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Schwerer Vergabeverstoß setzt kein Verschulden voraus! Rückforderung einer Zuwendung bei unterbliebener Losbildung regelmäßig unumgänglich! (Bay. VGH, Beschl. v. 22.05.2017 – 4 ZB 16.577)

EntscheidungDer Verstoß gegen das Losbildungsgebot stellt einen schweren Vergaberechtsverstoß dar, der den Zuwendungsgeber zur Rückforderung einer gewährten Zuwendung berechtigt. Für die Annahme eines schweren Vergaberechtsverstoßes ist ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln nicht erforderlich. Die Aufnahme vergaberechtlicher Bestimmungen in einen Zuwendungsbescheid soll dem für die nachträgliche Prüfung und für einen möglichen Widerruf zuständigen Einrichtung entsprechende Nachforschungen und Nachweispflichten ersparen. Die Einhaltung der Vergabegrundsätze ist mithin ausschließlich der Risikosphäre des Zuwendungsempfängers zuzuordnen.

Art. 49a BayVwVfG; § 97 Abs. 4 GWB; § 2 EG Abs. 2 VOL/A 2009

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die teilweise Rückforderung einer staatlichen Zuwendung an die Klägerin zum Erwerb eines Feuerwehrfahrzeugs. Der Sachverhalt ist aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Augsburg Feuerwehrlöschfahrzeug I vom 23.02.2016 Az. 3 K 15.1070 [Vergabeblog.de vom 07/04/2016, Nr. 25371 [1]] bekannt, da der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München mit seiner Entscheidung die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil abgelehnt hat. Im Kern war die Klägerin aufgrund eines Zuwendungsbescheides verpflichtet, die gesetzten Vergabebestimmungen einzuhalten. Dagegen hatte die Klägerin nach Auffassung des Zuwendungsgebers und des VG Augsburg verstoßen, weil sie entgegen der Empfehlung des Deutschen Feuerwehrverbandes e.V. (DFV) keine Aufteilung des in Rede stehenden Feuerwehrfahrzeugs in Fachlose (Fahrgestell“, Aufbau“ und Beladung“) vorgenommen hatte. Das VG hielt deshalb den Bescheid zur Erstattung in Höhe von 25% der gewährten Zuwendung für rechtmäßig. Daraufhin stellte die Klägerin einen Antrag an den VGH München auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des VG Augsburg.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der VGH München lehnte den Antrag ab, weil der VGH gegen die Richtigkeit der Entscheidung des VG Augsburg keine Bedenken hatte. Das VG ist mit zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte zu Recht von einem Verstoß gegen Vergaberecht durch die Klägerin ausgegangen ist, diesen Verstoß nach seinen Richtlinien in nicht zu beanstandender Weise als schweren Vergaberechtsverstoß gewertet und infolgedessen ermessensgerecht sowohl den Teilwiderruf der ausbezahlten Zuwendung in Höhe von 25 % als auch eine entsprechende Verzinsung der Rückerstattung angeordnet hat.

Im Einzelnen:

Das VG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass für die Annahme eines schweren Vergaberechtsverstoßes nach dem Wortlaut und der tatsächlichen Handhabung der Richtlinien ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln nicht erforderlich ist, sondern dass insoweit allein die Tatsache einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs ausreicht. Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Auffassung der Klägerin die erste Alternative der Nr. 4.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinie einschlägig, weil ein Verstoß gegen das Gebot der losweisen Vergabe eine ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs schon dadurch bewirkt, dass kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen die Möglichkeit einer Beteiligung am Wettbewerb der Bieter genommen wird. Diese Handhabung der ermessensbindenden StMF-Rückforderungsrichtlinie ist wegen des insoweit eingeschränkten gerichtlichen Überprüfmaßstabes nicht zu beanstanden. Für die Auslegung der in der Richtlinie genannten Begriffe kommt es nur darauf an, wie der Beklagte der Zuwendungsgeber die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang er infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden war. Dass hier der Gleichheitssatz verletzt worden wäre, weil der Zuwendungsgeber in vergleichbaren Fällen einer nicht losweisen Vergabe einen schweren VOB- oder VOL-Verstoß verneint hätte, ist weder von der Klägerin behauptet worden noch sonst ersichtlich.

Aus dem Einwand der Klägerin, es sei hier zu keiner Einschränkung des Wettbewerbs gekommen, kann sich nach Ansicht des VGH München ebenfalls kein Ermessensfehler ergeben. Eine konkrete Kausalitätsprüfung dahingehend, ob eine vergaberechtswidrige Ausschreibung im Einzelfall tatsächlich einen Ausschluss potentieller Bieter oder gar einen nachweisbaren finanziellen Schaden der ausschreibenden Stelle bewirkt hat, lässt sich im Nachhinein kaum mehr durchführen und wird von den ermessensbindenden Rückforderungsrichtlinien auch nicht verlangt. Die Aufnahme vergaberechtlicher Verfahrensverpflichtungen in den Zuwendungsbescheid soll der für die nachträgliche Prüfung und für einen möglichen Widerruf zuständigen Behörde entsprechende Nachforschungen und Nachweispflichten ersparen. Die Einhaltung der Vergabegrundsätze liegt insoweit allein in der Risikosphäre des Zuwendungsempfängers (in diesem Sinne auch bereits BayVGH, Urteil vom 09.02.2015 Az. 4 B 12.2325).

Bei dem hier bejahten schweren Vergaberechtsverstoß sieht die ermessensbindende Richtlinie für die Rückforderung der Zuwendungen einen Rahmen von 20 % bis 25 % vor, der auch unter- oder überschritten werden kann. Den Behörden wird damit eine allgemeine Vorgabe gemacht, durch die ein landesweit gleichmäßiger Vollzug im Grundsatz sichergestellt wird und bei der zusätzlich die besonderen Umstände des Einzelfalles in die Entscheidung einfließen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein schwerer Vergaberechtsverstoß als förderrechtliche Konsequenz durchaus auch den völligen Ausschluss des Zuwendungsempfängers von der Förderung rechtfertigen kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 09.02.2015 Az. 4 B 12.2325). Hält sich die Behörde bei der Ermessensentscheidung über den Umfang der Rückforderung innerhalb des durch die Richtlinie vorgegebenen engen Rahmens, so ist sie nicht gehalten, mit zusätzlichen Ermessenserwägungen ausdrücklich darzulegen, weshalb sie gerade den gewählten Prozentsatz und keinen geringeren oder höheren für angemessen hält.

Rechtliche Würdigung

Der VGH München hat die Entscheidung des VG Augsburg und damit im Ergebnis die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids zu Recht und ohne kritische Anmerkungen bestätigt. In Anbetracht der zutreffenden, gut begründeten Ausführungen des VG war die Entscheidung des VGH München vorhersehbar und wenig überraschend. Zwei Aussagen des VGH kann man aber durchaus noch einmal hervorheben:

Erstens soll die Aufnahme vergaberechtlicher Verfahrensverpflichtungen in den Zuwendungsbescheid dem für die nachträgliche Prüfung und für einen möglichen Widerruf zuständigen Zuwendungsgeber entsprechende Nachforschungen und Nachweispflichten ersparen. Die Einhaltung der Vergabegrundsätze liegt insoweit allein in der Risikosphäre des Zuwendungsempfängers.

Zweitens ist für die Annahme eines schweren Vergaberechtsverstoßes ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln nicht erforderlich. Allein die Tatsache einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs reicht aus. Ein Verstoß gegen das Gebot der losweisen Vergabe bewirkt eine ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs schon dadurch, dass kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen die Möglichkeit einer Beteiligung am Wettbewerb der Bieter genommen wird. Für die maßgebliche Auslegung der Rückforderungsbestimmungen kommt es nur darauf an, wie der Zuwendungsgeber diese im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang er infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden war.

Praxistipp

Den Zuwendungsempfänger trifft eine Holschuld bezüglich der (vergaberechtlichen) Anforderungen aus dem Zuwendungsbescheid. Er muss sich seiner vergabe- und zuwendungsrechtlichen Pflichten aus der bewilligten Zuwendung bewusst sein. Hat er hier Zweifel, ist ihm zu empfehlen, im ersten Schritt Kontakt zum Zuwendungsgeber aufzunehmen. Kann oder will dieser ihm nicht weiterhelfen, muss er etwaige vergaberechtliche Fragestellungen im zweiten Schritt durch Beiziehung externen Sachverstands klären. Die Ergebnisse müssen sodann im Rahmen der umfassenden Pflicht zur Verfahrensdokumentation zum Bestandteil der Vergabeakte und damit zum Gegenstand der Unterlagen für die Verwendungsnachweisprüfung gemacht werden. Denn ohne eine ordnungsgemäße Dokumentation wird im Regelfall ein Abweichen von vergaberechtlichen Regelfällen (z.B. im Hinblick auf die Verfahrenswahl, die Unzulässigkeit einer Produktvorgabe oder eben eines Verzichts auf die Teil- bzw. Fachlosvergabe) eine (Teil)Rückforderung der zugewandten Mittel zur Folge haben.

Der DFV überarbeitet im Übrigen soweit ersichtlich seit der Entscheidung des VG Augsburg seine aus dem Jahr 2012 stammende Fachempfehlung Ausschreibung und Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen zurzeit. Offenkundig hat der DFV Zweifel bekommen, ob seine Aussagen in der 72 Seiten umfassenden Fachempfehlung nicht (mittlerweile) zumindest präzisierungswürdig sind. Für die Praxis bedeutet dies, dass zwar ein Abstellen auf die Fachempfehlung nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, dies eine Auseinandersetzung mit der Frage der Losvergabe aber keinesfalls entbehrlich macht. So hat jüngst die Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 30.03.2017 Az. Z3-3-3194-1-04-02/17) unter Anlegung eines vergaberechtlichen Prüfungsmaßstabs entschieden, dass die Fachlosbildung bei der Beschaffung von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr der absolute Regelfall war und daher sehr hohe Anforderungen an die Darlegung der technischen Gründe für den Verzicht auf eine Losbildung bestehen.

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Über Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG [2]

Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte [3] in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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