Recht | Politik&Markt | Leistungen | Bau | ITK | Verkehr |Verteidigung | Health
In der Hauptstadt scheint der Wurm drin. Seit gestern morgen fahren gerade mal 1/4 aller S-Bahnen. Nachdem im Juli der Verkehr bereits wegen Sicherheitsüberprüfungen an den Rädern zu großen Teilen zum Erliegen kam, sind nun die Zugbremsen dran – eben schön der Reihe nach. Die bereits seit Jahren grassierenden Probleme im Berliner Nahverkehr beschäftigten im Mai sogar den Bundestag (16/12945 ), da massive Sparmaßnamen als Ursache vermutet wurden. Nun könnte man dies zum Anlass nehmen, öfters mal zu Fuß zu gehen, allerdings empfiehlt es sich, in den kommenden Monaten eine Taschenlampe mit zu nehmen: Das Berliner Kammergericht hat mit Beschluss vom 31. August (Az. 2 Verg 6/09) die Vergabe der öffentlichen Straßenbeleuchtung – Betrieb und Wartung der rund 224.000 Laternen – an ein Tochterunternehmen von Vattenfall vorerst gestoppt. Die Sache wird derweil zum Politikum, da es bereits der zweite Versuch dieser Ausschreibung ist.
2 Kommentare
Nach § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB muss der Bieter einen Vergaberechtsverstoß „unverzüglich“ rügen. Die Bestimmung lässt jedoch offen, wie der Begriff „unverzüglich“ zu verstehen ist. Allgemein anerkannt ist, dass die maximale Rügefrist zwei Wochen ab Kenntniserlangung beträgt. Allerdings können die Fälle, in denen den Bietern die Ausschöpfung der maximalen Frist zugestanden wird, an einer Hand abgezählt werden. Im Übrigen ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. Das OLG Jena hat diese Diskussion um eine bieterfreundliche Ansicht bereichert.
Es ist eine Frage, deren Antwort über Erfolg oder Misserfolg eines Nachprüfungsverfahren entscheidet: Hat der Bieter den Vergaberechtsverstoß rechtzeitig gerügt?
Nach dem Wortlaut des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB scheint die Antwort einfach: Danach muss der Bieter einen Verstoß gegen Vergabevorschriften “unverzüglich” nach Kenntniserlangung rügen. Dem Gesetz kann jedoch nicht entnommen werden, wann genau beim Bieter Kenntnis vorliegt. Hier bleibt es bei der vagen Definition, wonach es auf die Tatsachen- und laienhafte Rechtskenntnis des Bieters ankomme. Statt notwendiger Klarheit ruft diese Definition jedoch nur eine Vielzahl von mehr oder weniger praxisgerechten Entscheidungen hervor. Aus der Fülle der Entscheidungen ist der Beschluss des OLG Dresden vom 23.04.2009 positiv hervorzuheben.
Referenzen sind im Rahmen der Eignungsprüfung, insbesondere bei Ausschreibungen von Technologieaufträgen, oft das Zünglein an der Wage. Immer wieder hört man dabei von Bieterseite, dass Wettbewerber hier abenteuerliche Referenzen angeben, die dem Vernehmen nach von den Vergabestellen nur unzureichend auf Plausibilität überprüft werden. Umgekehrt kann aber auch eine nur teilweise Überprüfung der angegebenen Referenzen nachteilhaft für den Bieter sein. So der Anlass eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer (VK) Rheinland-Pfalz: Diese entschied mit Beschluss vom 2.4.2009 (VK 9/09), dass eine bloße stichprobenartige Prüfung der vorgelegten Referenzen durch die Vergabestelle ausreichend ist.
Die in der Vergaberechtsnovelle enthaltenen Modifikationen der Prüfungs- und Rügepflichten wurden in der Öffentlichkeit weit weniger diskutiert, als etwa die Regelungen zu „vergabefremden“ Kriterien oder zur Pflicht einer Losaufteilung des öffentlichen Auftrags. Dabei können die in § 107 Abs. 3 GWB-E vorgesehenen Verschärfungen zu einer erheblichen Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Bieter führen. Und auch für die Vergabestellen wird sich einiges ändern.
Ein Spannungsfeld: Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens kommen regelmäßig auch solche Unterlagen auf den Tisch, die vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Eine für die betroffenen Unternehmen im Einzelfall schwierige Abwägung zwischen Rechtsschutz und Wahrung des eigenen Know-hows. Der EuGH hatte zu entscheiden (Rs C-450/06, Urteil vom 14.2.2008), ob die Nachprüfungsstellen verpflichtet sind, die Vertraulichkeit dieser Unterlagen zu gewährleisten.
Das Angebot eines Bieters wurde vom Auftraggeber wegen des Verdachts einer Mischkalkulation geprüft. Auf Aufforderung zur Klärung einzelner Positionen übersandte dieser die Urkalkulation, was ein konkurrierender Bieter vor der Vergabekammer (VK) als verfahrensfehlerhaft rügte: Der Auftraggeber müsse zuerst die Urkalkulation erhalten, dann erst sei eine positionsbezogene Aufklärung möglich. Nach Ansicht der VG (Beschluss vom 03.03.2008, 1/SVK/002-08) existiere aber gerade kein vorgeschriebenes Verfahren zur Widerlegung des Verdachts einer Mischkalkulation.
1 Kommentar
Eine der interessantesten Entscheidungen des Jahres: Eine Vertragsgestaltung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die zur Übersicherung des öffentlichen Auftraggebers führt, ist nach Ansicht des Landgerichts Wuppertal (Az 17 O 88/07) unwirksam. Im konkreten Fall erhielt die Auftraggeberin durch die Kumulation der vertraglichen Regelungen im Ergebnis eine Sicherheit i.H.v. 15% des Werklohnanspruchs zur Absicherung ihrer Gewährleistungsansprüche und anderer Ansprüche. Das aber, so das LG, sei zuviel, die Regelungen daher AGB-widrig und somit unwirksam.
Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 1119 Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern. Bei den getroffenen Sachentscheidungen fielen 174 für den öffentlichen Auftraggeber aus, 187 zugunsten der Antragsteller. Indes sieht das Bild bei den Verfahren vor den Oberlandesgerichten ganz anders aus.
1 Kommentar
Die Vergabekammer (VK) Thüringen hat interner, nicht veröffentlichter Bewertungskriterien bei öffentlichen Ausschreibungen eine klare Absage erteilt. Mit Beschluß vom 22.9.2007 (360-4003.20-2713/2007-007 SHK) verpflichtete sie die betreffende Vergabestelle, die Ausschreibung in den Stand vor Angebotsabgabe zurück zu versetzen. Das insoweit eindeutige europäische Vergaberecht sowie § 10a Ziff. a der VOB/A verpflichteten die Vergabestelle grundsätzlich, sämtliche Zuschlagskriterien und deren Gewichtung mit der Ausschreibung bekannt zu geben. Den gesamten Beitrag lesen »