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Der Fisch an der Angel – oder: der Decoy-Effekt – lassen Sie sich (nicht) täuschen! (Teil 1 von 4)

Haben Sie schon einmal geangelt? Dann wissen Sie, dass Sie einen Köder brauchen. So funktioniert auch der sog. Decoy- (engl.: Köder) Effekt. Vielleicht sind Sie ihm sogar kürzlich selbst zum Opfer gefallen, zum Beispiel im letzten vorweihnachtlichen Geschenkebeschaffungsprozess. Beim Decoy-Effekt handelt es sich um eine verkaufspsychologische Maßnahme zur Beeinflussung menschlichen Kaufverhaltens. Zur Illustration ein paar Beispiele aus Wikipedia [1], auch wenn leicht erkennbar ist, dass mittlerweile aufgrund des technischen Fortschritts die Leistungs- und Preisangaben des Beispiels eigentlich nicht mehr marktgerecht sind. Sei’s drum, es geht ja ums Verstehen des Prinzips.

Ein Beispiel für den Decoy-Effekt

Nach dem zitierten Beispiel von Wikipedia geht es um die Anschaffung eines MP3-Players, wobei es zum einen auf den verfügbaren Speicherplatz (Leistungskriterium) und zum anderen auf den Preis ankommt.
Es liegen die zwei Angebote (Produkte) A und B mit folgenden Werten vor:

Angebot A B
Leistung 30 GB 20 GB
Preis 400 € 300 €

Nun, die Bauchentscheidung scheint erstmal schwierig zu sein. Aber wie wäre es, wenn ein drittes Angebot (Produkt) namens C1 vorliegen würde?

Angebot A B C1
Leistung 30 GB 20 GB 25 GB
Preis 400 € 300 € 450 €

Das Angebot C1 ist noch teurer als das Angebot A und hat mit 25 GB statt 30 GB aber weniger Speicherplatz. C1 hat etwas mehr Speicher als das Angebot B, aber ist sehr viel teuer als Angebot B.

In dieser Dreierkonstellation wirkt das Angebot A nun für viele als deutlich attraktiver; das Angebot C1 war also der „Köder“, um den Absatz des Produkts A zu steigern.

Und es geht auch umgekehrt:

Nehmen wir als Köderangebot nun das Produkt C2 statt C1:

Angebot A B C2
Leistung 30 GB 20 GB 15 GB
Preis 400 € 300 € 350 €

Das Angebot C2 hat mit 15 GB noch weniger Speicherplatz als Angebot B, aber es ist teurer als Angebot B. In dieser neuen Dreierkonstellation wirkt plötzlich das Angebot B für viele attraktiver; das Köderangebot C2 hilft also, den Absatz des Produkts B zu steigern.

 

[2]

Psychologisch angreifbare Zuschlagsformeln?

Nun gut, werden Sie jetzt vielleicht sagen, vielleicht bin ich im privaten Umfeld schon mal auf solche Köder-Situationen hereingefallen. Aber als Leser des Vergabeblogs und als professioneller Beschaffer kann mir das nicht passieren. Denn da verwenden wir ja Zuschlagsformeln, die streng mathematisch und daher unbestechlich, neutral und nicht anfällig für solche verkaufspsychologischen Tricks sind.

Dass Sie sich da mal nicht täuschen! Nichts ist wie es scheint…

Anmerkung der Redaktion

Der Beitrag wird wie folgt fortgesetzt:

Teil 2: Der Decoy-Effekt und die UfAB-II Formel erschien auf [3]
Teil 3: Der Decoy-Effekt und die Interpolationsformel erschien auf [4]
Teil 4: Mathematische Würdigung und Praxistipp auf [5].

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Über Wolfgang Bartsch [6]

Dipl.-Inform. (univ.) Wolfgang Bartsch ist Managing Consultant im Bereich Beschaffungsberatung bei der IABG mbH [7]. Er berät öffentliche Auftraggeber und Bieter bei Vergabeverfahren, insbesondere bei Ausschreibungen von komplexen und technisch anspruchsvollen IT-Lösungen wie beispielsweise landesweite Behördennetze oder große Outsourcingvorhaben. Seit vielen Jahren untersucht er Zuschlagsformeln auf mathematische Schwächen und hat dazu unter anderem auch die UfAB Arbeitsgruppe beraten.

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