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Bauleistungen

Zur fristgerechten Vorlage von vom Auftraggeber vorbehaltenen Nachweisen (VK Nordbayern, Beschl. v. 28.11.2016 – 21.VK-3194-35/16)

Die Vergabekammer Nordbayern hat sich in einem Nachprüfungsverfahren zu einer europaweiten Ausschreibung von Bauleistungen zum Angebotsausschluss bei nicht fristgerechter Vorlage von vorbehaltenen Nachweisen zur Eignung von Nachunternehmen geäußert.

 

§§ 122,160 GWB;§§ 6b,16 EU VOB/A

Leitsatz

  1. Angebote sind auszuschließen, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat.
  2. Eigenerklärungen, die als vorläufiger Nachweis dienen, sind nach § 6b EU VOB/A 2016 von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen zu bestätigen. Werden Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch genommen, so muss die Nachweisführung auch für diese Unternehmen erfolgen.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Baumeisterarbeiten im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. In der Bekanntmachung hatte er keine Eignungskriterien angegeben. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes hatte er von den Bietern gefordert, mittels benannter Formblätter eine Eigenerklärung zur Eignung und ein Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen mit dem Angebot einzureichen. Auf gesondertes Verlangen des AG waren die Verpflichtungserklärungen anderer Unternehmen vorzulegen. Am Wettbewerb beteiligten sich 18 Bieter, wobei Bieter A mit seinem Angebot auf Platz 1 lag. Darauf forderte der AG den A auf, innerhalb von 6 Tagen alle in der Eigenerklärung zur Eignung genannten Bestätigungen und Nachweise für die benannten Nachunternehmer vorzulegen. Für den Nachunternehmer, der Betonstahlverlegungsarbeiten ausführen sollte, legte A zwar die Eigenerklärung zur Eignung und die Verpflichtungserklärung vor, nicht jedoch die Referenzen und deren Bescheinigung. Der AG schloss darauf das Angebot des A aus; nach erfolgloser Rüge stellte A Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag  des A hat keinen Erfolg. Teilweise ist er bereits unzulässig, da A das vollständige Fehlen von Eignungskriterien in der Bekanntmachung nicht gerügt hat. Der Antrag ist aber auch unbegründet. Das Angebot des A ist vielmehr zu Recht ausgeschlossen worden, weil er die vom Auftraggeber geforderten Referenzbescheinigungen des von ihm benannten Nachunternehmers nicht vorgelegt hat.

Rechtliche Würdigung

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise unzulässig, weil A das vollständige Fehlen von Eignungskriterien in der Bekanntmachung nicht gerügt hat.  Ein Antrag ist unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden (§ 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB). Eine Rügepräklusion wegen unterbliebener Rüge tritt bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen ein, d.h. der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss. Hier sind in der Bekanntmachung keine Eignungskriterien aufgeführt, insbesondere finden sich zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit keinerlei Angaben. Damit ist es für einen Bieter offensichtlich, dass die Bekanntmachung die Vorgaben des § 122 Absatz 4 Satz 2 GWB nicht erfüllt. In dieser Vorschrift heißt es, dass die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Daraus kann der Bieter durch bloßes Lesen unschwer erkennen, dass die Eignungskriterien bereits in der Bekanntmachung aufzuführen sind. Für das Entstehen der Rügeobliegenheit reicht es aus, wenn sich die Vorstellung von einem Vergaberechtsverstoß beim Antragsteller dergestalt zu hinreichender Gewissheit verdichtet hat, dass ein vernünftiger Bieter an seiner Stelle eine Rüge als nicht aussichtslos anbringt. Wegen der klaren Festlegung des § 122 Absatz 4 Satz 2 GWB, dass Eignungskriterien bereits in der Bekanntmachung aufzuführen sind, kann ein Bieter von einem Erfolg einer diesbezüglichen Rüge ausgehen.

Unabhängig davon ist der Antrag aber auch unbegründet. Das Angebot des A ist auszuschließen, weil er die geforderten Referenzbescheinigungen des für die Betonstahlverlegungsarbeiten benannten Nachunternehmers nicht vorgelegt hat.
Nach § 16 Nr. 4 EU VOB/A sind Angebote auszuschließen, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat. Nach § 6b Abs. 1 Nr. 2 EU VOB/A sind Eigenerklärungen, die als vorläufiger Nachweis der Eignung dienen, von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen zu bestätigen. Werden die Kapazitäten anderer Unternehmen (Nachunternehmen) in Anspruch genommen, so muss die Nachweisführung gemäß § 6d Abs. 3 EU VOB/A auch für diese Unternehmen erfolgen. Da dies der A hier unterlassen hat, ist der Ausschluss seines Angebotes zwingend geboten.

Praxistipp

Die Entscheidung ist für beide Seiten, Auftraggeber wie Auftragnehmer, von besonderem Interesse. Einmal schreibt sie dem AG nochmals eindeutig ins Stammbuch, dass er zwingend alle Eignungskriterien in seiner Bekanntmachung anzugeben hat (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB). Dem Auftragnehmer dagegen wird deutlich vor Augen geführt, dass er einerseits alle von ihm geforderten Eignungsnachweise auch für die von ihm benannten Nachunternehmer vorlegen muss, andererseits welche Anforderungen bei der Erkennbarkeit von Mängeln in der Bekanntmachung (hier: völliges Fehlen von Eignungskriterien) an die Bieterseite gestellt werden.

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Über Michael Werner

Michael Werner ist Rechtsanwalt und bei der DEGES GmbH in Berlin tätig. Herr Werner ist Experte im deutschen und europäischen Vergaberecht sowie im Bauvertragsrecht. Vor seiner anwaltlichen Tätigkeit war Herr Werner langjähriger Leiter der Rechtsabteilung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e.V. und Mitglied im Deutschen Vergabe - und Vertragsausschuss des Bundes (DVA).

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