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Zu Fragen der Eignungsprüfung, der Auskömmlichkeit und des Bieterschutzes des § 67 VgV (VK Nordbayern, Beschl. v. 28.06.2018 – RMF-SG21-3194-3-18)

Entscheidung§ 67 VgV dient allgemeinen politischen Zielen und verleiht daher keinen Bieterschutz. § 67 schränkt das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers ein und ist daher nicht bieterschützend. Im Übrigen ist § 67 VgV auf die Sammlung von Abfällen schon nicht anwendbar, da gem. Art. 1 Abs 3 lit. b der Richtlinie RL 2010/30/EU, die in § 67 VgV umgesetzt wurde, Verkehrsmittel zur Güterbeförderung von dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind. Die Beförderung von Abfällen ist nach Ansicht der Vergabekammer ein Fall des Gütertransports.

§§ 60, 67 VgV

Sachverhalt

Ein Landkreis in Bayern hatte die Sammelleistungen für die Fraktionen Rest- Bio, Sperr- und Altpapierabfälle in einem europaweiten Vergabeverfahren in drei Losen ausgeschrieben. Einziges Wertungskriterium war der Angebotspreis.

Hinsichtlich des Nachweises der Eignung hat der Antragsgegner unter anderem ein Entsorgungsfachbetriebszertifikat für die gegenständlichen Abfälle gefordert. Nicht gefordert hat er die Vorlage einer Genehmigung für den Betriebsstandort der Bieter, auf den die Abfälle umgeschlagen werden müssen.

Obwohl die Aufgreifschwelle von 20% Preisabstand zum nächstplatzierten Bieter in keinem Los erreicht war hat der Antragsgegner das Angebot des Zuschlagsprätendenten auch im Hinblick auf eine mögliche Unauskömmlichkeit überprüft. Zu diesem Zwecke hat sie bestimmte Kalkulationsannahmen hinterfragt und anschließend eine Auskömmlichkeitsprüfung durchgeführt. Diese hatte zum Ergebnis, dass die Angebotspreise nur geringfügig unter der Auskömmlichkeitsschwelle lagen. Dies hat der Antragsgegner als nicht hinreichend für einen Ausschluss wegen Unauskömmlichkeit eingestuft.

Nach Erteilung der Vorabinformation rügte der langjährige vorherige Auftragsinhaber die beabsichtigte Vergabe an ein anderes Unternehmen unter vier Gesichtspunkten:

Nachdem der Antragsgegner der Rüge nicht abgeholfen hat, reichte das rügenden Unternehmen einen Nachprüfungsantrag ein.

Die Entscheidung

Dieser blieb im Ergebnis ohne Erfolg.

Soweit die Antragstellerin eine Verstoß gegen § 67 gerügt hatte, hielt die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig. Es fehle an dem bieterschützenden Charakter dieser Vorschrift. Diese diene der Durchsetzung allgemeiner politischer Ziele und schränke so das Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers ein. Sie diene daher nicht dem Schutz des Wettbewerbs und der Wettbewerbschancen der Unternehmen. Überdies sei die Vorschrift auf die Abfallsammlung gar nicht anwendbar. Denn gemäß Art. 1 Abs 3 lit. b der Richtlinie RL 2010/30/EU, die in § 67 VgV umgesetzt wurde, seien Verkehrsmittel zur Güterbeförderung von dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind. Die Beförderung von Abfällen ist nach Ansicht  der Vergabekammer ein Fall des Gütertransports.

Die Vergabekammer hielt den Nachprüfungsantrag auch insoweit für unzulässig, als ein fehlendes EfB-Zertifikat gerügt wurde. Es handele sich um eine Rüge „ins Blaue“ hinein. Dass der Zuschlagsprätendent über eine EfB-Zertifikat verfüge, hätte die Antragstellerin wissen müssen. Ein Zertifikat mit Standortbezug sei ausdrücklich und auch zulässigerweise nicht gefordert gewesen.

Im Übrigen hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen.

Die rechtliche Leistungsfähigkeit sei gegeben, da die Vergabestelle bewusst aus Gründen der Wettbewerbsöffnung nicht schon mit dem Angebot eine Genehmigung für den Betriebsstandort gefordert hat. Da der Zuschlagsprätendent im Aufklärungsgespräch hierzu plausible Angaben gemacht hat, durfte der Antragsgegner von der rechtlichen Leistungsfähigkeit des Zuschlagsprätendenten ausgehen. Der Antragsgegner hat hier auch zu Recht berücksichtigt, dass innerhalb der Rüstzeit von einem halben Jahr eine Genehmigung ohne Weiteres zu erlangen sei, das eine solche nach § 10 Abs. 6a BImSChG regelmäßig in einer Frist von drei Monaten erteilt werden muss.

Auch die Rüge der fehlenden Auskömmlichkeit des Angebots des Zuschlagsprätendenten hatte keinen Erfolgt. Die Vergabekammer hielt die preisliche Aufklärung, die der Antragsgegner vorgenommen hatte, für ausreichend. Sie weist darauf hin, dass insbesondere bei Nichterreichen der Aufgreifschwelle der Umfang der Prüfpflicht bestimme. Da der Antragsgegner die Plausibilität des Angebots des Zuschlagsprätendenten geprüft und die Kalkulationsannahmen nachgerechnet hat, sie vollkommen ausreichend. Deshalb hatte die Vergabekammer der Antragstellerin auch keine Einsicht in die diesen betreffenden Teil der Vergabedokumentation gewährt.

Rechtliche Würdigung

Interessant sind vor allem die Ausführungen der Vergabekammer zu § 67 VgV. Ihr ist zuzustimmen, dass § 67 VgV keinen Bieterschutz verleiht. Es geht hier in der Tat um die Durchsetzung umweltpolitischer Zielvorstellungen und nicht um den Schutz des Wettbewerbs.

Auch den Ausführungen der Vergabekammer zu der Frage, welche Nachweise bereits mit dem Angebot vorzulegen sind, ist zuzustimmen. Überhöhte Anforderungen können nämlich in der Tat dazu führen, dass kein Wettbewerb entsteht, weil unter Umständen nur der bisherige Auftragsinhaber in der Lage ist, diese Nachweise bereits mit dem Angebot beizubringen. Nachweis mit Standortbezug sind vergaberechtlich nicht zwingend. Es muss genügen, dass die Vergabestelle aus nachvollziehbaren Gründen davon ausgehen darf, dass die entsprechenden Genehmigungen und Zertifikate bei Auftragsbeginn vorliegen.

Praxistipp

Ausschreibungen machen nur dann einen Sinn, wenn ein Mindestmaß an Wettbewerb gewährleistet ist. Deshalb will es bei der Gestaltung der Vergabeunterlagen wohl überlegt sein, welche Nachweise bereits mit dem Angebot verlangt werden. Werden die Anforderungen zu hoch geschraubt, verhindert dies unter Umständen den Wettbewerb. Vorliegend hat die Vergabestelle daher ganz bewusst auf die Vorlage einer Genehmigung zum Abfallumschlag mit dem Angebot verzichtet, da sie wusste, dass aktuell nur der bisherige Auftragnehmer über eine solche verfügte. Ihr genügte es daher, dass die Genehmigung spätestens zum Leistungsbeginn vorliegen musste.

Zu der sicherlich im Grundsatz zu begrüßenden Regelung in § 67 VgV ist zu sagen, dass diese bei der Ausschreibung von Abfallsammelleistungen wohl leider nicht praktikabel ist. Dies liegt daran, dass es für Abfallsammelfahrzeuge keine Normverbräuche wie für PKW gibt und daher mögliche unterschiedliche Kraftstoffverbräuche nicht ermittelbar und damit nicht bewertbar sind. Es liegt also nicht am mangelnden Willen der öffentlichen Auftraggeber zur Umsetzung, sondern an einer praktikablen Lösung. Interessanterweise hatte die Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass ihr auch nach eingehender Recherche keine Ausschreibung bekannt geworden ist, die § 67 VgV versucht umzusetzen. Dieser empirische Befund stützt die These des Autors.

Der Autor hat in diesem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

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Über Martin Adams, Mag. rer. publ. [1]

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte [2], Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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