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Vergabepflicht bei der Beschaffung von Finanzierungen und Finanzierungsvermittlungen im Rahmen von GWB, UVgO sowie VOL/A

Nicht wenige Vergabestellen stehen regelmäßig vor der Entscheidung, Finanzierungsverträge schließen zu wollen bzw. schließen zu müssen. Sei es, weil es als öffentliche Bank zu der Geschäftstätigkeit des öffentlichen Auftraggebers gehört, oder sei es, weil sie als öffentlicher Auftraggeber abseits der Bankenbranche Geldmittel für sonstige Vorhaben oder Projekte benötigen. Unter einem Finanzierungsvertrag fallen in der Wirtschaft grundsätzlich alle die Finanzierung einer Leistung betreffenden Verträge. Dabei kann es sich um Kredit-, Darlehens-, Leasingverträge oder anderen Finanzierungsmodelle handeln. Mangels personeller oder zeitlicher Kapazitäten bietet sich zwecks späterem Abschluss eines Finanzierungsvertrags regelmäßig an, ein externes Unternehmen mit der Vermittlung von Finanzierungen zu beauftragen, um sich nicht selbst auf dem vielfältigen Finanzmarkt zeitintensiv umsehen zu müssen, zumal Finanzvermittler bzw. Finanzmakler oftmals die erforderliche Expertise aufweisen.

Darüber hinaus entstehen im Zuge der Digitalisierung in den unterschiedlichsten Branchen und Wirtschaftszweigen Online-Plattformen, über die Leistungen der Finanzierung dann nicht mehr nur „analog“, sondern auch „digital“ angeboten und erworben werden können.

Da Beschaffungen durch Vergabestellen gerne schlank gehalten werden, stellt sich vor dem Hintergrund möglicher Bereichsausnahmen die Frage, ob insbesondere Leistungen zur (Online-)Finanzierung sowie (Online-)Finanzierungsvermittlungen unter § 116 Abs. 1 Nr. 4, 5 GWB zu fassen sind und daher ohne Vergabeverfahren direkt vergeben werden können.

I. Regelungen im Oberschwellenbereich

Gemäß § 97 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren zu vergeben. Soweit ein öffentlicher Auftraggeber öffentliche Aufträge gemäß § 103 Abs. 1 GWB erteilt, ist er grundsätzlich zur Einhaltung der Vorschriften des 4. Teils des GWB verpflichtet.

Öffentliche Aufträge sind gemäß § 103 Abs. 1 GWB entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen unter anderem über die Beschaffung von Leistungen, die die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

Der Abschluss entgeltlicher Verträge zur Beschaffung einer Dienstleistung eines Unternehmens in Form von Finanzierungen oder Finanzierungsvermittlungen stellt grundsätzlich unabhängig davon, ob die Leistung „digital“ oder „analog“ angeboten wird, einen öffentlichen Auftrag gemäß § 103 Abs. 1 GWB dar.

Das GWB sieht neben den allgemeinen auch die besonderen Ausnahmen von der Vergabeverpflichtung in § 116 vor. In Bezug auf Finanzierungen und deren Vermittlung könnten hier die Ausnahmetatbestände des § 116 Abs. 1 Nrn. 4 sowie 5 GWB einschlägig sein, die eine Direktvergabe der Leistungen ermöglichen.

1. Besondere Ausnahme nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB

Gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB besteht eine Ausnahme von der Vergabepflicht bei Krediten und Darlehen, auch im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten. Der Begriff des „Kredits“ ist in § 19 und 21 KWG definiert und geht weiter als der Begriff des „Darlehens“. Er umfasst auch andere Formen, da er neben Geldforderungen z. B. Akzeptkredite, Avalkredite und Diskontkredite umfasst.[i]

a.) Kredit- oder Darlehensgewährung

Wenn der öffentliche Auftraggeber Kredite oder Darlehen gewährt, ist grundsätzlich keine Entgeltlichkeit der öffentlichen Beschaffung gegeben, sodass bereits kein öffentlicher Auftrag vorliegt und es einer besonderen Bereichsausnahme nicht bedarf.

b.) Kredit- und Darlehensaufnahme

Wenn der öffentliche Auftraggeber Kredite und Darlehen aufnehmen möchte, sind diese Verträge aufgrund der zu zahlenden Zinsen und Kosten grundsätzlich entgeltlich und stellen einen öffentlichen Auftrag dar. An dieser Stelle ist die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB einschlägig, wenn der öffentliche Auftraggeber Kredite und Darlehen zwecks Finanzierung eigener Vorhaben und Projekte aufnimmt. Diese darf er direkt ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens vergeben.

c.) Kredit- und Darlehensaufnahme zum Zwecke des Wertpapierhandels oder im Zusammenhang mit anderen Finanzinstrumenten

Ebenfalls greift die Ausnahme, wenn Kredite und Darlehen durch den öffentlichen Auftraggeber zu dem Zweck aufgenommen werden, Wertpapierhandel zu betreiben oder im Zusammenhang mit anderen Finanzinstrumenten wie bspw. Geldmarktinstrumenten, Optionen, Terminkontrakten, Swaps und Derivatkontrakten.[ii]

d.) Kredit- und Darlehensvermittlung

Wenn sich der öffentliche Auftraggeber von einem Unternehmen, das Finanzierungsvermittlungen zwischen Kredit- bzw. Darlehensgebern sowie Kredit- bzw. Darlehensnehmern oder im Zusammenhang mit anderen Finanzierungsinstrumenten anbietet, von einem Vermittler entgeltlich Kredite oder Darlehen vermitteln lässt, ob „analog“ (in persona) oder „digital“ (online), könnte auf den ersten Blick die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB in Erwägung gezogen werden, um diesen Vermittlungsvertrag direkt zu vergeben.

An dieser Stelle sind aber die unterschiedlichen Vertragsverhältnisse zu unterscheiden. Bei der Vermittlungsleistung geht es nicht unmittelbar um den Abschluss von Krediten oder Darlehen, die die Bereichsausnahme nach § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB rechtfertigen.

Zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Vermittler besteht ein Vermittlungs- bzw. Kooperationsvertrag. Lediglich zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Kredit- bzw. Darlehensnehmer liegt ein Kredit- bzw. Darlehensvertrag vor.

Wenn der öffentliche Auftraggeber einen Kredit oder ein Darlehen gewährt, das ihm vermittelt wird, ist zwar der Darlehensvertrag wie ausgeführt kein öffentlicher Auftrag, der Abschluss des Vermittlungsvertrags hingegen schon.

Wenn der öffentliche Auftraggeber selbst einen Kredit oder ein Darlehen entgeltlich aufnimmt, unterfällt dieser Vertrag nicht der Vergabepflicht wegen § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB. Für den Abschluss des Vermittlungs- oder Kooperationsvertrags greift die Ausnahme vom Vergaberecht nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB grundsätzlich aber nicht.

2. Besondere Ausnahme nach § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB

Wie festgestellt ist der Abschluss von Kredit- oder Darlehensverträgen durch den öffentlichen Auftraggeber als Kredit- und Darlehensgeber mangels öffentlichen Auftrags vergabefrei. Der Abschluss eines Kredit- oder Darlehensvertrags als Kredit- oder Darlehensnehmer fällt unter die besondere Bereichsausnahme nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB und ist ebenfalls vergabefrei.

Einzig der Abschluss von Verträgen zur Vermittlung von Finanzierungen wie Krediten und Darlehen wird von § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB nicht erfasst.

Gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB besteht allerdings eine weitere denkbare Ausnahme von der Vergabepflicht für die Finanzierungsvermittlungen, nämlich wenn diese finanziellen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus durchgeführte Transaktionen darstellen (Zusammenhangsgeschäfte).

Zuweilen sind diese Fälle ausweislich des schwammigeren Tatbestandes regelmäßig schwerer zu beurteilen.

a.) Sinn und Zweck

§ 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist als Ausnahmetatbestand sehr eng auszulegen, da er Beschaffungen jeglichem Wettbewerb entzieht. Dem Staat soll ein geldpolitischer Gestaltungsraum erhalten bleiben.[iii] Gründe für die Ausnahme von der Vergabepflicht sind das besondere kapitalmarkttypische Vertrauensverhältnis, das bei kapitalmarktbezogenen Geschäften herrscht, sowie die Schnelllebigkeit und Wandlungsfreudigkeit des volatilen Kapitalmarkts, der häufig kurzfristigen Zinsänderungen unterworfen ist, was mit dem Vergaberecht nicht in Einklang zu bringen ist. Die Durchführung von Vergabeverfahren wäre hier unzweckmäßig. Denn das starre System des Vergaberechts mit entsprechenden Fristen und Auswahlprozeduren passt bei Finanztransaktionen häufig nicht. Daher soll im Ergebnis die Finanzierung staatlichen Handeln über die Kapitalmärkte keinen vergaberechtlichen Bindungen unterliegen.[iv]

Nicht ausschreibungspflichtig sind Finanzdienstleistungen, die wegen ihrer Kapitalmarktbezogenheit kraft Natur der Sache nicht in das Fristensystem des Vergaberechts passen.[v] Der in der Ausnahmeregelung zum Ausdruck kommende Vorbehalt umfasst neben den Transaktionsgeschäften mit Wertpapieren und anderen Finanzinstrumenten alle vorbereitenden und begleitenden Dienstleistungen, die mit dem Finanzierungsgeschäft in einem solchen Zusammenhang stehen, dass sie die Durchführung des Geschäfts selbst beeinflussen können.[vi]

Aus dem Wortlaut des § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB kann jedoch geschlossen werden, dass kapitalbezogene Finanzdienstleistungen nicht vollständig von der Anwendung des Vergaberechts ausgeschlossen sind. Zur Abgrenzung der von der Vergabe ausgenommenen und der nicht ausgenommenen kapitalmarktbezogenen Finanzdienstleistungen wird auf das Kriterium des Vertrauenstatbestandes zwischen den Beteiligten sowie auf Probleme der ständigen Änderung der Verhältnisse an den Kapitalmärkten sowie den Zeitaufwand, der mit der Durchführung eines Vergabeverfahrens verbunden ist, hingewiesen.[vii]

b.) Abstellen auf den konkreten Einzelfall

Zwar können auch vorbereitende, begleitende und beratende Finanzdienstleistungen die ausdrücklich in der Regelung genannten Maßnahmen maßgeblich beeinflussen, sodass Vermittlungs-, Depotgeschäfte, Portfoliomanagement und Derivatgeschäfte und Arrangeurleistungen angesehen werden können.[viii]

Trotz der unterschiedlich vertretenen Meinungen zur Auslegung dieser „Zusammenhangsgeschäfte“ ist mit dem Sinn und Zweck der Regelung jedoch auf die zu vergebende Leistung im konkreten Einzelfall abzustellen. Die Reichweite der Ausnahme ist anhand des konkreten Inhalts des betreffenden Vertrags über finanzielle Dienstleistungen vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte und des Zwecks der Vorschrift zu ermitteln. Zu den Ausnahmen der Bestimmung gehören neben den Instrumenten der Geld-, Wechselkurs-, öffentlichen Kredit- und Geldreservepolitik weitere Politiken, die neben den Geschäften mit Wertpapieren die Geschäfte mit anderen Finanzinstrumenten mit sich bringen.[ix]

II. Regelungen im Unterschwellenbereich

Das Vergaberecht im Unterschwellenbereich folgt der sogenannten Haushaltslösung. Es stellt mit der VOL/A und VOB/A Haushaltsrecht dar und gewährleistet die wirtschaftliche und sparsame Verwendung öffentlicher Mittel im Sinne der Haushaltsordnungen. Unabhängig von obigen Ausführungen zu den Ausnahmen von der Vergabepflicht für den Oberschwellenbereich in § 116 GWB sind die Ausnahmen für den Unterschwellenbereich mit seiner Haushaltslösung nicht unmittelbar anwendbar, da diese für den Oberschwellenbereich gelten, welcher der sogenannten Kartelllösung folgt.

Da die Landeshaushaltsordnungen grundsätzlich die Vergabepflicht für öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen regeln und auf die Vergabeordnungen verweisen, sind im Unterschwellenbereich die VOL/A sowie VOB/A anwendbar. Sie statuieren sogar die öffentliche Ausschreibung als vorrangig, wenn die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände nicht eine Ausnahme rechtfertigen. Dies richtet sich wiederum nach den Ausnahmetatbeständen der Vergabe- und Vertragsordnungen. Eine vergleichbare Regelung wie die des § 116 Abs. 1 Nrn. 4, 5 GWB fehlt in der VOL/A[x]. Folglich sind, wenn anderweitige haushaltsrechtlich Regelungen fehlen, Beschaffungen von Finanzierungen und Finanzierungsvermittlungen vergabepflichtig.

Angedacht werden kann hier allenfalls eine beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb gemäß § 3 Abs. 3 VOL/A, weil eine öffentliche Ausschreibung aus Gründen der Volatilität des Kapitalmarktes und des erforderlichen Vertrauensverhältnisses unzweckmäßig ist.

Die UVgO, die sukzessive in den Bundesländern umgesetzt wird, regelt hingegen in § 1 Abs. 2 für Unterschwellenvergaben, die die EU-Schwellenwerte nicht erreichen, dass die Regelungen der UVgO nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, für die § 116 GWB Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Oberschwellenvergaberechts vorsieht. Das heißt, für öffentliche Auftraggeber, die nach UVgO vergeben, gilt das oben zum Oberschwellenbereich Gesagte. Die Beschaffungen von Krediten und Darlehen ist vergabefrei, die Beschaffung von „analoge“ oder „digitalen“ Finanzierungsvermittlungen grundsätzlich vergabepflichtig.

III. Rechtliche Bewertung

Bei der Beschaffung von „analogen“ und „digitalen“ Vermittlungsleistungen für Kredite und Darlehen handelt es grundsätzlich nicht um „finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang“ mit den oben genannten Finanzmarktinstrumenten im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB.

Die auf einem volatilen Kapitalmarkt jeweils vorherrschenden finanziellen Konditionen haben unmittelbar zwar auf den Abschluss eines Kredit- oder Darlehensvertrags Einfluss, da Kredit- und Darlehensangebote während der Zeit der Durchführung eines Vergabeverfahrens mit seinen Angebotsfristen ständigen Zinsänderungen bzw. –schwankungen unterliegen. Abhängig vom Zeitpunkt der Angebotsabgabe im zeitlichen Rahmen der Angebotsfrist wären abgegebene Angebote nicht vergleichbar und ein gleichberechtigter Wettbewerb nicht herzustellen, da die Zinskonditionen sich von einem Tag auf den anderen ändern. Die Abgabe des wirtschaftlichsten Angebots hinge folglich vom Zeitpunkt der Einreichung ab, was einem Zufall gleichen würde. Auch im Zeitraum zwischen Submissionstermin und letztmöglichem Zuschlagstermin würden sich Änderungen ergeben, was zu unzumutbaren Risiken der Kredit- und Darlehensgeber führen würde. Dieses Risiko würde sich unter Umständen sogar in Richtung eines „ungewöhnlichen Wagnisses“ bewegen.

Jedoch treffen diese Überlegungen grundsätzlich nicht auf Verträge zur „analogen“ oder „digitalen“ Vermittlung von Finanzierungen zu. Diese können zweckmäßig einmalig im Rahmen eines Vergabeverfahrens abgeschlossen werden. Die dem Vermittlungsvertrag zugrundeliegenden, vom Vermittlungsvertrag separat zu betrachtenden Kredit- und Darlehensverträge, die den kapitalmarkttypischen Schwankungen unterliegen, sodann aber direkt vergeben werden.

Solche vorbereitenden Maßnahmen wie die Vermittlung werden von diesen „Zusammenhangsgeschäften“ einer Ansicht nach gar nicht erfasst. Doch selbst wenn einem weiten Verständnis dieser Voraussetzung gefolgt wird, so wären allenfalls Leistungen wie die Entwicklung und Formulierung von Vermarktungskonzepten, Beratungsleistungen bei der Wertpapieremission oder die Finanzportfolioverwaltung erfasst, das heißt, die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum.[xi]

Soweit einer zu beschaffenden Leistung das besondere kapitalmarkttypische Vertrauensverhältnis fehlt bzw. die Leistung unabhängig von volatilen Einflüssen des Kapitalmarktes ist, unterscheiden sich die Leistungen nicht in spezifischer Weise von vergabepflichtigen Geschäftsbesorgungen in anderen Bereichen[xii]. Dabei ist auf die konkrete Leistungsbeschreibung bzw. Vertragsgestaltung abzustellen.

Der Abschluss eines, insbesondere auf Dauer angelegten, Vertrags zur Vermittlung von Finanzierungen, ob „analog“ oder „digital“ über eine Online-Plattform, ist grundsätzlich losgelöst von Schwankungen und der Schnelllebigkeit des Kapitalmarkts, die bei Darlehens- und Kreditabschlüssen vorherrschen. Dieser hat keinen maßgeblichen Einfluss auf den später unter Beachtung der kapitalmarkttypischen Verhältnisse abzuschließenden Kredit- und Darlehensvertrag, insbesondere fehlt dem Dienstleister der finanzielle Entscheidungsspielraum. Ein über das jedem üblichen Dienstleistungs-Verhältnis hinausgehende besondere kapitalmarkttypische Vertrauensverhältnis ist für einen derartigen Vermittlungsvertrag nicht erforderlich.

Ein Vergabeverfahren zur erstmaligen Beschaffung eines solchen Vermittlungs-/Kooperations-Dienstleisters ist möglich und sachgerecht. Die Anwendung des starren Vergaberechtsregimes mit seinen Fristen und Auswahlprozeduren ist für die Beschaffung von Dienstleistungen zur Vermittlung von Finanzierungen durch Bereitstellung einer Online-Vermittlungsplattform nicht unzweckmäßig oder unpraktikabel.

Angedacht werden könnte allenfalls, dass derartige Finanzierungsvermittlungen im Sinne eines Open-House-Vertrags entsprechend der Rechtsprechung des EuGHs im Hinblick auf Arzneimittel-Rabattverträge vergeben werden, soweit ein Rahmenvertrag für Finanzierungsvermittlungen diskriminierungsfrei gestaltet werden und jeder potentielle Bieter unter den gleichen transparenten Bedingungen Zugang erhält. In diesem Fall würde es an der durch den EuGH für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags erforderlich gehaltenen Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers fehlen, sodass die einzelnen Verträge direkt abgeschlossen werden könnten.

IV. Fazit

Öffentliche Auftraggeber sollten regelmäßig ihre gängige vergaberechtliche Praxis hinterfragen. Teilweise werden Aufträge direkt vergeben, weil davon selbstverständlich ausgegangen wird, dass dies zulässig ist, „weil es schon immer so gemacht wurde“. Auch wenn das Vergaberecht sicherlich für bestimmte Bereiche unhandlich, zeitaufwändig und insbesondere bei geringen Auftragswerten umständlich ist: Vergabepflichtig sind rein vergaberechtlich betrachtet manchmal mehr Leistungen als gedacht.

Grundsätzlich ist zwar die unmittelbare Beschaffung von Finanzierungen im Sinne des § 116 Abs. 1 Nrn. 4, 5 GWB vergabefrei, entsprechende Finanzierungsvermittlungen jedoch vergabepflichtig, wenn sich im konkreten Einzelfall aus der vertraglichen Gestaltung nicht ergibt, dass eine Kapitalmarktbezogenheit sowie ein besonderes Vertrauensverhältnis gegeben sind, die die Durchführung eines Vergabeverfahrens tatsächlich nicht unpraktikabel und unzweckmäßig machen.

______________________________________

[i] Lausen, in: Burgi/Dreher, Vergaberecht, § 116, Rn. 61.
[ii] Lausen, a.a.O., Rn. 54; Schneevogel, in: Müller/Wrede, GWB-Kommentar, Rn. 80.
[iii] Schneevogel, a.a.O., Rn. 63.
[iv] Lausen, a.a.O., Rn. 54.
[v] Bechtold, Kartellgesetz, § 100 GWB a. F. Rn. 17 unter Bezugnahme auf Nölle, Vergaberecht 3/98, S. 26.
[vi] Byok/Jaeger/Hailbronner, Kommentar zum Vergaberecht, § 100 GWB a.F., Rn 436.
[vii] Boesen, Vergaberecht, § 100 GWB a.F. Rn 143.
[viii] Schneevogel, a.a.O., Rn. 71.
[ix] VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.11.2001 – 1 VK 40/01; Byok/Jaeger/Hailbronner, Komm. zum Vergaberecht, § 100 GWB a. F., Rn. 435.
[x] Schneevogel, a.a.O.,Rn. 83.
[xi] Lausen, a.a.O., § 116, Rn. 55; Schneevogel,a.a.O., Rn. 71.
[xii] Schneevogel, a.a.O., Rn. 71.

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Über Michael Pilarski [1]

Der Autor Michael Pilarski ist als Volljurist bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – NBank – [2] in Hannover tätig. Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs- und Vergaberecht. Er hat die Einhaltung des Zuwendungs- und Vergaberechts durch private und öffentliche Auftraggeber, die Förderungen aus öffentlichen Mitteln erhalten, geprüft und Zuwendungsempfänger bei zuwendungs- und vergaberechtlichen Fragestellungen begleitet. Nunmehr ist er in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement beschäftigt. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Lüneburg bei, ist zugelassener Rechtsanwalt und übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht.

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