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„Die Paragrafen haben sich verdoppelt“ – Fachtagung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds

Das neue Vergaberecht ist komplexer und stellt keine Vereinfachung dar. Auf diesen kurzen Nenner brachte es Norbert Portz, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), bei der Fachtagung „Das neue Vergaberecht 2016“ in Nürnberg.

„Die Paragrafen haben sich verdoppelt“, so Portz bei dem Kongress, den der DStGB gemeinsam mit dem Bayerischen Gemeindetag veranstaltete.

So sei es schon schwierig, wenn eine Kommune mehrere Schulen oder Kindertagesstätten auf einmal baut, festzustellen, welche Planungsleistungen ausgeschrieben werden müssen und welche nicht. Nur „gleichartige“ Leistungen sind Portz zufolge davon betroffen. So unterscheide sich zum Beispiel die Tragwerks- von der Objektplanung signifikant. Darum sei nicht von einer Gleichartigkeit auszugehen. Man müsse beide Planungsleistungen also nicht zusammenaddieren und könne so, je nach Volumen, unterhalb des EU-Schwellenwertes bleiben. Allerdings sei in der Stadt Elze ein derartiges Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Die EU habe die niedersächsische Kommune wegen einer Schwimmbadsanierung in genau diesem Sachverhalt am 11. Dezember 2015 verklagt. „Das wird wohl vor dem Europäischen Gerichtshof landen“, orakelte Portz.

Kostenloser Zugang für alle Bieter

Klarer liegen die Dinge bei der E-Vergabe. Es ist Portz zufolge laut dem neuen Vergaberecht ein offener kostenloser Zugang für alle Bieter einzurichten. „Ich empfehle aber eine freiwillige Registrierung der Bieter zu ermöglichen, damit die Unternehmer immer laufend informiert sind, wenn es zu eventuellen Änderungen beim Vergabeverfahren kommt.“ Dies und mehr Serviceleistungen bietet zum Beispiel die E-Vergabeplattform des Verlags Bayerische Staatszeitung GmbH unter www.staatsanzeiger-eservices.de

Eine Erleichterung für Kommunen hat Portz in der interkommunalen Zusammenarbeit ausgemacht. So müsse nicht ausgeschrieben werden, wenn sich mehrere Städte und Gemeinden zusammentun und als sogenannte zentrale Beschaffungsplattform auftreten.

Eine weitere Neuerung ergibt sich Portz zufolge im Zusammenhang mit der Erstellung von Leistungsverzeichnissen. Diese übernimmt für viele Kommunen oftmals ein externes Ingenieurbüro, weil das entsprechende Know-how in der Kommune nicht verfügbar ist. Bisher musste dieses Ingenieurbüro vom dann folgenden Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. „Das ist jetzt nicht mehr so. Der Projektant ist nicht mehr zwingend auszuschließen“, so Portz. Voraussetzung hierfür sei aber, dass die Kommune alle an der Ausschreibung teilnehmenden Bieter auf den gleichen Informationsstand bringt. Denn der Projektant dürfe keinen Wissensvorsprung haben.

Lokale Wirtschaft fördern

Auch die Förderung der lokalen Wirtschaft sei leichter. So könne man zum Beispiel durchaus bei den Qualitätsmerkmalen in der Leistungsbeschreibung „einheimisches Holz, 14 Zentimeter dick“ verlangen. „Damit haben sie auswärtige Bieter sofort ausgeschlossen“, so Portz. Denn dies sei ein eindeutiges K.-o.-Kriterium. Wenn das einheimische Holz erst in der Wertungsphase berücksichtigt würde, sei die Förderung der heimischen Lieferanten wesentlich schwerer. Denn in die Wertung fließen Portz zufolge mehrere Kriterien, unter anderem der Preis als oftmals wichtigstes Kriterium ein. Neu ist Portz zufolge auch, dass Nebenangebote zugelassen sind, selbst wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist.

Die Qualität des Personals könne ebenfalls ein Zuschlagskriterium sein, so Portz. Auf diese Weise könne man sich neben der eigentlichen Architektenleistung auch entsprechende vorherige Beratung einkaufen.
Während der Vertragslaufzeit nicht neu ausschreiben muss eine Kommune Portz zufolge zum Beispiel, wenn der Dachdecker beim Verlegen neuer Ziegel feststellt, dass die Dachsparren kaputt sind. Gleiches gelte, wenn das beauftragte Unternehmen Müller vom Unternehmen Maier übernommen wird. Auch bei Artenschutzfällen, sei nicht neu auszuschreiben. „Wenn also die kleine Hufeisenschnecke an der Stelle heimisch ist, wo die neue Brücke errichtet werden soll, muss für den Brückenersatzstandort einen Kilometer weiter nicht neu ausgeschrieben werden“, so Portz.

Quelle: Bayerische Staatszeitung

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