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Entlastung der Vergabestellen durch ChatGPT in der Vergabepraxis?

Cloud-ComputingChatGPT (Generative Pre-trained Transformer) ist mittlerweile in vielfältigen Bereichen in aller Munde. Es handelt sich um einen Chatbot des Unternehmens OpenAI in Form eines textbasierten Dialogsystems als Benutzerschnittstelle, der auf maschinellem Lernen beruht; also um das, was als künstliche Intelligenz bezeichnet wird.

Es gibt unterschiedliche Versionen; kürzlich erschien die Version 4.0 von GPT, die die Fähigkeiten von ChatGPT zusätzlich erweitert. GPT-4 ermöglicht sogar eine Bildeingabe und die Analyse und Beschreibung von Skizzen und Fotos. Es ist möglich, abfotografierte Aufgaben aus Büchern lösen zu lassen. Wissenschaftliche Arbeiten können hochgeladen werden, um eine Zusammenfassung generieren zu lassen. Examensprüfungen konnte GPT-4 bei Tests in den USA mit Auszeichnung erledigen. Komplizierte Steuerfragen werden beantwortet (Wikipedia, ChatGPT, 2023 [1]).

Vor dem Hintergrund dieser umfangreichen Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz stellt sich die Frage, in welcher Weise ChatGPT Vergabestellen in der Vergabepraxis bzw. der täglichen Arbeit entlasten oder sogar ablösen kann.

Zu diesem Zweck hat der Autor ChatGPT die folgenden Fragen gestellt und die Antworten unverändert wiedergegeben, wobei die Beantwortung der ersten drei Fragen eine Art Reproduktion und die letzten zwei Subsumtion bzw. Eigenbeurteilung erfordern.

I. Vergaberechtliche Fragen

  1. Was ist das öffentliche Vergaberecht?
  2. Welche vergaberechtlichen Verfahrensarten gibt es?
  3. Welche Stufen der vergaberechtlichen Angebotsprüfung gibt es?
  4. Besteht ein Alleinstellungsmerkmal, wenn eine Leistung beschafft wird, auf die ausschließlich Unternehmen A ein Patentrecht hat?
  5. Liegt besondere Dringlichkeit vor, wenn die Vergabestelle Sandsäcke wegen eines Hochwassers beschaffen muss?

II. Antworten von ChatGPT

1. Was ist das öffentliche Vergaberecht ?

„Das öffentliche Vergaberecht ist ein Teil des öffentlichen Rechts, der die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber regelt. Öffentliche Auftraggeber sind in der Regel staatliche Stellen wie Behörden, Kommunen oder öffentliche Unternehmen, die Leistungen oder Waren von privaten Unternehmen benötigen, um ihre Aufgaben zu erfüllen.
Das öffentliche Vergaberecht hat das Ziel, einen fairen Wettbewerb zwischen den Anbietern zu gewährleisten und den öffentlichen Auftraggeber zu einem möglichst wirtschaftlichen und effizienten Einsatz von öffentlichen Mitteln zu verpflichten. Dazu gibt es verschiedene Verfahrensarten wie die öffentliche Ausschreibung, das nicht offene und das offene Verfahren sowie das Verhandlungsverfahren.
Die Vergaberegelungen sind dabei streng formalisiert und unterliegen nationalen und europäischen Vorgaben. Das öffentliche Vergaberecht ist also eine wichtige Grundlage für eine transparente und gerechte Vergabe von öffentlichen Aufträgen.“

2. Welche vergaberechtlichen Verfahrensarten gibt es?

„Es gibt verschiedene vergaberechtliche Verfahrensarten, die in der öffentlichen Auftragsvergabe angewendet werden können. Hier sind einige der wichtigsten Verfahrensarten:

Offenes Verfahren: Dies ist das grundlegende Verfahren, bei dem jedes Unternehmen die Möglichkeit hat, ein Angebot abzugeben. Die Ausschreibung wird öffentlich bekannt gemacht, und alle interessierten Unternehmen können ein Angebot abgeben.
Nichtoffenes Verfahren: Hier werden im ersten Schritt nur bestimmte Unternehmen eingeladen, ein Angebot abzugeben. Nach einer Vorauswahl werden die ausgewählten Unternehmen zur Abgabe eines Angebots aufgefordert.
Verhandlungsverfahren: In diesem Verfahrensmodell können Verhandlungen mit den Bietern geführt werden, um das Angebot zu optimieren oder um Unklarheiten zu beseitigen. Dieses Verfahrensmodell wird nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet.
Wettbewerblicher Dialog: Dieses Verfahrensmodell wird für komplexe Beschaffungsvorhaben mit besonderen Anforderungen eingesetzt. Hier wird ein strukturierter Dialog zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Bietern geführt.
Innovationspartnerschaft: Dieses Verfahrensmodell wird für innovative Beschaffungsvorhaben eingesetzt. Hier werden in einem ersten Schritt Unternehmen aufgerufen, Konzepte für eine innovative Lösung zu entwickeln. Im Anschluss wird ein Wettbewerb zwischen den ausgewählten Unternehmen durchgeführt, um die beste Lösung zu finden.

Es gibt auch weitere Verfahrensarten wie beispielsweise das elektronische Auktionsverfahren oder das dynamische Beschaffungssystem. Die Wahl der Verfahrensart hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Art und dem Umfang des Beschaffungsvorhabens.“

3. Welche Stufen der vergaberechtlichen Angebotsprüfung gibt es?

„Die vergaberechtliche Angebotsprüfung kann in mehrere Stufen unterteilt werden, um sicherzustellen, dass das eingereichte Angebot den Anforderungen der Vergabevorschriften entspricht. Hier sind die wichtigsten Stufen der Angebotsprüfung:

Formelle Prüfung: In dieser Stufe wird geprüft, ob das eingereichte Angebot formell korrekt und vollständig ist. Dabei geht es beispielsweise um die Einhaltung von Fristen, die Vollständigkeit der Angebotsunterlagen und die Einhaltung von formalen Vorgaben wie der Form des Angebots.
Eignungsprüfung: In dieser Stufe wird geprüft, ob das Unternehmen, das das Angebot abgegeben hat, die erforderlichen Eignungskriterien erfüllt. Dazu gehört beispielsweise die finanzielle Leistungsfähigkeit, die fachliche und technische Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit.
Zuschlagskriterien: In dieser Stufe werden die Angebote der Bieter nach den Zuschlagskriterien bewertet. Diese Kriterien können beispielsweise der Preis, die Qualität, die Erfüllung von Nachhaltigkeitsanforderungen oder die Erfüllung von technischen Anforderungen sein.
Wertung und Rangfolge: In dieser Stufe werden die eingereichten Angebote anhand der Zuschlagskriterien bewertet und gerankt. Dabei wird das beste Angebot ermittelt.
Nachprüfung: Diese Stufe ist optional, aber in vielen Fällen vorgesehen. Hier haben Bieter, die mit der Entscheidung der Vergabestelle nicht einverstanden sind, die Möglichkeit, eine Nachprüfung durchzuführen und die Entscheidung der Vergabestelle überprüfen zu lassen.

Diese Stufen können je nach Vergabeverfahren und Auftragsart variieren. Die Vergabestelle muss jedoch sicherstellen, dass die Angebote nach den Vergabevorschriften geprüft und bewertet werden.“

4. Besteht ein Alleinstellungsmerkmal, wenn eine Leistung beschafft wird, auf die ausschließlich Unternehmen A ein Patentrecht hat?

„Wenn eine Leistung beschafft wird, auf die ausschließlich Unternehmen A ein Patentrecht hat, kann dies ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Durch das Patentrecht hat das Unternehmen A das ausschließliche Recht, die betreffende Leistung herzustellen und zu verkaufen. Andere Unternehmen dürfen die Leistung ohne die Genehmigung von Unternehmen A nicht produzieren oder vertreiben.
In der öffentlichen Auftragsvergabe muss jedoch der Grundsatz der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs gewahrt bleiben. Wenn nur Unternehmen A die betreffende Leistung produzieren und verkaufen darf, ist es möglich, dass das Vergabeverfahren unter Beachtung dieses Alleinstellungsmerkmals durchgeführt wird. Dies bedeutet, dass nur Unternehmen A zur Angebotsabgabe aufgefordert wird und das Vergabeverfahren somit auf eine begrenzte Anzahl von Anbietern beschränkt ist.
Allerdings muss in einem solchen Fall auch geprüft werden, ob das Alleinstellungsmerkmal tatsächlich unvermeidbar ist und ob eine solche Einschränkung des Wettbewerbs tatsächlich gerechtfertigt ist. Wenn es alternative Leistungen gibt, die vergleichbar sind und von anderen Unternehmen angeboten werden können, muss das Vergabeverfahren gegebenenfalls neu gestaltet werden, um den Wettbewerb zu gewährleisten.“

5. Liegt besondere Dringlichkeit vor, wenn die Vergabestelle Sandsäcke wegen eines Hochwassers beschaffen muss?

„Ja, in diesem Fall kann eine besondere Dringlichkeit vorliegen, die es rechtfertigt, das Vergabeverfahren zu beschleunigen oder sogar ausnahmsweise zu unterlassen.
Im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe müssen die Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs eingehalten werden. In der Regel müssen die Vergabestellen die Aufträge daher in einem formalisierten Verfahren ausschreiben und eine angemessene Frist für die Angebotsabgabe einräumen.
Allerdings gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz, wenn eine besondere Dringlichkeit vorliegt. Im Falle eines Hochwassers kann es sein, dass schnelles Handeln erforderlich ist, um Schäden zu minimieren und Gefahren für die Bevölkerung abzuwenden. In solchen Fällen kann die Vergabestelle die Beschaffung der Sandsäcke ohne Ausschreibung direkt an einen geeigneten Anbieter vergeben, sofern dies aufgrund der Dringlichkeit zwingend erforderlich ist.
Es muss jedoch betont werden, dass eine solche Ausnahme nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist und dass die Vergabestelle in jedem Fall sicherstellen muss, dass sie transparent und nachvollziehbar handelt. Die Vergabestelle muss beispielsweise dokumentieren, welche Gründe für die Dringlichkeit vorliegen und warum keine andere Beschaffungsmöglichkeit bestand.“

III. Entlastung der Vergabestelle in der Vergabepraxis durch ChatGPT?

Ja, ChatGPT kann die Vergabestelle in der Vergabepraxis entlasten, indem es eine Vielzahl von Aufgaben übernimmt, die bisher manuell von Vergabesachbearbeitern durchgeführt wurden. Hier sind einige Beispiele dafür, wie ChatGPT die Vergabestelle unterstützen kann:

Insgesamt kann ChatGPT die Vergabestelle in der Vergabepraxis entlasten, indem es viele zeitaufwändige und repetitive Aufgaben automatisiert und damit die Effizienz und Genauigkeit erhöht. Dies kann dazu beitragen, den Vergabeprozess zu beschleunigen und die Qualität der Ergebnisse zu verbessern.

IV. Bewertung

Im Ergebnis ist dieser Beitrag damit im Wesentlichen eine Leistung von ChatGPT, nicht die des Autors.

Jedem Vergabepraktiker sollte die Beurteilung, ob die Antworten der künstlichen Intelligenz für ihn überzeugend sind, letztendlich selbst überlassen werden. Die Antworten des Bots ChatGPT zumindest auf die oben dargestellten Fragen sind nach Ansicht des Autors mehr als nur praxistauglich. Sie haben nach Erfahrung des Autors auf der einen Seite mehr Output als Vergabelaien. Vergabepraktiker würden die Antworten jedoch auf der anderen Seite durchaus genauer und präziser fassen.

Wer meint, dass die Antworten ihn nicht überzeugt haben, der möge sich die Frage stellen, ob ihm aufgefallen ist, dass Teil IV dieses Beitrags zur Frage „Entlastung der Vergabestelle in der Vergabepraxis durch ChatGPT?“ nicht vom Autor, sondern ausschließlich von ChatGPT verfasst wurde. Bejaht man diese Frage, dann dürfte ChatGPT sicherlich als erkennbar fehlerbehaftet bzw. nicht von Menschenhand stammend betrachtet werden. Verneint man diese Frage, dann dürfte ChatGPT bereits jetzt bei den oben gestellten Fragen als derart fortgeschritten beurteilt werden, dass es für die Praxis in bestimmten Teilbereichen verwendbar sein dürfte, weil der Unterschied kaum ersichtlich wird.

Bei der Qualität der oben dargestellten vergaberechtlichen Fragen sollte derzeit zumindest festgestellt werden, dass ChatGPT bei der täglichen Arbeit der Vergabestellen durchaus behilflich sein kann, indem es grundsätzliche Anfragen der Fachbereiche bzw. der Bedarfsträger, auch juristisch, beantworten kann, was zu einer erheblichen Entlastung der Vergabestelle führen kann, die sodann zeitliche Kapazitäten für die „eigentlichen“ vergaberechtlichen Tätigkeiten bzw. Aufgaben hätte. Sicherlich befindet sich ChatGPT der Version 4 in einem Stadium, das eine Überprüfung der erfahrenen und qualifizierten Vergabepraktiker bzw. Vergabemitarbeiter erforderlich macht, da die Antworten von ChatGPT zuweilen zwischen Genie und Wahnsinn liegen. Zu großen Teilen beantworten ChatGPT vergaberechtliche Fragen aber schon so überzeugend und zutreffend, dass man sich den Chatbot in der Vergabepraxis in verschiedenen Stadien der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens bestens zu Nutze machen kann.

V. Fazit

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Chatbot ChatGPT in seiner aktuellsten Version zu großen Teilen überzeugende und zutreffende Antworten auf vergaberechtliche Anfragen liefern kann. Dennoch ist Vorsicht und Achtung geboten, weil die Ergebnisse teilweise zwischen Genie und Wahnsinn liegen. Daher ist eine Über- bzw. Gegenprüfung von erfahrenen und qualifizierten Vergabepraktikern erforderlich, um möglichen Fehlern vorzubeugen bzw. diese zu vermeiden.

ChatGPT sollte jedoch nach Ansicht des Autors uneingeschränkt nicht als Gefahr, sondern als eine großartige Möglichkeit der Entlastung begriffen werden, die bei stetiger Optimierung und Weiterentwicklung ein enormes Zukunftspotential für Unterstützungen in Vergabeverfahren zu Gunsten von Vergabestellen hat.

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Über Michael Pilarski [2]

Der Autor Michael Pilarski ist als Volljurist bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – NBank – [3] in Hannover tätig. Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs- und Vergaberecht. Er hat die Einhaltung des Zuwendungs- und Vergaberechts durch private und öffentliche Auftraggeber, die Förderungen aus öffentlichen Mitteln erhalten, geprüft und Zuwendungsempfänger bei zuwendungs- und vergaberechtlichen Fragestellungen begleitet. Nunmehr ist er in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement beschäftigt. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Lüneburg bei, ist zugelassener Rechtsanwalt und übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht.

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