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Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Erledigung in sonstiger Weise (VK Rheinland Pfalz, Beschl. v. 31.05.2016 – VK2-7/16)

EntscheidungDer Antragsteller hat im Falle der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ein Forstsetzungsfeststellungsinteresse, wenn der Nachprüfungsantrag ursprünglich zulässig und begründet war. Läuft während eines Nachprüfungsverfahrens die Bindefrist für das Angebot der für den Zuschlag vorgesehenen Beigeladenen ab, erledigt sich das Nachprüfungsverfahren in sonstiger Weise. Es ist dann auf Antrag noch über die Kostentragungspflicht der Anwaltskosten zu entscheiden, wenn der Nachprüfungsantrag ohne Erledigung erfolgreich gewesen wäre.

§ 128 GWB aF.§ 114 GWB aF

Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb in einem offenen Verfahren die Vermarktung der Fraktion Papier, Pappe und Kartonagen aus. Da sie an der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Zuverlässigkeit des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens und späteren Beigeladenen  Zweifel hatte, führte sie ein Aufklärungsgespräch durch. In diesem konnten die Zweifel der Vergabestelle beseitigt werden.

Gegen die beabsichtigte Zuschlagentscheidung wandte sich nach entsprechende Rüge der zweitplatzierte Bieter.

Die von der Vergabestelle getroffene Zuschlagentscheidung hielt die Vergabekammer für ermessensfehlerfrei. So hatte die Vergabestelle unter anderem eine Bankerklärung gefordert und die Beigeladenen hierzu eine Bank-an-Bank-Auskunft vorgelegt.

Jedoch stellte sich am Ende der mündlichen Verhandlung heraus, dass die Beigeladenen in dem Aufklärungsgespräch falsche Angaben gemacht hat.

Da die Bindefrist abzulaufen drohte, bat die Vergabestelle die Antragstellerin und die Beigeladenen um eine entsprechende Verlängerung. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der mündlichen Verhandlung lehnte die Beigeladene eine Verlängerung der Bindefrist ab.

Vergabestelle und Antragstellerin erklärten daraufhin die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens. Die Antragstellerin beantragte sodann, der Vergabestelle die ihr entstandenen Anwaltskosten aufzugeben.

Die Vergabestelle trug unter Hinweis auf die Entscheidung der VK Saarland, Beschl. v. 24.02.2014 – 3 VK 01/2013 vor, dass die Antragstellerin mit keiner ihrer Rüge durchgedrungen sei und daher keine Erstattungspflicht bestehe.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer legt die Anwaltskosten der Antragstellerin jeweils zur Hälfte der Vergabestelle und der Beigeladenen auf. Die Vergabekammer stellt zunächst klar, dass eine Kostenerstattung nicht auf § 128 Abs. 4 GWB a.F. gestützt werden könne. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin sei aber anerkennenswert, da nur er geeignet sei, eine aus Sicht der Vergabekammer unbillige Kostenfolge aus § 128 Abs. 4 GWB a.F. zu vermeiden. Die hälftige Kostentragungspflicht leitet die Vergabekammer aus einem identischen Rechtsschutzziel von Vergabestelle und Beigeladenen ab.

Die Rüge der Antragstellerin, wonach eine Bank-an-Bank-Auskunft keine Bankerklärung sei, hat die Vergabekammer zurückgewiesen. Dabei kam es ihr entscheidend darauf an, dass in der Auskunft der Bank erklärt war, dass diese zur Vorlage in einem Vergabeverfahren dient.

Rechtliche Würdigung

Für die Vergabestelle ist diese Entscheidung natürlich ärgerlich. Sie hat alles richtig gemacht und trotzdem das Nachprüfungsverfahren verloren und muss der Antragstellerin auch noch die Hälfte der ihr entstandenen Anwaltskosten ersetzen. Andererseits ist die Antragstellerin mit ihrem Rechtsschutzziel durchgedrungen. So gesehen kann man die Entscheidung der Vergabekammer verstehen. Man hätte es allerdings auch mit der VK Saarland, aaO. halten können, die für einen prozessualen Erstattungsanspruch im Falle einer „anderweitigen Erledigung“ keine Anspruchsgrundlage sieht.

3DVT-450-160 [1]

Praxistipp

Für die Vergabepraxis ist alleine die Aussage interessant, dass eine Bankerklärung auch auf einem Formular abgegeben werden kann, dass eigentlich für Auskünfte zwischen Banken vorgesehen ist. Der Entscheidung der Vergabekammer ist nicht zu entnehmen, ob der vorliegend enthaltenen Zusatz, dass die Erklärung zur Vorlage in einem Vergabeverfahren erstellt wurde, entscheidend ist. Es empfiehlt sich daher der Hinweis in der Veröffentlichung und den Vergabeunterlagen, dass eine Bankerklärung auch in Form einer Bank-an-Bank-Auskunft erbracht werden kann.

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Über Martin Adams, Mag. rer. publ. [2]

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte [3], Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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