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Bauleistungen

Bedarfs- oder Alternativposition? Auftraggeber muss sich eindeutig festlegen! (VK Bund, Beschl. v. 23.02.2017 – VK 1-11/17)

EntscheidungBedarfsposition, Eventualposition, Wahlposition oder Alternativposition worin liegt der Unterschied? Viele öffentliche Auftraggeber verwenden die Begriffe relativ unbedarft und messen dieser Frage wenig Bedeutung bei. Wie eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer des Bundes zeigt, kann genau das aber ziemlich riskant sein.

GWB § 97 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1, § 160 Abs. 3

Leitsatz (nicht amtlich)

  1. Sog. „Bedarfs-“ bzw. „Eventualpositionen“ sind Leistungen, bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung der Leistungsbeschreibung noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie überhaupt zur Ausführung kommen sollen. Solche Positionen enthalten nur eine im Bedarfsfall erforderliche Leistung, über deren Ausführung erst nach Auftragserteilung und nicht bereits bei Erteilung des Zuschlags entschieden wird.
  2. Demgegenüber handelt es sich bei sog. „Alternativ-“ bzw. „Wahlpositionen“ um Leistungspositionen, bei denen sich der Auftraggeber noch nicht auf eine bestimmte Art der Leistungserbringung festgelegt hat, sondern mehrere Alternativen ausschreibt, von denen er nach Kenntnisnahme der Angebotsinhalte eine Alternative für den Zuschlag auswählt.
  3. Da sich der Unterschied zwischen „Bedarfs-“ bzw. „Eventualpositionen“ und „Alternativ-“ bzw. „Wahlpositionen“ auf die Kalkulation der Angebote auswirken kann, gebietet es der Grundsatz der Transparenz und der Bestimmtheit der Leistungsbeschreibung, dass der öffentliche Auftraggeber den Bietern eindeutig mitteilt, was für Positionen er ausschreibt.
  4. Zu einer die Rügeobliegenheit auslösenden Erkennbarkeit gehört, dass der Bieter aus den erkannten Tatsachen zumindest laienhaft die rechtliche Wertung zieht, dass das betreffende Verhalten des öffentlichen Auftraggebers vergaberechtswidrig ist.
  5. Die vergaberechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit von Alternativ- oder Bedarfspositionen zählen nicht zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise.

Sachverhalt

Bei der Vergabe der Umgestaltung eines Omnibusbahnhofs war das einzige Zuschlagskriterium der Preis. Die Baubeschreibung enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass keine Bedarfspositionen vorgesehen seien. Dennoch enthielt die Leistungsbeschreibung an verschiedenen Stellen ausdrücklich als solches bezeichnete Bedarfspositionen. Für die Wetterschutzdächer sah die Leistungsbeschreibung als Bedarfsposition an einer Stelle eine Ausführung in der qualitativ besonders hochwertigen Sichtbetonklasse SB 4 vor. An einer anderen Stelle sah sie für dieselbe Fläche eine Ausführung in der geringwertigeren Sichtbetonklasse SB 1 vor, auch dies ausdrücklich als Bedarfsposition. Submittiert und gewertet wurde aber nur die Ausführung in SB 4.

Der Zweitplatzierte hätte jedoch auf Rang 1 gelegen, wenn allein Ausführung in SB 1 berücksichtigt worden wäre. Er griff daher die Wertungsentscheidung an.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer des Bundes untersagte nicht nur den Zuschlag, sondern verpflichtete die beiden Auftraggeber darüber hinaus auch, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und die Vergabeunterlagen zu überarbeiten.

Unklarer rechtlicher Charakter der Bedarfspositionen verstößt gegen Transparenzgebot

Der Vergabekammer zufolge lag nämlich ein Verstoß gegen das Transparenzgebot darin, dass die Leistungsbeschreibung nicht hinreichend klar erkennen ließ, welchen rechtlichen Charakter die in der Leistungsbeschreibung enthaltenen Bedarfspositionen tatsächlich haben sollten.

Eine Bezeichnung als Bedarfsposition (oder auch als Eventualposition) wäre nur dann zutreffend gewesen, wenn die Auftraggeber erst nach Auftragserteilung darüber hätten entscheiden wollen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Positionen jeweils zur Ausführung kommen sollten. Hier aber war die Entscheidung offenbar schon mit dem Zuschlag für die allein submittierte und gewertete – Ausführung in SB 4 gefallen. Dies sprach eher für eine Einordnung als sog. Alternativ oder Wahlpositionen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass Auftraggeber regelmäßig schon bei Zuschlag über die konkrete Ausführungsalternative entscheiden. Zudem schloss die Baubeschreibung ja auch ausdrücklich Bedarfspositionen aus.

Allerdings zeigte sich im Nachprüfungsverfahren, dass sich die Auftraggeber auch untereinander über die Bedeutung der Positionen nicht einig waren. Während einer der Meinung war, dass die Ausführung in SB 4 die beauftragte Grundposition und die Ausführung in SB 1 die mögliche Alternative sein sollte, ging der andere davon aus, dass man sich in einer Bieterauskunft schon auf die alleinige Ausführung in SB 4 festgelegt habe.

Die Vergabekammer hielt es schließlich als weitere Auslegungsvariante – für möglich, dass die beiden Positionen tatsächlich als Bedarfspositionen zu der als solches bezeichneten Grundposition der Deckenschalung der Wetterschutzdächer gedacht waren, und dass diese beiden Bedarfspositionen wiederum zueinander in einem Alternativverhältnis stehen sollten.

In Anbetracht dieser Unklarheiten genügte die Leistungsbeschreibung jedenfalls nicht mehr den vergaberechtlichen Transparenzanforderungen.

Vergaberechtliche Anforderungen an Wahlpositionen nicht beachtet

Im Übrigen wären die vergaberechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung als Wahl- bzw. Alternativpositionen auch nicht erfüllt gewesen.

In Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung stellte die Vergabekammer insbesondere klar, dass die Auftraggeber den Bietern vorab klare Kriterien für die Entscheidung zwischen den beiden Wahlpositionen hätten bekannt geben müssen. Daran fehlte es aber. Zwar ließ die Baubeschreibung erkennen, dass die Auftraggeber ein optisch ansprechendes Erscheinungsbild bevorzugten. Auch war für die Ausführung in SB 4 neben dem Einheitspreis auch ein Gesamtbetrag anzugeben und Musterflächen herzustellen. All dies waren jedoch lediglich unzureichende Indizien für die gewünschte Ausführung. Die Bieter konnten daran allerdings noch nicht das für die Auftraggeber letztlich entscheidende Auswahlkriterium erkennen. Vorliegend sollte dies das verfügbare Budget sein. Insbesondere, da allein der Preis als Zuschlagskriterium benannt worden war, mussten die Bieter aber nicht damit rechnen, dass die Auftraggeber auch bereit waren, die grundsätzlich teurere Ausführung in SB 4 zu beauftragen, solange diese nur innerhalb des Budgetrahmens lag.

Rechtliche Würdigung

Die Begriffe Bedarfs- bzw. Eventualposition und Alternativ- bzw. Wahlposition sind bislang nicht gesetzlich definiert. Auch § 7 Abs. 1 Nr. 4 (EU) VOB/A regelt bislang nur, dass Bedarfspositionen grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden sollen. Im Wesentlichen ergeben sich daher Inhalt und Grenzen einer zulässigen Ausschreibung mit Wahl oder Bedarfspositionen aus Rechtsprechung und Literatur, an die die Vergabekammer des Bundes hier anknüpft.

Praxistipp

In der Praxis sind sich viele öffentliche Auftraggeber über die vergaberechtlichen Anforderungen an Bedarfs- und Wahlpositionen nicht im Klaren und gehen vermeidbare Risiken ein. Dabei sind im Einzelfall oft auch zielführendere Gestaltungen möglich, die ohne Bedarfs- und Wahlpositionen auskommen, wie etwa im Rahmen funktional gestalteter Leistungsbeschreibungen (vgl. zum Erfordernis produktneutraler Gestaltung auch OLG München, Beschl. v. 22.10.2015, Az.: Verg 5/15), Preisobergrenzen oder nach neuem Recht explizit zugelassener Festpreisausschreibungen.

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Über Dr. Valeska Pfarr, MLE

Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.

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