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Keine Nachbesserung von Eignungsnachweisen im Vergabeverfahren

Recht [1]Die Festlegung der im Rahmen eines Vergabeverfahrens geforderten Eignungsnachweise ist – neben der Bestimmung der Zuschlagskriterien – die wichtigste verfahrensleitende Entscheidung öffentlicher Auftraggeber. Im Kontext der Eignungsprüfung sind öffentliche Auftraggeber nach § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV berechtigt, fehlende oder unvollständige Unterlagen, offensichtliche Schreibfehler oder unklare oder widersprüchliche Angaben in Teilnahmeanträgen oder Angeboten nachzufordern, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Nach einer aktuellen Entscheidung der Vergabekammer Thüringen ist das Nachreichen und Nachfordern von „besseren“ Eignungsnachweisen jedoch nicht von § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV gedeckt und widerspricht dem Grundsatz der Bietergleichbehandlung, unter dessen Vorbehalt § 56 Abs. 2 VgV ausdrücklich steht (Beschl. v. 20.09.2017 – 250-4004-6659/2017-E-034-WE).

VgV 2016, § 56 Abs. 2

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Planungsleistungen für eine Küchenplanung im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Von den Bewerbern war im Teilnahmeantrag ein Projektleiter mit der Berufsqualifikation „Ingenieur“ zu benennen. Das für den Zuschlag vorgesehene Planungsbüro benannte im Teilnahmeantrag einen Projektleiter und einen stellvertretenden Projektleiter. Der als Projektleiter vorgesehene Mitarbeiter verfügte über eine Berufsausbildung als Koch, der Stellvertreter über eine Qualifikation als Diplom-Ingenieur. Nach Beanstandung der beabsichtigten Vergabe durch einen Wettbewerber wurde die Wiederholung der Eignungsprüfung durch das zuständige Ministerium angeordnet, da der angegebene Projektleiter nicht über die erforderliche Eignung verfüge. Das Planungsbüro gab nunmehr den ursprünglich als stellvertretenden Projektleiter vorgesehenen Mitarbeiter als Projektleiter an. Dieses Vorgehen wurde von dem Wettbewerber im Rahmen des der Entscheidung der Vergabekammer zugrunde liegenden Nachprüfungsantrags als „unzulässiges Nachverhandeln“ beanstandet.

Entscheidung

Die VK Thüringen entschied, dass der Austausch des Projektleiters in der vorliegenden Fallkonstellation unzulässig war. Die nachträgliche Erbringung von Eignungsnachweisen sei nicht von § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV gedeckt. Vielmehr bestünde für die Bewerber nach Ablauf der Teilnahmefrist grundsätzlich eine Bindung an den Inhalt ihres Teilnahmeantrags. Der Austausch einzelner Eignungsnachweise nach Ablauf der Teilnahme- oder Angebotsfrist stelle eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechende inhaltliche Nachbesserung des Teilnahmeantrags beziehungsweise des Angebots dar. Darüber hinaus war die Kammer der Überzeugung, dass durch die nachträgliche Änderung einmal abgegebener Erklärungen ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten entstehe.

Die Nachforderungsmöglichkeit des § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV diene lediglich dazu, „überspitzte Förmeleien“ zu beseitigen und das bloße Vergessen einer Unterlage, offensichtliche Schreibfehler oder widersprüchliche Angaben im Rahmen eines Teilnahmeantrags oder eines Angebots nicht mehr mit dem Ausschluss zu bestrafen.

Praxistipp

Die Thematik der Nachforderung oder Vervollständigung von Unterlagen hat immense Praxisrelevanz. Für öffentliche Auftraggeber gilt es zu beachten, dass ein Austausch oder ein inhaltliches Nachbessern von Unterlagen nach Ablauf der Teilnahme- oder Angebotsfrist unzulässig ist. Dementsprechend dürfen von einem Auftraggeber auch keine „besseren“ oder anderen Eignungsnachweise nachgefordert werden.

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Über Dr. Martin Ott [2]

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte [3], Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) [4].

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[3] Menold Bezler Rechtsanwälte: http://www.menoldbezler.de

[4] Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW): http://www.dvnw.de/

[5] Profil im DVNW: http://www.dvnw.de/mitglied/martin-ott/

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