art Damm entstehe. Sein Angebot sei daher jedenfalls gleichwertig.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer hat den Angebotsausschluss als rechtmäßig angesehen. Unklar war allerdings, ob das Angebot des auszuschließenden Bieters als Nebenangebot oder als Hauptangebot zu qualifizieren war. Wäre es als Nebenangebot zu qualifizieren, wäre es sicher auszuschließen gewesen, da Nebenangebote nicht zugelassen waren.

Die Vergabekammer hat aber erwogen, ob das Erfordernis einer Schiffszulassung eine technische Spezifikation im Sinne von § 7 EG Abs. 8 VOB/A 2012 darstellte. Wäre das der Fall, wäre die Abweichung nach § 13 EG Abs. 2 VOB/A 2012 zulässig, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist. Ein solches Angebot wäre dann ein zulässiges Hauptangebot, da die Abweichung von technischen Spezifikationen per se vergaberechtlich zulässig sei. Die Vergabekammer kam aber zu dem Ergebnis, dass jedenfalls die notwendige Gleichwertigkeit nicht gegeben sei. Denn im Fall eines Abrutschens des nicht schwimmfähigen Baggers verbleibe ein Sicherheitsrisiko für Gerät und Bedienpersonal. Die Forderung einer Schiffszulassung sei auch nicht unzulässig gewesen, sondern bewege sich innerhalb des Bestimmungsrechts des Auftraggebers. Bei der Erteilung einer Schiffszulassung werde zwar nicht die Situation eines Geländeabrutschens geprüft. Es stelle aber gleichwohl einen nachvollziehbaren objektiven und auftragsbezogenen Grund dar, wenn der Auftraggeber mit der Schiffszulassung, die ja immerhin die Schwimmfähigkeit gewährleiste, zumindest eine gewisse Risikoverringerung erreichen wolle.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung zeigt anschaulich, wie viel Freiheit den Auftraggebern bei der Festlegung der Leistungsbeschreibung mittlerweile zugebilligt wird. Hat ein Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe für eine bestimmte Anforderung an die Leistung, so ist eine damit einhergehende Beschränkung der Anbieter hinzunehmen, auch wenn diese so weit geht, dass im Ergebnis nur ein Hersteller in der Lage ist, die Anforderungen zu erfüllen.

Relevant ist die Entscheidung aber vor allem deshalb, weil sie zeigt, wie wichtig die Abgrenzung von Hauptangeboten und Nebenangeboten in der Praxis sein kann. Die Abweichung von technischen Spezifikationen führt nicht zwangsläufig zum Vorliegen eines Nebenangebots. Bieter können vielmehr grundsätzlich von technischen Spezifikationen abweichen, soweit die angebotene Leistung mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist (§ 13 EG Abs. 2 VOB/A 2012). Nur wenn diese Gleichwertigkeit nicht besteht, liegt begrifflich ein Nebenangebot vor.

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Praxistipp

Auftraggeber sollten sich noch einmal vergegenwärtigen, was unter technischen Spezifikationen zu verstehen ist. Die neue VOB/A 2016 listet diese in ihrem Anhang TS auf. Es spricht einiges dafür, dass das Erfordernis einer Schiffzulassung hier tatsächlich eine technische Spezifikation darstellte. Will ein Bieter von einer technischen Spezifikation abweichen, muss er in seinem Angebot nachweisen, dass seine Leistung mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist. Er muss seinem Angebot also mindestens entsprechende Unterlagen beilegen, aus denen sich die Gleichwertigkeit ergibt.

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Über Dr. Michael Sitsen

Dr. Michael Sitsen ist Rechtsanwalt bei Orth Kluth Rechtsanwälte in Düsseldorf und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er berät und begleitet seit vielen Jahren Auftraggeber und Bieter bei Ausschreibungen aller Art. Neben dem Vergaberecht gehört auch das Beihilfenrecht zu seinen Beratungsschwerpunkten. Er hält Schulungen zum Vergaberecht, u.a. für den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. Vor seiner anwaltlichen Tätigkeit war er mehrere Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter des bekannten Vergaberechtlers Prof. Dr. Jost Pietzcker in Bonn.

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