- Vergabeblog - https://www.vergabeblog.de -

Vorsicht bei der Verlinkung zu Eignungsanforderungen! (VK Südbayern, Beschl. v. 05.06.2018 – Z3-3-3194-1-12-04/18)

EntscheidungEs reicht nicht, wenn sich der Bieter Eignungsanforderungen selbst aus verlinkten Unterlagen heraussuchen kann. Seit April 2016 sind die Vergabeunterlagen direkt abrufbar über einen Link bereitzustellen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass der eigentliche Bekanntmachungstext nun darauf reduziert werden könnte, dass jeweils auf die verlinkten Vergabeunterlagen verwiesen wird. Dies gilt insbesondere für die Bekanntmachung der Eignungskriterien und der zum Nachweis der Eignung vorzulegenden Unterlagen.

§ 97 Abs. 1 GWB, § 97 Abs. 2 GWB, § 122 Abs. 4 S 2 GWB, § 41 Abs. 1 VgV, § 48 Abs. 1 VgV

Leitsatz

  1. Für die wirksame Bekanntmachung der Eignungskriterien gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und der Unterlagen zum Nachweis der Eignung gem. § 48 Abs. 1 VgV reicht es nicht aus, wenn lediglich auf eine Internetseite verwiesen wird, wo der Bieter sich die entsprechenden Unterlagen aus zahlreichen dort gespeicherten Vergabeverfahren möglicherweise heraussuchen kann.
  2. Eine solche Verlinkung führt zudem zu einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur direkten Bereitstellung der Unterlagen nach § 41 Abs. 1 VgV.
  3. Sind aufgrund eines Bekanntmachungsdefizits keine Mindestanforderungen an die Eignung wirksam ins Verfahren eingeführt, besteht nur dann die Verpflichtung der Vergabestelle, das Verfahren aufzuheben, wenn ansonsten der Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters droht.

Sachverhalt

Die Stadt München schrieb den Sanitätsdienst auf dem Oktoberfest im Wege eines offenen Verfahrens nach VgV aus. Im Hinblick auf die an die Eignung der Bieter gestellten Anforderungen sowie die insoweit beizubringenden Nachweise waren in der Bekanntmachung unter III.1.1 III.1.3 lediglich der Hinweis „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ und ein Link angegeben. Dieser Link führte aber nicht auf die konkreten Ausschreibungsunterlagen und schon erst recht nicht auf ein konkretes Dokument mit Eignungsanforderungen, sondern auf eine allgemeine Internetseite der Stadt, die mehrere Ausschreibungen derselben enthielt.

In dem Verfahren wurden zwei Angebote abgegeben. Beide Bieter reichten trotz der etwas unübersichtlichen Bekanntmachung der Eignungsanforderungen entsprechende Nachweise ein, die seitens der Stadt auch geprüft wurden.

Nachdem einer der beiden Bieter darüber informiert wurde, dass sein Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und er daher den Zuschlag nicht erhalten sollte, rügte er u.a. die fehlende Eignung des Bestbieters. Da die Stadt nicht bereit war, der Rüge abzuhelfen, beantragte der unterlegene Bieter bei der Vergabekammer die Zurückversetzung des Verfahrens und die Wiederholung der Angebotsprüfung.

Die Entscheidung

Die VK stellte zwar Vergaberechtsverstöße, u.a. im Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Eignungsanforderungen, fest, wies den Antrag des unterlegenen Bieters aber dennoch mangels Rechtsverletzung zurück.

Die vorliegende Form der Bekanntmachung der Eignungskriterien durch eine Verlinkung auf eine allgemeine Seite der Stadt mit Unterlagen zu mehreren Vergabeverfahren genügt nach Auffassung der VK Südbayern den Anforderungen an eine wirksame Bekanntmachung gem. § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV nicht. Selbst dann, wenn man annehme, dass die Eignungsanforderungen nicht zwingend im Bekanntmachungsformular selbst enthalten sein müssten, sondern grundsätzlich auch durch Verlinkung bekannt gemacht werden könnten, sei eine solche Verlinkung jedenfalls nur dann ausreichend, wenn sie in einem direkten Link auf das konkrete Vergabeverfahren besteht. Bereits dies war im vorliegenden Fall nicht gewährleistet, da der Link auf eine Seite mit mehreren Vergabeverfahren ging und sich die Bieter die Eignungsanforderungen erst selbst zusammensuchen mussten.

Wenn, wie hier , aufgrund eines Bekanntmachungsdefizits keine oder praktisch keine Mindestanforderungen an die Eignung wirksam erhoben sind, leide das Vergabeverfahren an einem schwerwiegenden Mangel, da sich aus § 122 Abs. 1 GWB eine Pflicht zur Eignungsprüfung ergebe.

Trotz dieser Feststellung hielt die VK es für nicht erforderlich, das Verfahren zurückzuversetzen oder aufzuheben, weil im konkreten Fall trotz fehlender Bekanntgabe von Eignungskriterien ausgeschlossen sei, dass ein ungeeignetes Unternehmen den Auftrag erhalte. Denn schließlich hätten beide Bieter Eignungsnachweise vorgelegt, die auch geprüft wurden.

Rechtliche Würdigung

Nach § 122 Abs. 4 S. 1 GWB sind Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Nach § 48 Abs. 1 VgV ist in der Auftragsbekanntmachung ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen Bieter ihre Eignung zu belegen haben.

Der Wortlaut dieser Vorschriften ebenso wie der zugrundeliegenden europäischen Richtlinie (Art. 58 Abs. 5 der Richtlinie 2014/24/EU) ist eindeutig. Die geforderten Eignungskriterien und/oder Nachweise sind bereits in der Auftragsbekanntmachung selbst anzugeben.

Sinn und Zweck der Regelungen ist, dass potentielle Bewerber / Bieter bereits aus der Auftragsbekanntmachung die an ihre Eignung gestellten Anforderungen ersehen können, um anhand dieser Angaben zu entscheiden, ob sie sich an der Ausschreibung beteiligen können und wollen. Zu Recht verweist auch die VK Südbayern darauf, dass es nur den Unternehmen, deren Interesse bereits durch die Bekanntmachung geweckt wurde, zugemutet werden soll, sich mit den Vergabeunterlagen im Detail zu befassen (ebenso VK BW, B. v. 27.08.2018 1 VK 35/18 und OLG Düsseldorf B. v. 11.07.2018 Verg 24/18). Hinzukommt auch, dass nur die EU-Bekanntmachung eine zuverlässige Übersetzung in allen Amtssprachen bietet (ebenso VK BW, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund haben sich in der Rechtsprechung folgende Eckpunkte zum Thema Bekanntmachung von Eignungskriterien durch Verlinkung herauskristallisiert:

– Eine Verlinkung auf eine allgemeine Seite des AG mit Unterlagen zu mehreren Vergabeverfahren ist nach einhelliger Auffassung unzulässig (so VK Südbayern in der hier besprochenen Entscheidung, VK BW a.a.O.).

– Auch eine Verlinkung auf die Vergabeunterlagen des konkreten Verfahrens als Ganzes ist als problematisch anzusehen (noch für zulässig erachtet: VK Südbayern, B. v. 15.09.2017, Z3-3-3194-1-30-06/17, in der vorliegenden Entscheidung aber selbst als möglicherweise zu weitgehend eingestuft; unzulässig: OLG Düsseldorf a.a.O.).

– Für zulässig erachtet wurde allerdings teilweise eine direkte Verlinkung mit einem Klick auf das konkrete Dokument Eignungsanforderungen und Eignungsnachweise in den Vergabeunterlagen (VK Nordbayern, B. v. 15.02.2018, RMF-SG21-3194-3-1 und vom 09.04.2018, RMF-SG21-3194-3-1; OLG Düsseldorf, a.a.O.), auch das aber nur, wenn der Link sich nicht an einer versteckten Stelle in der Bekanntmachung befindet (siehe hierzu OLG Frankfurt a.M., B. v. 16.02.2015, 11 Verg 11/4). Der Link muss somit unmittelbar in die Auflistung der Eignungsanforderungen eingebunden sein. Führt man sich das oben erwähnte Übersetzungsthema vor Augen, stellt sich aber die Frage, ob diese Rechtsprechung angesichts des überaus klaren Richtlinien-Wortlauts wirklich dauerhaft Bestand haben kann.

Dass die Stadt im vorliegenden Fall „mit einem blauen Auge davon kam“, lag einzig und allein daran, dass alle Bieter alle Eignungsnachweise beigebracht hatten und Streitgegenstand nicht der Ausschluss des Antragstellers mangels Eignung war. In den Fällen eines Ausschlusses mangels Eignung kann sich der Auftraggeber nicht auf seine eigenen – unwirksam bekannt gemachten – Eignungskriterien berufen. Es ist in der Regel eine Zurückversetzung des Verfahrens und jedenfalls dann, wenn auf Eignungsanforderungen nicht verzichtet werden kann, auch eine erneute Bekanntmachung erforderlich.

Praxistipp

Öffentlichen Auftraggebern kann man vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung nur raten, Eignungsanforderungen an den dafür vorgesehenen Stellen der EU-Bekanntmachung wieder zu geben und die Verlinkung auf die Vergabeunterlagen nur ergänzend dazu zu nutzen, um dort etwaige Formulare zum Eignungsnachweis bereit zu stellen. Der mit dieser Anforderung verbundene Schreib- und Denkaufwand ist im Vergleich zur Schwere des Vergabeverstoßes und des hieraus folgenden Verfahrensrisikos gering.

Avatar-Foto

Über Eric Schneider [1]

Eric Schneider ist seit dem Jahr 2017 Rechtsanwalt bei der Luther Rechtsanwaltsgeselschaft mbH [2]. Herr Schneider berät sowohl die öffentliche Hand bei der Gestaltung von Vergabeverfahren als auch Bieter bei der Angebotserstellung und Abgabe. Er vertritt Auftraggeber wie Bieter vor den Nachprüfungsinstanzen. .

Avatar-Foto

Über Dr. Rut Herten-Koch [3]

Dr. Rut Herten-Koch berät sowohl die öffentliche Hand und ihre Unternehmen als auch private Eigentümer, Investoren, Projektentwickler und Bieter in Vergabeverfahren. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Begleitung und Gestaltung komplexer Verfahren – sei es im Bauplanungs- oder im Vergaberecht. Darüber hinaus vertritt Rut Herten-Koch ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen und den Verwaltungsgerichten. Seit 2002 ist sie als Rechtsanwältin im Bereich öffentliches Recht und Vergaberecht in Berlin tätig. Rut Herten-Koch ist seit Juli 2015 Partnerin bei Luther [4].

Teilen
[6] [7] [8] [9] [10]