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Politik und Markt

Tellerrand: Internetportal zur Richterbewertung durch Anwälte

Das Web treibt mitunter seltsame Blüten. So wurde ich heute auf ein Online-Portal für Juristen aufmerksam, dass u.a. die Möglichkeit bietet, Richter und Gerichte zu bewerten. Den Ausschlag gab angeblich die Entscheidung des BVerfG zur “spickmich-Klage” einer Lehrerin – sie muss die Bewertung durch ihre Schüler über eine Internetplattform hinnehmen. Die Richter nun wohl auch.

Es handelt sich um ein soziales Netzwerk für Juristen mit Namen “Marktplatz Recht”. Dem Vernehmen nach haben nicht Wenige Nichtjuristen ja schon Schwierigkeiten, die beiden Wörter “sozial” und “Juristen” sinnbezogen in einem Satz unterzubringen. Immerhin: In das Netzwerk gelangt nur, wer seine Verbindung zur Juristerei belegen kann. Das können aber eben nicht Wenige. Welchen Zweck aber mag eine Richterbewertung haben? Das Mandat weiterreichen, am besten – um stilecht zu bleiben – auf Ebay versteigern? Und als ich das letzte Mal nach Gründen für die Ablehnung eines Richters sah, war seine Bewertung jedenfalls nicht dabei.

Die Rechtsprechende Gewalt im Sinne des Grundgesetzes nun also freigegeben zur Bewertung durch die Anwälte? Nun, auch die sind ein Organ der Rechtspflege, kann man einwenden. Aber bislang kannte man Bewertungen eigentlich eher von Onlineshops wie Amazon, zu Büchern oder Beiträgen (wie z.B. auch hier im Blog). Bei Personen war das Dating-Plattformen im Internet vorbehalten.

“Es sollen fachliche Bewertungen auf Augenhöhe sein”, wird der Geschäftsführer von Marktplatz Recht, Michael Friedmann (nicht zu verwechseln mit Michel Friedmann) zitiert – es gehe nicht um Frustbewertungen. Ausbaufähig ist das Modell allemal – warum nicht gleich diejenigen Bewerten lassen, die der Urteilsspruch betrifft?

Aber wie sagte doch Frankenstein auf die Frage, warum er sein Monstrum erschaffen hat: “Weil ich es kann!”

Vielleicht hat die Welt ja auch darauf gewartet. In diesem Sinne dürfen auch Sie diesen Beitrag gerne bewerten und noch lieber kommentieren.

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Über Marco Junk

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk als Leiter Regierungsbeziehungen für das IT-Dienstleistungsunternehmen Atos tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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3 Kommentare

  1. Flo

    Abgesehen vom Bewertungstool könnte die Plattform aber durchaus Sinn machen, oder?

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  2. Alice Schön

    das war längst an der Zeit wenn in Deutschland ähnliche Zustände wie in Österreich herrschen, nämlich dass der nicht weisungsgebundene Richter selbstherrlich Fehlentscheidungen (sogar die Justizombudsstelle hat das so gesehen) trifft und dadurch eine Familie in Existenznöte bringt. Das Gesetz gibt einem kleinen Würstchen am Bezirksgericht uneingeschränkte Macht und dem Betroffenen kaum Möglichkeit sich dagegen zu wehren, da kann so eine Internetplattform schon etwas bewirken – wenn sich mehrere Menschen über denselben Richter beschweren kann man das dann nicht einfach als Einzelfälle abtun.

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