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Bauleistungen

Schriftliche Angebote = eigenhändig unterschriebene Angebote! Ohne Ausnahme! (VK Bund, Beschl. v. 17.01.2018, VK 2 – 154/17)

EntscheidungFotokopierte oder eingescannte Unterschriften sind keine eigenhändigen Unterschriften und erfüllen nicht die Schriftform des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und 2 VOB/A. Dies hat die Vergabekammer des Bundes in einem aktuellen Beschluss zum Bauvergaberecht nochmals klargestellt. Fordert der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen, dass Angebote schriftlich abzugeben sind, schließt dies die Abgabe von Angeboten mit fotokopierten bzw. eingescannten Unterschriften zwingend aus. Angebote können dann nur eigenhändig unterschrieben abgegeben werden.

Dem Auftraggeber steht es bis zum Ablauf der Übergangsfrist nach § 23 EU VOB/A (18.10.2018) frei, ausschließlich schriftliche Angebote zu fordern. Bis zum Ablauf dieser Übergangsfrist ist er nicht verpflichtet, elektronische Angebote in Textform zuzulassen. Der Bieter ist an die vom Auftraggeber festgelegte Angebotsform gebunden.

§ 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und 2, § 16 EU Nr. 2, § 23 EU S. 1 VOB/A, § 126 BGB

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Bauleistungen nach der VOB A/EU EU-weit aus. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe legte er fest, Angebote seien schriftlich abzugeben. Ferner gab er in der Auftragsbekanntmachung fehlerhaft an, sein Haus sei eine zentrale Beschaffungsstelle.

Das Angebot des Antragstellers war nach der Wertung an erster Stelle. Es enthielt aber keine eigenhändige, sondern lediglich eine fotokopierte bzw. eingescannte Unterschrift. Nach Auffassung des Auftraggebers kam das Angebot des Antragstellers aufgrund anderer Umstände bereits nicht für den Zuschlag in Betracht. Im hiergegen geführten Nachprüfungsverfahren beruft sich der Auftraggeber nunmehr auch darauf, dass das Angebot des Antragstellers jedenfalls aufgrund der fehlenden eigenhändigen Unterschrift nach § 16 EU Nr. 2 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A vom Vergabeverfahren auszuschließen sei.

Die Entscheidung

Mit Erfolg!

1. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A bestimmt, dass der öffentliche Auftraggeber festlegt, in welcher Form Angebote einzureichen sind. Schriftliche Angebote sind nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB/A zu unterzeichnen. Angebote, die den Formbestimmungen der § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechend, sind auszuschließen. Die nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A vorgesehene Schriftform richte sich nach § 126 Abs. 1 BGB. Daraus folgt, dass schriftliche Angebote eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein müssen. Angebote mit fotokopierten/eingescannten Unterschriften bzw. insgesamt kopierte Angebote erfüllen die Voraussetzung einer eigenhändigen Unterschrift nicht. Diese Angebote seien keine schriftlichen Angebote und müssen daher bei Zulassung lediglich schriftlicher Angebote zwingend vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

2. Dem Auftraggeber sei nach § 23 EU S. 1 VOB/A im hiesigen Fall auch gestattet, ausschließlich schriftliche Angebote zu fordern. Darin liege kein Verstoß gegen § 11 EU Abs. 4 VOB/A, wonach Angebote in Textform (ohne eigenhändige Unterschrift) mithilfe elektronischer Mittel zu übermitteln seien.

Der Auftraggeber könne nach § 23 EU S. 1 VOB/A bis zum 18.04.2017 die schriftliche Angebotsabgabe zwingend vorschreiben, denn bei ihm handele es sich um keine zentrale Beschaffungsstelle im Sinne des § 120 Abs. 4 GWB, die schon ab dem 18.04.2017 verpflichtet gewesen sei Angebote grundsätzlich in Textform mittels elektronischer Mittel zuzulassen. Die fehlerhafte Selbstbezeichnung des Auftraggebers in der Auftragsbekanntmachung ändere daran nichts. Diese habe insbesondere nicht zur Anwendbarkeit des § 11 EU Abs. 4 VOB/A im Wege des Rechtsscheins geführt. Dem stehe schon entgegen, dass der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen ausdrücklich die Schriftform der Angebote gefordert habe und keine anderen Angebotsformen zugelassen habe. Darüber hinaus sei der Antragsteller selbst nicht von der Anwendbarkeit des § 11 EU Abs. 4 VOB/A ausgegangen, da er kein Angebot in Textform mithilfe elektronischer Mittel, sondern ein schriftliches Angebot ohne handschriftliche Unterschrift abgegeben habe. Der Auftraggeber habe mit der Vorgabe der Schriftform für die Angebote lediglich von der im § 23 EU Abs. 1 VOB/A vorgesehenen Übergangsfrist bis zum 18.10.2018 Gebrauch gemacht. Eine Begründung für die Wahl der Schriftform bis zum Ablauf der Angebotsfrist bedürfe es nicht.

3. Ein Ausschluss des nicht eigenhändig unterschriebenen Angebots des Antragstellers, verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 GWB.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete als milderes Mittel zum Ausschluss insbesondere nicht die Nachforderung der fehlenden Unterschrift nach § 16a S.1 EU VOB/A. § 16a EU S.1 VOB/A sei hier schon nicht anwendbar, weil eine fehlende eigenhändige Unterschrift keine der Nachforderung zugängliche Erklärung bzw. kein Nachweis im Sinne dieser Vorschrift sei. Die Unterschrift könne bei vorgeschriebener Schriftform schlechterdings nicht nachgefordert werden.

Im Ausschluss des nicht unterschriebenen Angebots des Antragstellers, trotz vorgelegter Kopie des unterschriebenen Angebots, liege auch keine unangemessene Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers. Zweck des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB/A sei es die Abgabe verbindlicher und echter Angebote zu gewährleisten, von denen sich der unterzeichnende Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist nicht mehr lösen könne. Angebote ohne die vorgeschriebene Schriftform sind nicht verbindlich und der Bieter habe es in der Hand, sich von ihnen durch Anerkennung oder Verweigerung nach Belieben zu lösen.

Der Verweis auf § 53 Abs. 6 S. 2 VgV und die dort vorgesehenen Abgabe von Angeboten mittels Telefax helfe nicht weiter, denn die VOB/A-EU enthalte aufgrund des Geheimhaltungswettbewerbs gerade keine dem § 53 Abs. 6 Satz 2 VgV vergleichbare Vorschrift. Eine (per Telefax) versandten Kopie des Angebots bzw. des Angebotsschreibens könne keinen Absender als echt und verbindlich zugeordnet werden.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung der Vergabekammer hält erfreulicherweise streng am Grundsatz des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A fest, wonach es Aufgabe des Auftraggebers ist zu bestimmen, in welcher Form er Angebote haben möchte. Dies ermöglicht es ihm bis zum Ablauf der Übergangsfrist nach § 23 EU S. 1 VOB/A die Schriftform nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VOB/A als einzige zulässige Angebotsform vorzuschreiben. Die VK Bund lehnt es ab, in den eindeutigen Aussagen des Wortlautes dieser Vorschriften, aus vermeintlichen Verhältnismäßigkeitserwägungen einzelfallgetriebene Ausnahmen hineinzulesen. Sie leistet damit einen erfreulichen Beitrag zur Verlässlichkeit und Anwenderfreundlichkeit der VOB/A-EU. Schriftform heißt auch in der VOB/A-EU, dass eine Erklärung eigenhändig unterschrieben sein muss.

Die Auseinandersetzung der VK Bund mit der Argumentation des Antragstellers zum § 53 Abs. 6 S. 2 VgV und die dortige Betonung des Geheimwettbewerbes in der VOB/A-EU legt eine gesetzgeberisch in der VgV unglücklich gelöste Frage offen. Die Angebotsabgabe per Telefax ist bei Lichte Betrachtet nicht mit dem Grundsatz des Geheimwettbewerbs vereinbar, da das Fax als Übermittlungsmedium die Kenntnisnahme vom Inhalt des Angebotes ermöglicht. Es ist daher zu begrüßen, dass die VK Bund die Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 2 VgV im Rahmen der VOB/A-EU ablehnt. Der Gesetzgeber wäre daher gut beraten den § 53 Abs. 6 S. 2 VgV ersatzlos zu streichen, um auch in der VgV Friktionen mit dem Prinzip des Geheimwettbewerbs zu vermeiden.

Praxistipp

Bieter/Bewerber sind gehalten, die formellen Anforderungen an das Angebot strengstens einzuhalten. Ein in anderen Lebenslagen vielleicht angebrachter „Freestyle“ mit formellen Vorgaben, kann im Vergaberecht zu unschönen Folgen führen. Dies belegt der hiesige Fall, denn hier war das Angebot des Antragstellers das wirtschaftlich günstigste. Wirtschaftlich noch so gute Angebote können daher am Fehlen einer simplen Unterschrift scheitern. Dies ist von allen Bietern/Bewerbern im Vergabeverfahren stets zu beachten, denn sie haben es in der Hand den formellen Anforderungen im Vergabeverfahren zu genügen und damit das Risiko eines Ausschlusses aufgrund formeller Verstöße auszuschließen. Der Formalismus des Vergaberechts sollte durch die Bieter/Bewerber nicht unterschätzt werden, denn ein gewisser Formalismus ist für eine geordnete Vergabe unerlässlich. Nur durch formelle Vorgaben kann die Vergleichbarkeit von Angeboten/Bewerbungen sowie die Nachvollziehbarkeit des Vorgehens des Auftraggebers im Vergabeverfahren sichergestellt werden.

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Über Anes Kafedzic

Anes Kafedžić ist Rechtsanwalt bei LANGWIESER RECHTSANWÄLTE Partnerschaft mbB. Das Tätigkeitsspektrum von Herrn Kafedžić umfasst die gesamte Bandbreite des Vergaberechts. Im Rahmen dessen berät er seine Mandanten bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen sowie bei der Erstellung von Angeboten. Darüber hinaus übernimmt er die Vertretung seiner Mandanten in vergaberechtlichen Rechtschutzverfahren sowie bei der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen vergaberechtlichen Ursprungs, z.B. Schadensersatz- und Akteneinsichtsansprüche.

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2 Kommentare

  1. Hermann Summa

    Guten Tag,
    die Entscheidung der VK Bund ist nicht der Weisheit letzter Schluss. In der Rechtsprechung ist heute weitgehend anerkannt, dass Rechtsmittel, die ebenfalls Schriftform verlangen, auch mit eingescannten Schriftstücken mit Unterschrift wirksam eingelegt werden können (siehe z.B. OLG Rostock v.06.01.2017 – 20 Ws 311/16; BFH v. 22.06.2010 – VIII R 38/08; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98). Warum sollen für Angebote andere Spielregeln gelten?

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  2. GV

    Im Anwendungsbereich der VOB/A mag diese Entscheidung zutreffen, da dort die Unterschrift in § 13 Abs. 1 Satz3 VOB/A explizit gefordert wird. Im Anwendungsbereich der UVgO fehlt aber eine vergleichbare Vorschrift zur Schriftform, so dass in derartigen Fällen § 127 Abs. 2 BGB einschlägig sein könnte , wonach im Zweifel die telekommunikative Übermittlung zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt.

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