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OLG Düsseldorf: Vorgabe von bestimmten Produkten und Verfahren zulässig (Beschluss v. 17.02.2010 – VII-Verg 42/09)

paragraph Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich frei in ihrer Beschaffungsentscheidung. Sie dürfen bestimmte Produkte oder Verfahren vorgeben, wenn es auftrags- und sachbezogene Gründe hierfür gibt. Dies hat nun das OLG Düsseldorf in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden.

Der Fall des OLG Düsseldorf betrifft ein europaweites Offenes VOL-Verfahren, in dem der Auftraggeber Sonden zur automatischen Hochwassermessung beschaffte. Die Wasserstandsdaten sollen über Funk an die Zentrale übertragen werden. Der Auftraggeber entschied sich für die Ausschreibung einer bestimmten, als besonders sicher geltenden Datenübertragungstechnik. Dagegen klagte ein Unternehmen, das nur eine andere, weniger sichere Technik anbietet. Es stellte sich die Frage, ob die Festlegung auf eine bestimmte Art der Datenübertragung nach § 8 Nummer 3 Absatz 3, § 8 a Nummer 5 VOL/A gerechtfertigt war. Das OLG Düsseldorf hat dies bejaht.

Wettbewerbsbeschränkung hinzunehmen

Zwar beschränkt jede Festlegung auf ein bestimmtes Produkt oder technisches Verfahren den Wettbewerb, so das OLG Düsseldorf. Mit seinem Beschluss stellt das Gericht aber zugleich klar, dass diese Beschränkung hinzunehmen ist. Denn sie folgt aus dem Bestimmunsgrecht des Auftraggebers. Es ist grundsätzlich seine Sache, zu bestimmen, was er beschaffen will, und ob er seinen Bedarf mit einem bestimmten Produkt oder Verfahren decken will.

Auszug:

“Zwar ist jede produkt-, verfahrens- oder technikspezifische Ausschreibung und damit auch die von der Antragsgegnerin getroffene Technologiewahl zugunsten einer Datenfernübertragung über ISM per se wettbewerbsfeindlich. Das bedeutet freilich nicht, dass eine solche Ausschreibung in jedem Fall vergaberechtlich zu tadeln ist. Dann bliebe unbeachtet, dass die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes der ausschließlichen Bestimmung durch den öffentlichen Auftraggeber unterworfen ist, der genauso wie Private allein die Art der zu vergebenden Leistung und den Auftragsgegenstand bestimmt. Entschließt er sich zur Beschaffung, ist er frei in seiner Entscheidung, welchen Auftragsgegenstand er für erforderlich oder wünschenswert hält. Die Bestimmung ist einer etwaigen Ausschreibung und Vergabe vorgelagert und muss vom öffentlichen Auftraggeber erst einmal in einer zu einer Nachfrage führenden Weise getroffen werden, bevor die Vergabe und das Vergabeverfahren betreffende Belange der an der Leistungserbringung interessierten Unternehmen berührt sein können. Dagegen können Bieter nicht mit Erfolg beanspruchen, dem Auftraggeber eine andere Leistung mit anderen Beschaffungsmerkmalen und Eigenschaften, als von ihm in den Verdingungsunterlagen festgelegt worden ist, anzudienen.”

Keine Überprüfung auf Richtigkeit oder Nachvollziehbarkeit

Entgegen seiner früheren Rechtsprechung (Beschluss vom 14.04.2005 – VII-Verg 93/04) lehnt es das OLG Düsseldorf ab, zu überprüfen, ob die Entscheidung des Auftraggebers für ein bestimmtes Produkt oder Verfahren sachlich richtig oder nachvollziehbar ist. Entscheidet sich ein Auftraggeber dafür, ein bestimmtes Produkt oder Verfahren auszuschreiben, ist dies bereits dann gerechtfertigt, wenn auftrags- und sachbezogene Gründe für diese Festlegung sprechen. Der Auftraggeber ist insbesondere nicht verpflichtet, erst Markterforschungen oder Marktanalysen durchzuführen oder zu überprüfen, ob sich sein Ziel auch mit einer produktneutralen oder technikoffenen Ausschreibung erreichen lässt.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf erweitert die Spielräume für öffentliche Auftraggeber erheblich. Während die Entscheidung, bestimmte Produkte oder Verfahren vorzugeben, bisher daraufhin überprüft wurden, ob sie sachlich vertretbar ist, reicht es jetzt aus, dass überhaupt auftrags- und sachbezogene Gründe bestehen. Kann der Auftraggeber solche Gründe darlegen, erfolgt keine weitergehende Überprüfung seiner Entscheidung mehr.

Vergabevermerk unerläßlich

Auftraggebern ist jedoch unbedingt anzuraten, die Gründe ihrer jeweiligen Entscheidung für die Vorgabe eines bestimmten Produkts oder Verfahrens sorgfältig im Vergabevermerk zu dokumentieren. Denn nur so können die sachlichen Gründe für die Entscheidung im Streitfall auch dargelegt werden.

Den Beschluss des OLG Düsseldorf im Volltext finden Sie hier.

Mehr Informationen über den Autor Daniel Soudry finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Über Dr. Daniel Soudry, LL.M.

Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin). Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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2 Kommentare

  1. Anonymous

    Wie passt denn dieses Urteil mit den Anforderungen des § 8 Nr. 3 Absatz 5 VOL/A zusammen, den ausgewählten Gegenstand bei Verwendung von Markennamen allenfalls mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu beschreiben?

    Ist durch dieses Urteil wirklich etwas gewonnen?

    Gerade im IT-Bereich wirft diese Verpflichtung wegen vorher oft nicht absehbaren Kompabilitätsproblemen große Schwierigkeiten auf.

    Reply

  2. Sven Berger

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    als Anbieter von Dienstleistungen interessiert mich in wieweit die öffentlich Hand den folgenden Punkt:

    VOL/A §3 (4) b) …….“einen Aufwand verursachen würde, der zu dem erreichten Vorteil oder dem Wert der Leistung im Missverhältnis stehen würde“ benutzen kann um Vergaben an einzelne Unternehmen zu begründen und somit Andere auszuschließen?

    Danke S.Berger

    Reply

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