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EU-Kommission stößt Debatte über marktverzerrende Subventionen aus Drittstaaten an

Entscheidung-EUDie Europäische Kommission will bei Firmenübernahmen durch staatlich subventionierte Akteure aus Drittstaaten fairen Wettbewerb durchsetzen, ebenso bei öffentlichen Ausschreibungen. Dazu hat sie vergangenen Mittwoch ein Weißbuch [1] angenommen, in dem dargelegt wird, wie den verzerrenden Wirkungen drittstaatlicher Subventionen im Binnenmarkt begegnet werden kann. „Die europäische Wirtschaft ist offen und stark in die Weltwirtschaft eingebunden. Damit dies eine Stärke bleibt, müssen wir wachsam sein. Wir brauchen geeignete Instrumente, um – ebenso wie bei Subventionen von Mitgliedstaaten – sicherzustellen, dass auch Subventionen aus Drittstaaten keine Verzerrungen in unserem Markt bewirken“, sagte Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager.

Nun holt die Kommission bei allen Interessenträgern Stellungnahmen zu den im Weißbuch aufgezeigten Optionen ein. Mit der bis zum 23. September 2020 laufende öffentliche Konsultation [2] will die Kommission einen möglichen Legislativvorschlag vorbereiten.

Binnenmarktkommissar Thierry Breton sagte: „Mit dem heute angenommenen Weißbuch legen wir ein Kernelement unserer Vision für die Neue Industriestrategie für Europa vor, die auf Wettbewerb, offene Märkte und einen starken Binnenmarkt setzt. Faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt stehen im Mittelpunkt dieser Initiative. Sie werden unseren Unternehmen helfen, sich auf dem Weltmarkt zu positionieren und im globalen Wettbewerb zu bestehen. Dies fördert die offene strategische Autonomie der EU. Im Rahmen unseres Regelwerks für den Binnenmarkt müssen wir verhindern, dass Subventionen aus Drittstaaten Vergabeverfahren verzerren, und dafür sorgen, dass Unternehmen fairen Zugang zu öffentlichen Aufträgen erhalten.“

Handelskommissar Phil Hogan sagte: „Die EU zählt zu den offensten Volkswirtschaften der Welt und zieht umfangreiche Investitionen unserer Handelspartner an. Unsere Offenheit wird jedoch zunehmend durch Handelspraktiken von Drittstaaten auf die Probe gestellt – so auch durch Subventionen, die die Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in der EU verzerren. Das Weißbuch ergänzt andere EU-Instrumente wie die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen und Handelsschutzmaßnahmen. Es bereichert unser Instrumentarium für eine offene strategische Autonomie.“

Die Wettbewerbsregeln, handelspolitischen Schutzinstrumente und Vergabeverfahren der EU spielen für die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt eine wichtige Rolle.

Bei Subventionen durch Mitgliedstaaten werden seit jeher die EU-Beihilfevorschriften angewendet, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Drittstaatliche Subventionen für Unternehmen in der EU haben anscheinend zunehmend negative Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt, unterliegen aber nicht der EU-Beihilfenkontrolle. Die Zahl der Fälle steigt, in denen Subventionen aus Drittstaaten offenbar den Erwerb von EU-Unternehmen erleichtert haben oder Investitionsentscheidungen, das Marktgeschehen, die Preispolitik der Begünstigten oder öffentliche Vergabeverfahren zum Nachteil der nichtsubventionierten Unternehmen verzerrt haben.

Außerdem betreffen die bestehenden Handelsschutzregeln nur Warenexporte von Drittstaaten, sodass damit nicht alle durch drittstaatliche Subventionen bewirkten Verzerrungen angegangen werden können. Wenn solche Subventionen in Form von Finanzströmen den Erwerb von EU-Unternehmen erleichtern, den Betrieb von Unternehmen in der EU direkt unterstützen oder die Angebotsabgabe bei öffentlichen Vergabeverfahren erleichtern, besteht offensichtlich eine Regelungslücke.

Im Weißbuch werden daher Lösungen vorgeschlagen und neue Instrumente angeregt, um diese Regelungslücke zu schließen. Vor diesem Hintergrund werden mehrere Ansätze zur Diskussion gestellt. Die ersten drei Optionen (sogenannte „Teilinstrumente“) stellen auf die verzerrenden Auswirkungen drittstaatlicher Subventionen

1. im Binnenmarkt allgemein (Teilinstrument 1),

2. beim Erwerb von EU-Unternehmen (Teilinstrument 2) und

3. bei EU-Vergabeverfahren (Teilinstrument 3) ab.

Diese Teilinstrumente sind nicht als Alternativen zu sehen, sondern ergänzen einander. Zudem wird im Weißbuch ein allgemeiner Ansatz im Hinblick auf drittstaatliche Subventionen im Zusammenhang mit EU-Finanzierungen dargelegt.

Allgemeines Instrument zur Erfassung der verzerrenden Auswirkungen drittstaatlicher Subventionen (Teilinstrument 1)

Im Rahmen des Teilinstruments 1 wird die Einführung eines allgemeinen Marktbeobachtungsinstruments vorgeschlagen, um alle Situationen zu erfassen, in denen Subventionen aus Drittstaaten Verzerrungen im Binnenmarkt bewirken können.

Die Aufsichtsbehörde (eine Behörde des betreffenden Mitgliedstaats oder die Kommission) könnte dann auf einen Hinweis oder die Information hin, dass ein Unternehmen in der EU durch die Subvention eines Drittstaats begünstigt wird, tätig werden. Bei Vorliegen einer drittstaatlichen Subvention würde die Aufsichtsbehörde Maßnahmen verhängen, um der zu erwartenden verzerrenden Wirkung zu begegnen. Sie könnte beispielsweise Rückzahlungen fordern oder strukturelle oder verhaltensbezogene Abhilfemaßnahmen vorsehen. Die Aufsichtsbehörde könnte jedoch auch die Auffassung vertreten, dass die subventionierte Tätigkeit oder Investition eine positive Wirkung hat, die die Verzerrung überwiegt, und die Untersuchung (Prüfung des Vorliegens eines Unionsinteresses) einstellen.

Subventionen aus Drittstaaten zur Erleichterung des Erwerbs von EU-Unternehmen (Teilinstrument 2)

Teilinstrument 1 könnte durch Teilinstrument 2 ergänzt werden, mit dem insbesondere Verzerrungen begegnet werden soll, die durch drittstaatliche Subventionen zur Erleichterung des Erwerbs von EU-Unternehmen verursacht werden. Mit diesem Teilinstrument soll sichergestellt werden, dass drittstaatliche Subventionen ihren Empfängern beim Erwerb anderer Unternehmen in der EU (bzw. von Beteiligungen) weder direkt durch die Verknüpfung einer Subvention mit einem bestimmten Erwerb noch indirekt durch die Stärkung der Finanzkraft des Erwerbers einen unfairen Vorteil verschaffen.

Im Rahmen des Teilinstruments 2 müssten Unternehmen, die von einem Drittstaat finanzielle Unterstützung erhalten, den Erwerb von EU-Unternehmen oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts bei der zuständigen Aufsichtsbehörde anmelden. Im Weißbuch wird die Kommission als zuständige Aufsichtsbehörde vorgeschlagen. Die Transaktionen könnten erst nach Abschluss der von der Kommission durchgeführten Prüfung vollzogen werden. Sollte die Aufsichtsbehörde feststellen, dass der Erwerb durch eine drittstaatliche Subvention erleichtert wird und Verzerrungen im Binnenmarkt bewirkt, könnte sie entweder Verpflichtungsangebote des Anmelders, die die Verzerrung wirksam beseitigen, akzeptieren oder letztlich den Erwerb untersagen. Auch bei diesem Teilinstrument könnte die Kommission das Vorliegen eines Unionsinteresses prüfen.

Subventionen aus Drittstaaten bei EU-Vergabeverfahren (Teilinstrument 3)

Drittstaatliche Subventionen könnten sich auch auf die Durchführung von EU-Vergabeverfahren negativ auswirken. Dieses Problem soll durch das Teilinstrument 3 angegangen werden. Subventionen aus Drittstaaten können es Bietern ermöglichen, zum Beispiel durch unter dem Marktpreis liegende oder nicht kostendeckende Gebote einen unfairen Vorteil zu erlangen. So könnten sie bei öffentlichen Vergabeverfahren Aufträge erhalten, die sie ansonsten nicht bekommen würden. Im Rahmen dieses Teilinstruments wird ein Mechanismus vorgeschlagen, bei dem die Bieter dem öffentlichen Auftraggeber etwaige von Drittstaaten erhaltene Zuwendungen melden müssten. Der öffentliche Auftraggeber und die zuständige Aufsichtsbehörde könnten dann prüfen, ob eine drittstaatliche Subvention vorliegt und dem Bieter einen unfairen Vorteil verschafft hat. In diesem Fall würde der Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Drittstaatliche Subventionen und EU-Finanzierungen

Im Weißbuch wird auch aufgezeigt, wie Probleme aufgrund von drittstaatlichen Subventionen bei Anträgen auf finanzielle Unterstützung durch die EU angegangen werden könnten. Alle Wirtschaftsbeteiligten sollten bei der Bewerbung um EU-Finanzierungen gleichberechtigt sein. Subventionen aus Drittstaaten können dabei Verzerrungen bewirken, da die Begünstigten in einer besseren Ausgangslage wären. Das Weißbuch enthält Vorschläge, wie ein unfairer Vorteil der begünstigten Unternehmen verhindert werden kann. So würde beispielsweise bei der Gewährung von Mitteln auf der Grundlage öffentlicher Ausschreibungen oder bei Finanzhilfen ein ähnliches Verfahren wie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die EU Anwendung finden. Ferner muss dem Weißbuch zufolge sichergestellt werden, dass sich internationale Finanzinstitutionen wie die EIB oder die EBWE‚ die aus dem EU-Haushalt geförderte Projekte durchführen, an dem in diesem Weißbuch dargelegten Konzept für drittstaatliche Subventionen orientieren.

Nächste Schritte

Zu dem Weißbuch wird nun eine öffentliche Konsultation [2] durchgeführt, die bis zum 23. September 2020 läuft. Die Kommission wird unter Berücksichtigung der eingehenden Stellungnahmen geeignete Legislativvorschläge vorlegen, um der verzerrenden Wirkung drittstaatlicher Subventionen im Binnenmarkt zu begegnen.

Hintergrund

Der Europäische Rat hat die Kommission in seinen Schlussfolgerungen vom 21. und 22. März 2019 damit beauftragt, neue Instrumente zu erarbeiten, mit denen die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen drittstaatlicher Subventionen im Binnenmarkt angegangen werden können.

Die Kommission kündigte in ihrer Mitteilung „Eine neue Industriestrategie für Europa“ [3] vom 10. März 2020 für Mitte des Jahres 2020 ein Weißbuch zu einem Instrument zu drittstaatlichen Subventionen an, um den verzerrenden Auswirkungen dieser Subventionen im Binnenmarkt zu begegnen.

Quelle: EU-Kommission

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