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Loslimitierung in der Praxis – Herstellung oder Beschränkung von Wettbewerb?

Immer wieder taucht im Rahmen von öffentlichen Vergabeverfahren die Frage nach der Möglichkeit einer Loslimitierung bei in Lose teilbaren Leistungen auf. Die zu vergebenden Leistungen sind grundsätzlich sowohl im Oberschwellen- als auch im Unterschwellenbereich in Lose aufzuteilen. Nur wenn technische oder wirtschaftliche Gründe dies gebieten, darf auf eine Aufteilung in Lose zu Gunsten eines Gesamtauftrags ausgewichen werden.

Grundsätzlich steht dem Auftraggeber zwar sein Leistungsbestimmungsrecht zu, mit dem er im Rahmen des öffentlichen Vergaberechts seinen Bedarf und damit festlegen darf, welche Leistung, wo, wann und mit welchen Modalitäten er in Auftrag geben möchte. Soweit Gründe für einen Verzicht auf die Aufteilung der Leistung in Lose nicht vorliegen und daher eine Gesamtvergabe nicht in Betracht kommt, stellt sich im Rahmen der Losaufteilung regelmäßig die Frage der möglichen Loslimitierung.

Loslimitierung kann auf der einen Seite bedeuten, dass der Auftraggeber bei in mehrere Lose aufgeteilten Leistungen die höchstmögliche Anzahl der von einem Bieter abzugebenden Angebote (Angebotsimitierung) oder die höchstmögliche Anzahl der an einen Bieter zu erteilenden Zuschläge bei Angeboten für mehrere Lose begrenzt (Zuschlagslimitierung). Daneben besteht zudem die Möglichkeit der Vorgabe des Auftragsgebers, dass ein Bieter ein Angebot auf alle Lose zwingend abgeben muss. Nicht selten legen Auftraggeber im Rahmen einer losweisen Vergabe daher fest, dass Bietern nicht die Möglichkeit offensteht, auf alle Lose ein Angebot abzugeben bzw. dass Bieter lediglich für ein einziges oder nur für eine bestimmte Anzahl von Teil- oder Fachlosen beauftragt werden können.[i]

An dieser Stelle ist seitens des Auftraggebers zu prüfen, ob die Loslimitierung zum einen zulässig und zum anderen überhaupt sinnvoll ist, was wiederum unter anderem davon abhängt, ob die Loslimitierung zu einer Herstellung von mehr Wettbewerb führt, weil mehrere unterschiedliche Unternehmen Angebote abgeben und den Zuschlag erhalten können, oder vielmehr zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, weil ein Unternehmen eben statt mehrere Angebote nur eines abgegeben oder von diesen nur eines mit einem einzigen Los bezuschlagt werden kann.

1. Sinn und Zweck von Loslimitierungen

Losmitlimitierungen dienen dem Schutz mittelständischer Interessen.[ii] Kleinst-, Klein- und Mittelstandsunternehmen sollen in den Genuss von (Teil-)Aufträgen kommen, bei denen sie sich nicht übernehmen und das Feld daher Großunternehmen überlassen müssen. Sie verhindern darüber hinaus die wirtschaftliche Abhängigkeit des Auftraggebers vom Auftragnehmer und, dass sich die Bieter wirtschaftlich und personell überfordern, indem sie Aufträge für mehrere Lose ausführen müssen.[iii], obwohl sie dazu personell, finanziell oder technisch nicht in der Lage sind. Durch die Loslimitierung wird zudem das Risiko der Konzentration des Auftraggebers auf einen oder nur wenige Auftragnehmer verhindert und damit die Gefahr des Ausfalls eines Auftragnehmers durch Insolvenz oder der nicht ordnungsgemäß erbrachten Leistung gestreut und damit minimiert. Sie kann leichter „aufgefangen“ werden. Der Auftragnehmer nur eines Loses kann leichter ersetzt werden. Diese Zielverfolgung ist löblich, jedoch stellt sich trotz mittlerweile bestehender gesetzlicher Fixierung die Frage der Zulässigkeit dieser Loslimitierungen in den unterschiedlichen Varianten.

2. Zulässigkeit von Loslimitierungen

Nach einer Ansicht sei die Loslimitierung dahingehend, dass Angebote nur auf eine bestimmte Anzahl von Losen abgegeben werden dürften, grundsätzlich zulässig gewesen, da sie dem Schutz mittelständischer Interessen dienen würde.[iv] Zumindest wenn das Ziel, die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Auftraggebers von Auftragnehmern durch die Loslimitierung zu vermeiden verfolgt wird, wird sie als zulässig erachtet.[v] Der öffentliche Auftraggeber darf bei Fallgestaltungen, in denen es in besonderem Maße auf eine laufende und jederzeitige Lieferfähigkeit des Auftragnehmers ankommt, das mit der Auftragsvergabe an ein einziges Unternehmen verbundene Risiko eines (vollständigen oder teilweisen) Lieferungsausfalls oder einer Lieferverzögerung durch eine Loslimitierung vermeiden.[vi] Von der Rechtsprechung ist diese Art eines weiter vorangetriebenen Mittelstandsschutzes mit dem Argument gebilligt worden, dass Loslimitierungen dazu dienen könnten, auf einem ganz bestimmten Markt die Abhängigkeit des öffentlichen Auftraggebers von einem Dienstleister zu vermeiden und stattdessen eine Vielfalt von Anbietern, die im Wettbewerb zueinander stünden, zu erhalten.[vii] Ferner könne es gerade im Interesse der Transparenz liegen, wenn der Auftraggeber von vornherein die Bewerbungs- und Zuschlagsmöglichkeit für nur ein Los begrenze. Dann aber gehöre die bekannt gemachte Loslimitierung  mit zu den Vergabekriterien, für die die Prinzipien der Vorhersehbarkeit, Messbarkeit und Transparenz des Handelns öffentlicher Auftraggeber gem. §§ 97 ff. GWB gelten würden. Angebote von Bietern, die sich über dieses Kriterium hinwegsetzen, liefen demnach Gefahr, zwingend ausgeschlossen zu werden.[viii]

Nach anderer Ansicht ist diese Art der Limitierung nicht für zulässig gehalten worden, da hierfür eine gesetzliche Regelung erforderlich sei.[ix] Es handele sich hierbei um ein mittelstandsbevorzugendes Instrument der Mittelstandsförderung, da den nicht-mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit der vollständigen Realisierung ihres Potenzials genommen und damit mehr als nur Chancengleichheit hergestellt werde. Dies könne materiell-rechtlich durchaus aus den soeben genannten Gründen vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem EU-primärrechtlichen Beschränkungsverbot gerechtfertigt sein, bedürfe aber einer ausdrücklichen Zulassung durch den Gesetzgeber.[x]

In der Literatur ist zudem kritisiert worden, dass eine strikte Limitierung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung unterlaufe.[xi] Die Limitierung verhindere gerade auch, dass ein Bieter mit beträchtlichem Preisnachlass auf alle Lose biete. Hierin könnten jedoch auch Risiken liegen, da nicht auszuschließen sei, dass hinsichtlich einzelner Lose unauskömmlich niedrige Preise kalkuliert würden, dadurch Folgeprobleme in der Vertragsdurchführung entstehen könnten und somit das Gebot der Wirtschaftlichkeit wiederum unterlaufen werde.[xii]

Unzulässig soll die Loslimitierung jedenfalls aber dann sein, wenn sie zur unwirtschaftlichen Zersplitterung des Auftrags führt. Zum Teil wurde hierzu vertreten, dass für jedes Los gesondert der günstigste Anbieter den Zuschlag erhalten müsse, um die Chancengleichheit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen einerseits und Großunternehmen andererseits zu wahren.[xiii] Nach anderer Ansicht widerspreche es der Losaufteilung nach den § 5 VOB/A und § 22 UVgO nicht, wenn der Auftraggeber die Bieter auffordere, den Preis für jeweils ein Los anzugeben, zudem aber auch Aussagen im Angebot darüber zu treffen, inwieweit sich der Preis als Mehrfachbieter bei der Vergabe weiterer Lose oder der Gesamtleistung ermäßige.[xiv] Dann stehe das Gebot der Zuschlagserteilung an das wirtschaftlichste Angebot dem Schutz mittelständischer Interessen entgegen.[xv] Richtig sei, dass das Prinzip der Wirtschaftlichkeit als übergeordnetes Gebot erkennbar auch über den Regelungen zur Losaufteilung stehe. Dies dürfe aber im Endeffekt nicht dazu führen, dass allein aufgrund erheblicher Preisnachlässe eine Gesamtvergabe bevorzugt werde, weil ansonsten die Regeln der Losaufteilung unterlaufen würden. Eine solche Entscheidung des Auftraggebers wäre im Hinblick auf die gebotene Abwägung mittelständischer Interessen ermessensfehlerhaft.[xvi] Auch der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Vergabe könne dazu führen, dass eine zusammengefasste und erwiesenermaßen wirtschaftlichere Vergabe mehrerer Lose an einen Bieter angezeigt sei.[xvii]

Beschränkt der Auftraggeber das Bieten auf nur ein Los, dürfen Unternehmer diese Vorgabe jedenfalls nicht dadurch unterlaufen, dass sie doppelt als Mitglied einer zumindest teilweise identischen Bietergemeinschaft auf mehrere Lose bieten.[xviii] Die Absicht, eine Loslimitierung vorzunehmen, muss jedenfalls bereits in der Bekanntmachung mitgeteilt werden. Eine Pflicht zur Loslimitierung besteht nicht.[xix] Weder im europäischen Recht noch im deutschen Recht ist die Loslimitierung von besonderen Voraussetzungen abhängig; ebensowenig ist ausdrücklich eine Begründungspflicht vorgesehen. Sie fällt unter das „freie Bestimmungsrecht des Auftraggebers“. Ebenfalls unter das Bestimmungsrecht des Auftraggebers fällt und unterliegt damit seiner freien Entscheidung die Frage, ob er, wenn er eine Loslimitierung vornimmt, eine Angebots- oder eine Zuschlagslimitierung vorsieht.[xx]

3. Rechtliche Stellungnahme

Fragen hinsichtlich der Zulässigkeit der Loslimitierung sowie der Sinnhaftigkeit im konkreten Einzelfall sind insbesondere vor dem Hintergrund der Regelungen § 97 GWB, § 22 UVgO sowie des § 30 VgV, § 5 EU VOB/A zu beantworten.

§ 30 Abs. 1 VgV, § 22 Abs. 1 UVgO, § 5 EUVOB/A regeln zunächst, dass der öffentliche Auftraggeber festlegen kann, ob die Angebote nur für ein Los, für mehrere oder für alle Lose eingereicht werden dürfen. Er kann auch, wenn Angebote für mehrere oder alle Lose eingereicht werden dürfen, die Zahl der Lose auf eine Höchstzahl beschränken, für die ein einzelner Bieter den Zuschlag erhalten kann. Damit wird klargestellt, dass die Loslimitierung im Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers liegt und zunächst an keine weiteren ausdrücklichen Voraussetzungen gebunden ist. Spätestens durch die Schaffung einer gesetzlichen Regelung dürfte zumindest die grundsätzliche Zulässigkeit der Loslimitierung nicht mehr in Frage stehen.

Die Regelungen zur Loslimitierung zu Gunsten des Mittelstandsschutzes aus § 97 Abs. 4, § 2 Abs. 4 UVgO sind jedoch stets im Zusammenhang mit den übergeordneten Grundsätzen des transparenten Wettbewerbs, der Wirtschaftlichkeit, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung gemäß § 97 Abs. 1, 2 GWB, § 2 Abs. 1, 2 UVgO zu interpretieren.[xxi]

Die Förderung des Mittelstandes ist schon in der Novellierung von 2009 bewusst geschärft worden: Nunmehr  sind mittelständische Interessen vornehmlich zu berücksichtigen. Ein Instrument der vornehmlichen Berücksichtigung kann auch die Loslimitierung sein, wobei eine gesetzliche Konkretisierung sicherlich vorzugswürdig wäre und leider in den letzten Novellen versäumt wurde.[xxii]

Die Ansicht, dass die Loslimitierung eine Form der Auftragserteilung und nicht der Auftragsteilung sei, so dass ihre gesetzliche Ableitung aus § 97 GWB – Aufteilung des Auftrags in Lose – argumentative Brüche aufweise,[xxiii] muss differenzierter betrachtet werden. Pauschal lässt sich diese Aussage nicht treffen, da es auf die Art und Weise der Aufteilung der Lose in Angebots- oder Zuschlagslimitierung ankommt. Eine Form der Auftragserteilung kann bestenfalls bei einer Loslimitierung bei der Zuschlagslimitierung vorliegen, da der Zuschlag die finale Erteilung des Zuschlags und den Vertragsschluss darstellt. Hat sich der Auftraggeber im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts für eine Angebotslimitierung entschieden, dürfte es sich vielmehr um eine Auftragsteilung bereits im Vorfeld der Einleitung des Vergabeverfahrens handeln. Diese hat zwar natürlich mittelbar Einfluss auf die spätere Zuschlagserteilung, da dann jeder Bieter gleichzeitig nur einen Zuschlag erhalten kann, es kann aber zumindest nicht unmittelbar von einer Form der Auftragserteilung gesprochen werden. Daher ist nicht zwingend eine brüchige Argumentation im Hinblick auf die Ableitung aus § 97 GWB zu folgern.

Im Hinblick auf eine Loslimitierung für ein Vergabeverfahren ist daher die Zulässigkeit bezüglich der Fallgestaltung im konkreten Einzelfall zu prüfen und eine diesbezügliche Entscheidung über den Gebrauch insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze der § 97 Abs. 1, 2, § 2 Abs. 1, 2 UVgO zu treffen.

Das Argument der Wirtschaftlichkeit, zumindest dann sei die Loslimitierung zulässig, wenn das wirtschaftliche Risiko des Ausfalls und der nicht ordnungsgemäßen Leistung sowie die Abhängigkeit des Auftraggebers von nur einem Auftragnehmer durch die Loslimitierung verhindert werden solle, verliert an Stichhaltigkeit, wenn man sich vor Augen führt, dass die Funktion, die wirtschaftliche, finanzielle, technische und berufliche Leistungsfähigkeit abzusichern, bereits durch das Aufstellen der Eignungskriterien erfüllt wird. Sind diese rechtlich zulässig und sinnvoll festgelegt, stellt sich die Frage, ob es eines über den mit der Loslimitierung verfolgten Zweck des Schutzes der Vermeidung wirtschaftlicher Abhängigkeit und wirtschaftlicher Ausfälle hinausgehenden, zusätzlichen Schutzes bedarf.

Gegen eine Loslimitierung mangels Schutzbedürfnisses des Mittelstands spricht darüber hinaus, dass kleinere oder mittlere Unternehmen sich bei Vergabeverfahren ohne Limitierung ebenso mit der für sie möglichen Zahl von Losen in der für sie idealen Zusammenstellung am Verfahren beteiligen können wie größere und große Unternehmen, für die eine Beteiligung nur an einzelnen Losen unter Umständen unwirtschaftlich oder wenig attraktiv bzw. lukrativ ist und die ihre Stärke gerade bei der Zusammenfassung von Losen ausspielen können. Auch auswärtige Unternehmer werden gegebenenfalls vielmehr auf einen größeren Leistungsumfang anbieten als auf nur einzelne Lose, insbesondere dann, wenn Leistungen an einem bestimmten Ort in größerer Entfernung vom Sitz des Auftragnehmers zu erbringen sind.[xxiv]

Jede Form der Loslimitierung schränkt potenziell die mit der Aufteilung nach Losen angestrebte Erweiterung des Wettbewerbs grundsätzlich wieder ein. Dabei ist die Angebotslimitierung stärker wettbewerbsbeschränkend als die Zuschlagslimitierung bei Zulassung von Angeboten auf alle Lose. Das Ziel, kleineren und mittleren Unternehmen eine Beteiligung am Vergabeverfahren durch Unterteilung eines größeren Auftrags in mehrere kleine Leistungsteile zu ermöglichen, wird in diesem Fall verbunden mit einer Beschränkung größerer Unternehmen, die bei der Möglichkeit, auf eine größere Zahl von Losen anzubieten, ihre Stärken ausspielen und ggf. überhaupt erst mit Aussicht auf Erfolg anbieten können, weil erst die gemeinsame Bearbeitung mehrerer Lose für sie wirtschaftlich ist und die Kalkulation aussichtsreicher Preise ermöglicht. Daher bedurfte es einer besonderen Rechtfertigung für eine Loslimitierung. Diese wurde zum einen in der Streuung des wirtschaftlichen und technischen Risikos gesehen, da durch Loslimitierung zwingend eine größere (Mindest-)Zahl an Auftragnehmern gegeben ist, die den Wegfall eines Auftragnehmers leichter verkraften kann und damit eine laufende jederzeitige Leistungserbringung gesichert werden kann; zudem solle dadurch auch zukünftiger Wettbewerb gesichert werden, indem eine größere Zahl von Auftragnehmern zum Zuge komme und sich nicht Unternehmen von bestimmten Märkten zurückzögen. Aus diesen Gründen wurde die Loslimitierung im Wesentlichen für Verträge im Bereich der Versorgung mit Arznei- und medizinischen Hilfsmitteln und bei Reinigungsleistungen als zulässig angesehen.[xxv]

Wird dagegen der Zuschlag bei bereits limitierter Zahl von Angeboten zusätzlich limitiert, vergrößert sich die wettbewerbsbeschränkende Wirkung. Mit einer Zuschlagslimitierung können die mit einer Angebotslimitierung verbundenen Ziele ebenfalls erreicht werden; zugleich aber wird potenziell die Basis des Wettbewerbs erweitert, da ein Bieter auf mehr Lose anbieten kann als ihm zugeschlagen werden dürfen, was möglicherweise zu einer besseren Kombination von Angeboten führt. Die Zuschlagslimitierung kann aber auch mit der Angebotslimitierung verknüpft werden, wenn eine Angebotslimitierung auf eine bestimmte Zahl von Losen vorgesehen ist, die Zahl der Lose, auf die höchstens der Zuschlag erteilt werden kann, aber darunter liegt. Dann verschärft die Zuschlagslimitierung die mit der Angebotslimitierung bereits verbundene Verengung des Wettbewerbs weiter. Der wesentliche Unterschied zu dieser Limitierung liegt also darin, dass der Bieter dadurch, dass er mehr Angebote abgibt, als bezuschlagt werden können, seine Erfolgschancen erhöhen kann, weil die Wahrscheinlichkeit größer wird, bei einem oder mehreren Losen das wirtschaftlichste Angebot abzugeben. Dies ist in diesem Fall legitim, weil der öffentliche Auftraggeber sich gerade für diese Lösung und nicht die Angebotslimitierung entschieden hat.[xxvi]

Auch wenn nach derzeitigem Stand eine Begründung für eine Loslimitierung nicht erforderlich ist, sollte ein Auftraggeber sich nur aus wohlbedachten Gründen für eine solche Vorgehensweise entscheiden, da er potentiell von vornherein den Wettbewerb einschränkt.[xxvii]

Loslimitierungen dürfen den Wettbewerb nicht bewusst einengen oder bestimmte Unternehmen von vornherein bevorteilen.[xxviii] Loslimitierungen sind allerdings vor dem Hintergrund von § 97 Abs. 1, 2 GWB, § 2 Abs. 1, 2 UVgO vor allem bei kleineren Bieterkreisen behutsam zu handhaben.[xxix] Die Loslimitierung kann in diesen Fällen zu einer Überbevorzugung des Mittelstands führen.

4. Fazit

Unabhängig von ihrer vergaberechtlichen Zulässigkeit müssen bei der Entscheidung über eine Loslimitierung nach ihrem Sinn und Zweck in der Praxis die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Volumen der Leistung bzw. der Lose, die Gepflogenheiten der jeweiligen Branche, in der ausgeschrieben wird, sowie das Marktumfeld zum Zeitpunkt der Beschaffung Berücksichtigung finden.

Bewegt sich der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seines Vergabeverfahrens in einer Branche, die eher von größeren Unternehmen beherrscht wird und in der es keine bis wenige mittelständischen Unternehmen gibt, so könnte eine Loslimitierung zu Desinteresse und Ausbleiben von Angeboten für alle oder einzelne Lose führen. Ebenso könnte es sich verhalten, wenn der Auftragswert an sich für Großunternehmen sehr attraktiv und lukrativ erscheint, dieser dann durch Losteilung und Loslimitierung zerstückelt wird.

Vergibt der Auftraggeber eine Leistung in einem Marktsegment, das nicht (nur) Großunternehmen, sondern von einer Vielzahl mittelständischer Unternehmen geprägt ist, so kann eine Loslimitierung in höchstem Maße dazu beitragen, mit den Angeboten vielfältige Leistungen zu erhalten, bei denen das wirtschaftliche Risiko von Ausfällen, Schlechtleistungen und sogar Insolvenzen durch diese Risikostreuung vermieden werden kann. In diesem Fall führt die Zerstückelung des Auftragswertes durch Loslimitierung nicht zur Unwirtschaftlichkeit des Auftrags, sondern sogar zu einer Risikominderung und –streuung für den Auftraggeber und dennoch attraktiven Angeboten von einer Vielzahl mittelständischer Interessen.

Im Ergebnis muss unabhängig von der vergaberechtlichen Zulässigkeit der Loslimitierungen, die im Grundsatz durch die gesetzliche Kodifizierung bejaht wird, gesagt werden, dass diese in einigen Fällen für den Wettbewerb förderlich sein können, wenn es sich um Vergaben in einem Marktsegmenten mit einer Vielzahl von mittelständischen Unternehmen und regelmäßig kleineren Auftragsvolumina handelt, in anderen Fällen für den Wettbewerb schädlich sein können, wenn die Vergabe sich in einem Marktsegment mit regelmäßig größeren Auftragsvolumina bewegt, das im Wesentlichen von Großunternehmen beherrscht wird. Daher sollten Loslimitierungen stark an dem Marktsegment, in dem ausgeschrieben wird, sowie an den Gepflogenheiten der jeweiligen Branche ausgerichtet und gut überlegt sein. Dazu gehört eine sehr gute Kenntnis des jeweiligen Marktsegments und erfordert eine tiefgehende Markterkundung im Vorfeld des Vergabeverfahrens.

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[i] Burgi, in: Burgi, § 14 Losvergabe als wichtigstes Instrument der Mittelstandsförderung, Rn. 17.
[ii] – [iv] Stickler, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 5 VOB/A, Rn. 36. [v] ibid; s.a. OLG Düsseldorf VergabeR 2012, 494.
[vi] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.12. 2011 – Verg 99/11.
[vii] OLG Düsseldorf 15.6.2000 – Verg 6/00; vgl. auch VK Sachsen 14.3.2007 – 1-SVK/6/07, NJOZ 2007, 2759 (2765 f.); zust. Müller-Wrede NZBau 2004, 643 (647); krit. Ziekow GewA 2013, 417 (419 f.); Willems, S. 243; für eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage Burgi NZBau 2006, 693 (697).
[viii] VK Sachsen 14.3.2007 – 1-SVK/6/07, NJOZ 2007, 2759 (2765 f.).
[ix] Otting/Tresselt VergabeR 2009, 585; Burgi, in: NZBau 2006, 693 (697).
[x] Burgi, in: Burgi, § 14 Losvergabe als wichtigstes Instrument der Mittelstandsförderung, Rn. 17.
[xi] Ziekow GewA 2013, 417 (419 f.); Dreher NZBau 2005, 427 (431); Otting/Tresselt VergabeR 2009, 585 ff.; krit. auch VK Baden-Württemberg 27.11.2008 – 1 VK 52/08, juris Rn. 149 ff.
[xii] Tomerius, in : Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 5 VOB/A, Rn. 18.
[xiii] Roth in: Müller-Wrede, VOL/A, § 5 Rn. 16.
[xiv] Schranner in: Ingenstau/Korbion § 5 Rn. 26; Dreher, in: NZBau 2005, 427 (430 f.); Ziekow, in: GewA 2013, 417 (420).
[xv] Stickler, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 5 VOB/A, Rn. 36; Dreher NZBau 2005, 427 (431).
[xvi] Tomerius, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 5 VOB/A, Rn. 19.
[xvii] OLG Düsseldorf 8.9.2011 – Verg 48/11; Schranner in Ingenstau/Korbion § 5 Rn. 26.
[xviii] KG Berlin 20.2.2014 – Verg 10/13.
[xix] VK Baden-Württemberg 27.11.2008 – 1 VK 52/08, juris Rn. 149 ff
[xx] Voppel, in: Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, Rn. 31.
[xxi] – [xxii] Tomerius, in : Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 5 VOB/A, Rn. 19.
[xxiii] Otting/Tresselt VergabeR 2009, 585 (592); Tomerius, in : Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 5 VOB/A, Rn. 19.
[xxiv] Voppel, in: Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, Rn. 33. [xxv] ibid, Rn. 23. [xxvi] ibid, Rn. 28. [xxvii] ibid, Rn. 33.
[xxviii] Tomerius, in : Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 5 VOB/A, Rn. 19.
[xxix] Roth in Müller-Wrede, VOL/A, EG VOB/A § 2 Rn. 91.

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Über Michael Pilarski [1]

Der Autor Michael Pilarski ist als Volljurist bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – NBank – [2] in Hannover tätig. Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs- und Vergaberecht. Er hat die Einhaltung des Zuwendungs- und Vergaberechts durch private und öffentliche Auftraggeber, die Förderungen aus öffentlichen Mitteln erhalten, geprüft und Zuwendungsempfänger bei zuwendungs- und vergaberechtlichen Fragestellungen begleitet. Nunmehr ist er in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement beschäftigt. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Lüneburg bei, ist zugelassener Rechtsanwalt und übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht.

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