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Unterlage für die Vergabe von e-Health-Projekten (UfAB-e-Health)

GesundheitPatienten in unterversorgten Regionen (und nicht nur dort) hoffen auf Verbesserungen in der Versorgung und die Bundesregierung setzt auf die e-Health-Initiative. Die Nachfrage im Markt wird allerdings von den Krankenkassen bestimmt – und diese führen kaum Ausschreibungen durch. Vergabeverfahren für e-Health-Projekte werden als komplex, riskant und arbeitsaufwändig empfunden. Nachfolgend werden einige Eckpunkte besonders der Bewertungsmethodik vorgestellt. Zum Beitrag zugehörig finden sich folgende Musterunterlagen zum Download und freien Verwendung in der Dokumentenbibliothek des geschützten Mitgliedernetzwerks hier [1]:

Die Methodik der Bewertung von e-Health-Projekte ist weniger komplex als womöglich viele Auftraggeber denken. Eine Lösung könnte die Nutzung einer gebrauchsfertigen Unterlage für die Vergabe von e-Health-Projekten sein (UfAB-e-Health), die von Praktikern aus dem Anwalts- und Gesundheitsmanagementbereich entwickelt wurde.

Die UfAB-e-Health berücksichtigt nicht nur das aktuelle Vergaberecht, sondern auch den derzeitigen Stand der Technik auf dem Gebiet der digitalen Gesundheitsversorgung / Telemedizin, die Anforderungen der Krankenkassen an bedarfs- und kundenorientierte Angebote, die Anforderungen an Datenschutz- und Datensicherheit sowie die Möglichkeiten der Umsetzung im Rahmen der Sozialgesetzbücher.

Methodik zur Ermittlung des Bestbieters

Die Unterlage für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen (UfAB) bietet eine gute Ausgangsbasis für die Vorbereitung und Durchführung von  e-Health-Projekten. Die UfAB 2018 wurde unter Federführung der Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB) des Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat entwickelt und ermöglicht rechtskonforme, bedarfsgerechte und effiziente Vergaben.

Für die Ermittlung des Bestbieters werden in der UfAB verschiedene Bewertungsmethoden vorgestellt. Für e-Health-Projekte empfiehlt sich die Erweiterte Richtwertmethode. In einem ersten Schritt wird die Wirtschaftlichkeitskennzahl [Z], d.h. das Preis-Leistungs-Verhältnis, ermittelt. In einem zweiten Schritt scheiden alle Angebote aus, die außerhalb eines vorab definierten Schwankungsbereichs von der besten Kennzahl Z liegen.  Unter den danach in der Angebotswertung verbliebenen Angeboten erhält das Angebot den Zuschlag, das in dem Entscheidungskriterium Leistungskennzahl den besten Wert erreicht.

Schwerpunkt Qualität

Bei e-Health-Projekten handelt es sich häufig um Beschaffungsvorhaben, bei welchen innerhalb einer Gruppe von Angeboten mit ähnlichem Preis-Leistungs-Verhältnis ein Stichentscheid zugunsten des leistungsstärksten – und nicht des preiswertesten – Angebots zu treffen ist. Die Gründe dafür sind (i) die Fürsorge und Verantwortung der Krankenkasse für eine Gruppe von besonders kranken Versicherten, (ii) die besonders hohe Komplexität (medizinisch, technisch, rechtlich) der nachgefragten Leistung, (iii) die besonders hohen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit sowie (iv) die Erwartung, dass die Leistungsausgaben umso deutlicher gesenkt werden, je höher die Qualität der vertragsgegenständlichen Leistung ist (insoweit wird damit gleichzeitig auch dem Kriterium der Sparsamkeit Rechnung getragen).

Im ersten Schritt sind Preis und Leistung gleich gewichtet. Der Preis ist aber in weiterer Folge kein notwendiges Entscheidungskriterium (vgl. OLG Düsseldorf, VII – Verg 08/05). Bei e-Health-Projekten ist die Festlegung der Leistungskennzahl als Entscheidungskriterium ohnedies sachgerecht, zweckmäßig und begründet (s.o.).

Kriterien für die Qualitätsbewertung

Das Kriterium Qualität sollte wegen seines hohen Wertigkeitsfaktors weiter strukturiert werden. Wir empfehlen die Gliederung in die folgenden sechs Unterkriterien (Themenbereiche):

Für jeden Themenbereich hat der Bieter ein Konzept einzureichen. Die Qualität der vom Bieter erarbeiteten Konzepte bestimmt die Anzahl der vergebenen Leistungspunkte. Naturgemäß kann die Vergabestelle nicht vorab den Inhalt aller denkbaren Konzepte im Detail prognostizieren und folgerichtig auch die weiteren Wertungsmaßstäbe je Konzept nicht zu 100 % hinterlegen. Gleichwohl werden im Sinne größtmöglicher Transparenz je Konzept positive wie negative Aspekte aufgeführt, die keineswegs abschließend zu verstehen sind, aber aufzeigen sollen, worauf es der Vergabestelle bei der Bewertung jedenfalls ankommen wird.

Beispiel: Bewertung des Konzepts zum Versorgungsprogramm

Positiv: Die Bausteine und Maßnahmen des Versorgungsprogramms orientieren sich an den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Leitlinien, an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der einzelnen Teilnehmer sowie an der Versorgungsrealität; sie richten sich – bereits beginnend mit der Methodik der Kandidatenidentifikation – nach dem Versorgungsbedarf und zielen auf eine optimale Qualität und Wirtschaftlichkeit der Zielpopulation entlang der gesamten Versorgungskette (von der Ansprache der Kandidaten bis zur Erfolgsmessung); die Darstellungen und Nachweise zum Datenschutz sind schlüssig und überzeugend; es besteht ausreichende Evidenz für Innovation (die auch für die Versicherten erfahrbar wird) und einen leistungsfähigen Innovationsprozess (d.h. überzeugende Ansätze, existierende Prototypen und konkrete und plausible Pläne für die Weiterentwicklung des Versorgungsprogramms, insbesondere in Hinblick auf die Digitalisierung).

Negativ: Über- oder Unterversorgung, praxisferne Darstellungen, fehlende Individualisierung des Coachings, für den Teilnehmer aufwändiges Monitoring, mangelnde Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit der Prozesse, fehlende Beispiele oder lückenhafte Dokumentation der Erfüllung datenschutzrechtlicher Anforderungen, wenig plausible oder riskante Ansätze für die zukünftige Weiterentwicklung des Versorgungsprogramms.

Eine ausführliche Beschreibung aller Unterkriterien findet sich in der UfAB-e-Health

Die kompletten Musterunterlagen befinden sich zum Download in der Dokumentenbibliothek des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) hier [1].

In jedem Falle wird eine Rolle spielen, wie plausibel und nachvollziehbar die Darstellung ist, denn schließlich werden die Konzepte Teil des Vertrags, d. h. sie werden in der Leistungserbringung eine erhebliche Rolle spielen.

Leistungsbeschreibung

Die Leistungsbeschreibung der Krankenkasse ist teil-funktional angelegt, d. h. es gibt je Leistungsteil (Themenbereich) konkrete Vorgaben der Auftraggeberin, ergänzt um Konzepte des Bieters, welche dieser anlässlich des dem Vertrag zugrundliegenden Vergabeverfahrens vorgelegt hat und die nun neben dem Vertragstext und der Leistungsbeschreibung Basis der Leistungserbringung sind. Begründung:

Auf dem sich rasche entwickelnden e-Health-Markt verfügen die Bieter oft über mehr technische Kenntnis und Erfahrung als die Vergabestelle. Die Krankenkasse sollte daher zwar den Rahmen für die von ihr nachgefragte Leistung vorgeben, die Einzelheiten der Umsetzung aber besser von den Bietern erfragen. So kann die Krankenkasse das Risiko einer nicht sachgerechten Nachfrage minimieren und sich gleichzeitig einen guten Überblick über den Stand der Technik verschaffen; sie kann sich für den Bieter mit den überzeugendsten Konzepten entscheiden. Die Bieter werden in die Pflicht genommen, die versprochenen Konzepte tatsächlich zu liefern, weil diese schließlich zum Vertragsbestandteil werden.  Die Krankenkasse kann sich für den Bieter mit den überzeugendsten Konzepten entscheiden.

Bewertung der Kompetenz von Personen

Gerade bei e-Health-Projekten ist es sachgerecht, die fachlichen Qualitäten eines Bieters besonders im Rahmen der Zuschlagskriterien zu berücksichtigen. Diese Möglichkeit wurde mit der letzten Vergaberechtsreform sowohl oberhalb (§ 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV) wie unterhalb der EU-Schwelle (§ 43 Abs. 2 Nr. 2 UVgO) geschaffen: Die Kompetenz (intellektuelle Leistungsfähigkeit), welche mit Erfahrungswerten zu prüfen ist, wird durch die personelle Ausstattung des Bieters geprägt. Woher diese Kenntnisse stammen, ist unerheblich, weshalb Mitarbeiter ihre Kenntnisse und Erfahrungen nach einhelliger Rechtsprechung auch bei anderen Unternehmen gemacht haben dürfen (grundlegend OLG Jena, 9 Verg 7/09, ebenso u.a. VK Sachsen, 1/SVK/010-14). Denn Know-how ist offensichtlich personenbezogen und nicht abhängig von einer juristischen Person (z. B. Klinikträger oder GmbH), welche nur die rechtliche Hülle darstellt und von der Kompetenz ihrer Mitarbeiter lebt, gerade wenn es um derartige Dienstleistungen geht. In der Konsequenz ist von der Auftraggeberin zu prüfen, ob die angegebenen Referenzen insoweit glaubwürdig sind, als die Personen, welche zum Gelingen der angegebenen Referenzen beigetragen haben, zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe tatsächlich noch im Unternehmen sind.

Fazit

Insgesamt stellt die UfAB-e-Health eine sachgerechte Basis für Ausschreibungen im e-Health-Bereich dar. Es steht zu hoffen, dass die Krankenkassen endlich dem Bedarf entsprechend derartige Leistungen zum Wohle der Patientinnen und Patienten beschaffen.

Anmerkung der Redaktion

Wenn Sie noch kein Mitglied im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) sind, können Sie eine kostenlosen Mitgliedschaft hier [2] beantragen.

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Über Dr. Klaus Greb [3]

Herr Dr. Klaus Greb ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht und Gründungspartner der Anwaltssozietät VERGABEPARTNERS [4]. Dr. Greb berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in zuwendungsrechtlichen Fragestellungen und führt Nachprüfungsverfahren bzw. Gerichtsprozesse. Er ist Herausgeber eines online‐Kommentars zum Sektorenvergaberecht, Mitautor im Standardkommentar „Ziekow/Völlink“, ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Vergaberecht“ und häufig Vortragender bei Tagungen, u. a. der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften.

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