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Bonn: Bieter legt Vergabe von Rettungsdiensten lahm

RettungswagenBei der Neuausschreibung von Rettungsdienstleistungen in der Stadt Bonn gibt es Ärger. Die Schuld daran geben die Bonner Stadtväter dem Unternehmen Falck aus Hamburg, nach eigener Aussage  das größte, private Rettungsdienstunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Dieses blockiere die Neuvergabe der Rettungsdienstleistungen immer wieder durch vergaberechtliche Nachprüfungsanträge.

Dänischer Branchenriese expandiert in Deutschland

Das in Dänemark gegründete und ansässige Unternehmen ist seit 2010 mit Tochterfirmen in Deutschland aktiv und hat rund 2500 Mitarbeiter an 65 Standorten in acht Bundesländern. Zum Jahresende 2017 laufen in Bonn die Verträge mit den bisher beteiligten  vier Hilfsorganisationen Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Malteser, Johanniter und Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) aus. Bisher stellen diese  Hilfsorganisationen den Großteil der Rettungsteams in Bonn. Das sollte nach dem Willen des Bonner Stadtrates auch so bleiben. Daher schrieb die Stadt die vier Lose für die Feuerwachen Bonn, Beuel, Godesberg und Hardtberg (jeweils Rettungsdienst und Krankentransporte) zum 01.01.2018 nicht europaweit aus, sondern machte eine sogenannte “Bereichsausnahme” geltend (mehr dazu hier im Vergabeblog).

Bereichsausnahme umstritten

Diese  ergibt sich seit der Vergaberechtsreform 2016 aus dem GWB und erlaubt, bestimmte Aufträge ohne Ausschreibung direkt zu vergeben. Allerdings ist umstritten, ob die Bereichsausnahme für den Rettungsdienst gilt: § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB gestattet zwar eine Direktvergabe an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen – jedoch ausdrücklich nur für „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr“, die unter bestimmte CPV-Nummern fallen. Ob dies auch für Leistungen des alltäglichen Rettungsdienstes gilt, so die Position der Hilfsorganisationen, muss nun der EuGH klären. Dorthin hat Falck nämlich den ähnlich gelagerten Streitfall mit der Stadt Solingen gebracht. Die VK Rheinland (Düsseldorf) hatte im Solinger Fall die Wirksamkeit der Bereichsausnahme für Rettungsdienste bestätigt (siehe dazu Kieselmann in ). Der EuGH hat bislang noch nicht in der Sache entschieden.

Falck schaltet Vergabekammer ein

Der Falck-Konzern wollte gerne auch in Bonn Rettungsdienstleistungen erbringen und schaltete deshalb erneut die Vergabekammer Rheinland (Köln) ein. Die Vergabekammer stoppte im Nachprüfungsverfahren die geplante Direktvergabe (Az. VK VOL 21/17) und legte das Verfahren zunächst auf Eis bis der Europäische Gerichtshof entschieden habe. Den Antrag der Stadt, das Zuschlagsverbot für die Hilfsorganisationen aufzuheben, wies die Vergabekammer ab. Die Wettbewerbswächter wiesen u.a. darauf hin, dass Bonn den Rettungsdienst für eine Übergangszeit bis zum EuGH-Beschluss ja interimsmäßig ausschreiben könne, so wie es andere Kommunen getan hätten. Eine solche „Interimsvergabe“ müsse aber für alle Interessenten, so auch auch Falck, offenstehen. Im benachbarten Köln, wo man zunächst ebenfalls auf die Bereichsausnahme gepocht hatte, ist der Konzern deshalb seit Oktober in den Rettungsdienst eingebunden (siehe hier).

Dieser Weg wäre auch in Bonn möglich. Doch dort wollte man offenbar die Bereichsausnahme mit aller Macht durchsetzen. Gegen den Rat von Vergaberechtsexperten beschlossen die Fraktionen im Bonner Stadtrat wiederum eine Vergabe als Bereichsausnahme, woraufhin das Unternehmen Falck erneut einen Nachprüfungsantrag stellte und damit auch Erfolg hatte  (mehr hier).

Interimsvergabe bis zur Entscheidung

Zwischenzeitlich wurde ein Interimsvergabeverfahren initiiert, an dem auch das dänische Unternehmen teilnehmen durfte. Doch Falck rief am 13.11. erneut die Vergabekammer an. Die Rahmenbedingungen seien derart aufgestellt, dass ein Dienstleister, der neu am Ort sei, sie in der Kürze der Zeit nicht erfüllen könne. Falck rügt zudem die fehlende EU-weite Bekanntmachung, eine rechtswidrige Fristsetzung und – mit Blick auf die genannten Hilfsorganisationen – „wettbewerbswidrige Absprachen sowie Interessenkonflikte“.
Bis die Vergabekammer eine Entscheidung trifft, ruht das Vergabeverfahren. Die Stadt Bonn will nun die Verträge mit den Hilfsorganisationen den Vernehmen nach zumindest bis März 2018 verlängern.

Hinweis der Redaktion: Zum Thema Bereichsausnahme für den Rettungsdienst wurde im Mitgliederbereich des DVNW Fachausschuss Politik und Markt eine neue Diskussion von Herrn Michael Pilarski eröffnet. Noch kein Mitglied? Zur Mitgliedschaft geht es hier.

Quellen: General-Anzeiger Bonn, S+K Verlag für Notfallmedizin, Falck-Unternehmensgruppe

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3 Kommentare

  1. Dr. Andreas Staufer

    In einem Rechtsstaat hat jeder das von der Verfassung geschützte Recht, die Gerichte anzurufen. Dies muss erst recht gelten, wenn eine Rechtsfrage wie die Bereichsausnahme juristisch und politisch umstritten und höchsgerichtlich ungeklärt ist. Schuldzuweisungen sind in diesem Fall fehl am Platz. Zu diskutieren wäre vielmehr die Frage, weshalb sich der Rat der Stadt gegen eine europaweite Ausschreibung entschieden hat – entgegen der Warnungen vor den jetzt eingetretenen Folgen. Man sollte auf beiden Seiten das Wort Schuld vermeiden, sondern die Wahl des Vorgehens kritisch hinterfragen. Dann kann man künftig Verbesserungen im Rettungswesen erzielen.

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  2. Thomas Vetter

    Die von Ihnen angesprochenen – differenzierenden – Punkte bringt der Beitrag mE auch zum Ausdruck und schlägt sich insoweit nicht „auf eine Seite“. Aber Sie haben Recht: Direkte Schuldzuweisungen sind nicht angezeigt, zumal und solange noch nicht in der Sache entschieden ist. Ich habe daher den Einleitungssatz abgeändert.

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  3. Leser

    Die Überschrift enthält m. E. immer noch einen latenten Vorwurf.

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