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Das nächste Opfer im Handelskrieg? – Trump droht mit einem Austritt der USA aus dem GPA

Wie auch auf diesem Blog ( [1]) zu lesen war, erwägen die USA Berichten (bloomberg.com [2]) zufolge, ihre Mitgliedschaft im Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA der Welthandelsorganisation [3]) aufzukündigen. Über die Hintergründe und möglichen Folgen diskutierten am 18. Februar 2020 Experten im WTO-Recht und Vergaberecht im Rahmen eines Kolloquiums [4] an der George Washington University Law School in Washington, D.C. Dabei wurde deutlich, dass die Konsequenzen eines Austritts keinesfalls auf die USA beschränkt wären, sondern auch in der deutschen und europäischen Vergaberechtspraxis spürbar sein würden.

Das Government Procurement Agreement

Das zuletzt von der US-Regierung ins Visier genommene GPA ist ein völkerrechtliches Übereinkommen unter dem Dach der Welthandelsorganisation. Es verpflichtet seine Mitglieder auf dem Gebiet der öffentlichen Auftragsvergabe zur Inländerbehandlung und Nichtdiskriminierung und stellt eine Reihe von Transparenz-, Anti-Korruptions- und Verfahrensregelungen auf, um einen fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu ermöglichen. Mit derzeit 48 WTO-Mitgliedern [5] (darunter die Europäische Union und ihre Mitglieder sowie das vereinigte Königreich, Kanada, Japan, die USA sowie weitere Industriestaaten), wird geschätzt, dass das GPA öffentliche Beschaffungen von Waren und Dienstleistungen im Wert von insgesamt 1,7 Billionen US-Dollar umfasst. Beitritte weiterer großer Volkswirtschaften wie China, Indien, Russland und zuletzt Brasilien sind angekündigt oder werden bereits konkret verhandelt.

Trotz seines Erfolges wird das Übereinkommen in den USA als unausgewogen und für die Vereinigten Staaten nachteilig kritisiert – ein mittlerweile bekanntes Argument, das schon mit Bezug auf eine Reihe anderer internationaler Vereinbarungen vorgetragen wurde. Auch insoweit favorisiert die aktuelle US-Regierung bilaterale statt multilaterale Vereinbarungen. Sie verspricht sich hiervon, im Rahmen hart geführter Verhandlungen günstigere „Deals“ zu erreichen. Im Bereich des Beschaffungswesens soll das insbesondere strenge Reziprozität bedeuten: Der US-Markt soll nur so weit geöffnet werden, wie der jeweilige Vertragspartner seinen Markt seinerseits öffnet („dollar for dollar“) – eine Strategie, die bei Experten für Kopfschütteln sorgt (siehe etwa hier [6] und hier [7]).

Folgen eines Austritts der USA

Wie von den Teilnehmern des Kolloquiums energisch vertreten, droht ein GPA-Austritt nicht nur politische, sondern vor allem wirtschaftliche Nachteile für die USA mit sich zu bringen. Mit einer Aufkündigung der Mitgliedschaft würden sich die USA selbst bis auf weiteres den Zugang zu wichtigen Märkten verschließen. Dies schließt beispielsweise Kanada mit ein, da das neue Freihandelsabkommen zwischen den beiden Staaten und Mexiko den USA – gerade im Vertrauen auf das GPA – keinen Zugang zum kanadischen Markt garantiert. Die Vereinigten Staaten verlören darüber hinaus ihren Einfluss auf die Beitrittsverhandlungen mit China, Russland und anderen Staaten sowie auf die Festlegung zukünftiger internationaler Standards im Vergaberecht.

Auch die wahrscheinlich folgenden Reaktionen der verbliebenen GPA-Mitglieder wären für die USA riskant. Verlieren mit dem Austritt Unternehmen aus GPA-Mitgliedstaaten ihre privilegierte Stellung und damit den Zugang zum US-Markt, ist nicht unwahrscheinlich, dass die GPA-Staaten auf den Protektionismus der USA mit gleichen Mitteln antworten. Es droht eine Ausdehnung des sog. Handelskrieges (The Washington Post [8]).

Das International Procurement Instrument der EU

Nach Ansicht der EU-Kommission (vgl. 2019/C 271/02, hier [9], S. 4) soll es zwar schon nach geltender Rechtslage nicht nur im Anwendungsbereich der Sektorenrichtlinie, sondern allgemein möglich sein, Unternehmen aus Drittstaaten von Vergabeverfahren auszuschließen, wenn deren Ursprungsland seinerseits Vergabeverfahren nicht zugunsten von Unternehmen aus der EU öffnet (siehe auch Stibbe, hier [10]). Zwingende Vorgaben können seitens der EU allerdings nicht für ihre Mitgliedstaaten gemacht werden. Überdies erscheint es fraglich, ob diese Ausschlussmöglichkeit in allen Mitgliedstaaten tatsächlich besteht. In Deutschland jedenfalls dürfte – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 55 SektVO – ein Ausschluss von Unternehmen aus Drittländern wegen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 97 II GWB) problematisch sein.

Zur Ermöglichung eines koordinierten, unionsweiten Vorgehens hegt die EU daher schon länger Pläne für eine als „International Procurement Instrument“ bezeichnete Verordnung. Mit der Verordnung soll es ermöglicht werden, Unternehmen aus Drittstaaten unionsweit den Zugang zur öffentlichen Auftragsvergabe zu beschränken, wenn in diesen Ländern europäische Firmen benachteiligt werden. Legt die Kommission eine solche Sanktionierung fest, wäre dies für die Mitgliedstaaten verpflichtend. Die Verordnung, deren überarbeiteter Entwurf (COM/2016/034 final, hier [11]) bereits Anfang 2016 vorgestellt wurde, zielte zwar insbesondere auf China (siehe Süddeutsche Zeitung [12]) ab. Ein Austritt der USA aus dem GPA könnte ihr allerdings neue Relevanz und Dringlichkeit verleihen. Dieser Impuls könnte dazu führen, dass der Streit, wie die konkreten Sanktionsmöglichkeiten im Detail ausgestaltet werden sollen, schnell beigelegt wird. Gerade mit Blick auf die USA würden sich allerdings praktische Herausforderungen stellen, wenn wichtige US-amerikanische Unternehmen aus Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müssten.

Ausblick

Bislang ist ein Austritt der USA aus dem GPA lediglich ein Druckmittel, womöglich auch um Reformen des GPA in ihrem Interesse durchzusetzen. Angesichts zurückliegender Erfahrungen mit der derzeitigen US-Regierung erscheint jedoch auch ein tatsächlicher Austritt keinesfalls ausgeschlossen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein internationales Abkommen überraschend und entgegen den Empfehlungen von Experten aufgekündigt würde. Die kurz- und langfristigen Auswirkungen auf die europäische und deutsche Vergabepraxis sind dabei nicht zu unterschätzen.

Kontribution

Der Autor dankt Professor Christopher R. Yukins und Professor Robert D. Anderson sowie den übrigen Teilnehmern des Kolloquiums für die spannende Diskussion. Besonderer Dank gebührt darüber hinaus Ricardo Campello für die Zurverfügungstellung seiner Mitschriften.

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Über Dr. Pascal Friton, LL.M. [13]

Pascal Friton ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht. Er ist Partner der Kanzlei BLOMSTEIN [14] in Berlin. Er berät seit über 10 Jahren sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Bieter in verschiedenen Wirtschaftssektoren. Who’s Who Legal führt ihn seit 2016 als einen der führenden Vergaberechtler weltweit. Er veröffentlicht regelmäßig in nationalen und internationalen Fachzeitschriften und hält Vorträge zu vergaberechtlichen Themen auf Konferenzen und Seminaren in Deutschland, Europa und den USA. Er wirkt darüber hinaus als Autor und Referent am Fernlehrgang “Public Procurement Regulation in the EU and in its Global Context” am King’s College London mit.

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