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Kostenersatz für die Vervielfältigung von Vergabeunterlagen – Oder eine Kurzanleitung, wie man Bieter von Ausschreibung fernhält

Vergabestellen in ganz Deutschland beklagen sich, dass sie vor allem bei Aufträgen unterhalb des Schwellenwerts kaum noch Bieter finden, die bei Ausschreibungen Angebote abgeben. Fragt man nach den Gründen, werden hierfür – neben den ohnehin vollen Auftragsbüchern vor allem von Bau- und Handwerksbetrieben infolge der guten Konjunktur – häufig die formalen Anforderungen in den gesetzlichen Regelungen, die Unmengen an auszufüllenden Erklärungen und einzureichenden Nachweisen oder die E-Vergabe genannt. Manche Vergabestellen nutzen die Spielräume zur Vereinfachung der Teilnahme an Vergabeverfahren jedoch nicht vollständig aus, wie dieser Beitrag zeigt.

Für Bauvergaben unterhalb des EU-Schwellenwertes gilt die VOB/A 2019. Anders als in der UVgO (§ 7 UVgO) ist in der VOB/A die elektronische Kommunikation (E-Vergabe) nicht vorgeschrieben. Vergabestellen können daher die E-Vergabe nutzen oder die herkömmliche „Papierform“ wählen. Werden Vergabeunterlagen postalisch zur Verfügung gestellt, muss er dafür Sorge tragen, dass die Bieter die Vergabeunterlagen schnellstmöglich erhalten und diese „unverzüglich in geeigneter Weise übermitteln“ (§ 12a Abs. 1 VOB/A). Von klassischen Bieterunternehmen bei Bauvergaben im Unterschwellenbereich, also etwa von ortsansässigen oder regionalen Bauunternehmen und Handwerksbetrieben, hört man auch durchaus häufig, dass die E-Vergabe zu aufwendig sei, dass die Plattformen zu kompliziert seien und dass man – wenn man schon an Vergabeverfahren teilnimmt (oder: teilnehmen muss) – die „klassische Papierform“ am liebsten hat. Auch so manche Vergabestellen kann bestätigen, dass bei einer E-Vergabe häufig gar kein Angebot eingeht.

So weit, so gut (oder: soweit, so schlecht, je nach Sichtweise), sollte man denken. Wenn das geltende Recht die Möglichkeit bietet, mit Papier zu arbeiten oder Leistungsverzeichnisse und Pläne auf CD-ROM zur Verfügung zu stellen, dann sollen Vergabestellen diese Möglichkeit nutzen; jedenfalls solange sich die E-Vergabe noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat und sich die (unbestreitbaren) Vorteile der E-Vergabe in den Köpfen aller Beteiligten – Vergabestellen und Bieter – noch nicht offenbart haben.

Wegen der ohnehin oftmals vollen Auftragsbücher der Bauunternehmen und Handwerksbetriebe wird man den Markt der „Bauaufträge für die öffentliche Hand“ derzeit wohl als Anbietermarkt bezeichnen können, also als einen Markt, bei dem die Anbieter der Leistungen (also die Bauunternehmen und Handwerksbetriebe) nicht auf Aufträge der öffentlichen Hand angewiesen sind und es sich leisten können, nicht bei jeder Ausschreibung mitzumachen. Hinzu kommt, dass die öffentliche Hand trotz des unbestreitbaren Vorteils, dass es sich um einen in jeder Hinsicht solventen Schuldner handelt, nicht immer ein uneingeschränkt gern gesehener Vertragspartner ist. Häufig wird z.B. beklagt, dass die Bezahlung von Rechnungen übermäßig lange dauert, wodurch mancher kleinere Betrieb in Liquiditätsprobleme geraten kann. Daher sollten Vergabestellen keine unnötigen Hürden für die Beteiligung an Vergabeverfahren aufbauen. Wirft man aber einen zufälligen Blick in Bekanntmachungen für Bauaufträge nach der VOB/A auf den Internetseiten so mancher Kommune, so ist häufig genau das Gegenteil der Fall. Immer wieder stößt man darauf, dass der Versand der Vergabeunterlagen postalisch auf Papier oder CD-ROM geschieht – was für sich genommen auch gar kein Problem ist -, aber nur gegen „gegen Kostenersatz“. Es heißt dann oft: „Der Postversand erfolgt nur bei Vorlage eines Verrechnungsschecks oder einer Bankeinzugsermächtigung.“ Manche Vergabestellen erlauben sogar nur Verrechnungsschecks und schließen eine Banküberweisung ausdrücklich aus.

Der erste Blick geht ins Gesetz. Kann das im Jahre 2020 noch zulässig sein? Ja, ist es. Anders als die UVgO erlaubt § 8b Abs. 1 VOB/A Nr. 1 bei der öffentlichen Ausschreibung, „eine Erstattung der Kosten für die Vervielfältigung der Leistungsbeschreibung und der anderen Unterlagen sowie für die Kosten der postalischen Versendung“ zu verlangen. In der Bekanntmachung sind die „Höhe und Bedingungen für die Zahlung des Betrags, der für die Unterlagen zu entrichten ist“ anzugeben (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. m) VOB/A). Bereits aus der Bekanntmachung muss also ersichtlich sein, wie – und wie viel – Bieter bezahlen müssen, um an die Vergabeunterlagen zu kommen.

Aber muss das wirklich sein? Sollte man in einem Umfeld, in dem es ohnehin schwierig ist, überhaupt noch Bieter zu finden, den interessierten Bietern die Teilnahme an einer Ausschreibung nicht so einfach wie möglich machen? Die Frage beinhaltet bereits die Antwort: Ja, man sollte. Natürlich sind Kommunen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet. Sie müssen Einnahmen erheben, wo es möglich und zulässig ist. Hieraus kann aber keine Pflicht abgeleitet werden, Kostenersatz für die Vervielfältigung und den Versand von Vergabeunterlagen zu verlangen. Es wäre auch interessant, einmal eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchzuführen und zu errechnen, ob die Kosten für alle Arbeitsschritte, die mit der Anforderung, Einlösung und Buchung des Kostenersatzes zusammenhängen, nicht sogar höher sind als der Kostenersatz als solcher, d.h. ob der Kostenersatz für Vergabeunterlagen dem Gesamthaushalt einer Kommune nicht sogar schadet. Dies kann der Verfasser naturgemäß nicht beurteilen. Aber begrenzt man den Betrag in der Höhe auf den nach § 8b Abs. 1 Nr. 1 VOB/A allein zulässigen Kostenersatz für die Vervielfältigung der Vergabeunterlagen und die Versandkosten, dann dürfte die Arbeitskraft des Beschäftigten einer Kommune für die Einlösung des Verrechnungsschecks oder das Ausfertigen, Ausdrucken und Versenden des SEPA-Formulars für den Bankeinzug und die Buchung des Betrags wahrscheinlich teurer sein als ein paar Euro Kostenersatz.

Häufig ist es dann auch die geforderte Höhe des „Kostenersatzes“, die endgültig dazu führt, dass Bieter jegliche Lust zur Teilnahme an einer Ausschreibung verlieren. Manche Vergabestellen verlangen 50 bis 70 Euro, andere 100 Euro, und wiederum andere scheuen sich nicht, sogar mehr als 100 Euro zu verlangen. Dies führt nicht nur zur Verärgerung bei Bietern, die sich wundern, dass sie einen hohen zwei- oder gar dreistelligen Betrag bezahlen müssen, um ein paar Tage später einen mit 2,70 Euro frankierten Umschlag mit einer oder zwei CD-ROMs zu erhalten. Es ist nach Auffassung des Verfassers auch rechtswidrig. Denn die Höhe des Entgelts darf die tatsächlichen und nachgewiesenen Kosten der Vervielfältigung der Vergabeunterlagen sowie der Portokosten nicht übersteigen (vgl. insgesamt Völlink, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, § 8b VOB/A Rn. 3). Dies sind in erster Linie Kosten für Papier und Druckfarbe oder für gebrannte CDs. Welche Kosten dürfen hier angesetzt werden? Wirft man einen Blick in verschiedene Rechtsverordnungen zu Gebührengesetzen und forscht nach der Höhe für „Kopierkosten“, so reichen diese im Schnitt von 0,10 Euro bis 0,50 Euro pro DIN A 4-Seite. Für „klassische“ Vergabeunterlagen mit einem Umfang von 50 Seiten sind dies Kopierkosten zwischen 5 Euro und 25 Euro. Gerade bei Bauausschreibungen enthalten die Vergabeunterlagen aber in der Regel Pläne, Zeichnungen u.ä. und werden gar nicht ausgedruckt, sondern auf CD-ROM gebrannt. 50 CD-Rohlinge kosten zwischen 10 und 15 Euro, was zu deutlich niedrigeren Kosten von in jedem Fall unter 0,50 Euro pro CD führt. Hinzu kommen die Geräte-, Abschreibungs- und sonstigen Gemeinkosten, die nur anteilig (also für den konkreten Ausdruck oder die konkrete CD-ROM) angesetzt werden dürfen, daneben Kosten für einen Aktenordner o.ä. (wenn Papier ausgedruckt wird) und die reinen Versandkosten. Ein Aktenordner kostet etwa einen Euro, die Versandkosten für eine CD-ROM dürften zwei Euro und die für den Versand eines Aktenordners fünf Euro kaum übersteigen. Personalkosten dürfen nur angesetzt werden, wenn das Personal nur für die Vervielfältigung der Unterlagen oder das Brennen von CDs eingestellt worden ist. Dies dürfte kaum je der Fall sein, und auch Praktikanten, die in Behörden mitunter immer noch die Unterlagen kopieren müssen, erhalten auch keine Vergütung.

Vergabestellen dürfen zwar eine Pauschale festsetzen, da es ihnen nicht zuzumuten ist, bei jeder Ausschreibung aufs Neue die tatsächlichen entstandenen Kosten zu berechnen. Diese muss aber angemessen sein und sich an den tatsächlichen Kosten orientieren. Nach Auffassung des Verfassers kann ein zweistelliger Eurobetrag hierbei überhaupt nur dann angemessen sein, wenn Papier in größerem Umfang verschickt wird. Werden die gesamten Vergabeunterlagen auf CD-ROM verschickt, können die reinen Kosten einen einstelligen Betrag an sich nicht übersteigen. 70 Euro oder gar 100 Euro dürften nicht angemessen sein und haben dann nur einen Effekt: Bieter schütteln den Kopf, nehmen nicht mehr an einer Ausschreibung teil und kümmern sich lieber weiter um Kunden aus der Privatwirtschaft.

Vergabestellen sollten alle Möglichkeiten nutzen, die Teilnahme an einer Ausschreibung attraktiv zu machen. Mit der Forderung, erst einen (überhöhten) Kostenersatz für Vergabeunterlagen zu bezahlen, erreichen sie nach Auffassung des Verfassers das genaue Gegenteil. Dieser Beitrag darf daher durchaus als Appell verstanden werden, auf Kostenersatz für Zusendung von Vergabeunterlagen zu verzichten.

Dasselbe gilt im Übrigen für die Abforderung von Unterlagen und Eigenerklärungen mit dem Angebot. Auch hier sollten Vergabestellen mit Augenmaß vorgehen und sich vergegenwärtigen, dass das Zusammenstellen eines Angebots, die Einholung vor allem von Fremdnachweisen und das richtige Ausfüllen von Eigenerklärungen manches Unternehmen über Tage beschäftigen kann. Auch dies sollte daher zur Vereinfachung des gesamten Procederes auf das absolut notwendige Maß beschränkt werden.

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Über Henning Feldmann [1]

Henning Feldmann ist Fachanwalt für Vergaberecht und Rechtsanwalt bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte [2], Köln. Er berät öffentliche Auftraggeber und Bieter bundesweit bei allen Fragestellungen rund um das Vergaberecht und der angrenzenden Rechtsgebiete. Sein Schwerpunkt liegt im öffentlichen Gesundheitssektor, dem Bereich der Gesundheitsdienstleistungen und der Beschaffung von Medizinprodukten und Arzneimitteln. Henning Feldmann ist Mitautor des BeckOK Vergaberecht und Autor diverser Fachveröffentlichungen.

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