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Keine interkommunale Zusammenarbeit zwischen Landkreis und kreisangehöriger Stadt bei der Abfallsammlung (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.12.2017, VK 2 – 29/17)

Die Bereichsausnahme einer vergabefreien interkommunalen Kooperation setzt unter anderem eine Zielidentität voraus. Diese ist nach Auffassung der VK Rheinland-Pfalz nur erfüllt, wenn sich die Kooperation auf die Wahrnehmung einer allen gleichermaßen obliegenden Aufgabe bezieht.

Leitsatz des Bearbeiters

Die Vergabekammer Rheinland-Pfalz zu den Voraussetzungen einer vergabefreien interkommunalen Kooperation nach neuem Vergaberecht.

§ 108 Abs. 6 GWB

Sachverhalt

Ein Landkreis in Rheinland-Pfalz hatte beschlossen, zukünftig die Einsammlung von Haushaltsabfällen in Eigenregie wahrzunehmen. Eine im Landkreis gelegene kreisangehörige Kurstadt sollte aus historischen Gründen mit ihrem Bauhof in die Leistungserbringung einbezogen werden.

Der Bauhof in der Stadt war bisher regelmäßig als Subunternehmer des bisherigen privaten Dienstleisters im Stadtgebiet tätig gewesen. Um die Leistungserbringung in der Stadt durch den dortigen Bauhof auch weiterhin zu ermöglichen schlossen Landkreis und Stadt einen Kooperationsvertrag als mandatierende Aufgabenwahrnehmung. Es wurde also nicht die Aufgabe selbst übertragen sondern nur die Aufgabenwahrnehmung. Als Entgelt wurde eine reine Kostenerstattung vereinbart. Die zur Abfallsammlung in der Stadt notwendigen Abfallsammelfahrzeuge sollte der Landkreis der Stadt beistellen.

Gegen den beabsichtigten Vertragsabschluss reichte ein privates Entsorgungsunternehmen Klage ein.

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Die Vergabekammer sah in dem beabsichtigten Kooperationsvertrag im Ergebnis keine Bereichsausnahme nach § 108 Abs. 6 GWB. Der Nachprüfungsantrag war daher zunächst zulässig.

Nach § 108 Abs. 6 GWB liegt eine vergabefreie interkommunale Kooperation (im Gesetz als öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit bezeichnet) vor, wenn

  1. der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet oder erfüllt, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden,
  2. die Durchführung der Zusammenarbeit nach Nummer 1 ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird und
  3. die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten erbringen, die durch die Zusammenarbeit nach Nummer 1 erfasst sind.

Die Vergabekammer prüfte nun im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung die einzelnen Merkmale des § 108 Abs. 6 GWB durch:

Das Erfordernis einer Zusammenarbeit bzw. eines kooperativen Konzepts sah die Vergabekammer dabei als gegeben an. Denn der Landkreis würde ja nicht nur eine Leistung beziehen, sondern sei für die Bereitstellung und Instandhaltung der Abfallsammelfahrzeuge verantwortlich. Außerdem sei er auch für die Gestellung der Abfallsammelbehälter zuständig gewesen. Daher liege nicht nur eine Leistungsbezug gegen Entgelt vor. Ob auch diese Konstellation der bloßen Leistungsbeziehung gegen Entgelt eine vergabefreie interkommunale Kooperation sein kann, konnte die Vergabekammer daher offen lassen.

Allerdings fehlte es der Vergabekammer an dem Erfordernis der Zielidentität. Eine Zielidentität sei nur gegeben, wenn die Kooperation auf die Wahrnehmung einer allen Kooperationspartnern gleichermaßen obliegende Aufgabe gerichtet sein. Vorliegend sei aber gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Landeskreislaufwirtschaftsgesetzes (LKrWG) nur der Landkreis öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger. Diesem sei die Aufgabe der Abfallsammlung alleine zugewiesen.

Der Antragsgegner und die beigeladenen Stadt konnten sich mit ihren Einwänden hiergegen nicht durchsetzen. Insbesondere die sich aus Landesrecht ergebenden allgemeinen Kooperationspflichten und die Zuständigkeit der Stadt für den „wilden Müll“ reichten der Kammer nicht, um eine Zielidentität zu begründen.

Ebenfalls nicht gehört wurde der Antragsgegner mit dem Argument, der Antragstellerin drohe kein Schaden und somit sei sie gemäß § 160 Abs. 2 GWB nicht antragsbefugt. Der Antragsgegner hatte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass eine Ausschreibung für das Stadtgebiet aufgrund der anderslautenden Beschlusslage so oder so nicht in Frage komme und die Antragstellerin daher gar keine Chance auf die Beteiligung an einer Ausschreibung hätte. Dieses Argument hielt die Vergabekammer für unbeachtlich, da es ausreiche, dass eine Ausschreibung zumindest theoretisch noch stattfinden könnte.

Ebenfalls als nicht erfüllt sah die Vergabekammer die Marktklausel des § 108 Abs. 6 Nr. 3 GWB, da der Bauhof der Stadt jedenfalls im Jahr 2018 noch als Subunternehmer des privaten Dienstleisters tätig sei und dieser Umsatz mehr als 20 % der abfallwirtschaftlichen Umsätze darstelle.

Der Nachprüfungsantrag war auch begründet, nachdem eine Bereichsausnahme eben nicht vorlag.

Rechtliche Würdigung

Nach den Entscheidungen des OLG Koblenz, Beschl. v. 03.12.2014 Verg 8/14, und des OLG Naumburg, Beschl. v. 17.03.2017 7 Verg 8/16 kam die Entscheidung der Vergabekammer nicht wirklich überraschend. Sie ist, auch wenn man sich das Ergebnis aus kommunaler Sicht vielleicht anders gewünscht hätte, juristisch gut begründet und liegt auch im Trend der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH. Vergabefreie interkommunale Kooperationen sind daher auch nach neuem Vergaberecht nur eingeschränkt möglich. Im Übrigen wäre der hier streitige Kooperationsvertrag auch nach altem Vergaberecht, auch darauf weist die Vergabekammer zu Recht hin, nicht ausschreibungsfrei gewesen.

Zu begrüßen ist, dass die Vergabekammer die Anforderungen an den kooperativen Charakter einer Kooperation nicht allzu hoch gehängt hat.

Praxistipp

Liegen die Voraussetzungen des § 108 Abs. 6 GWB nicht vor, weil wie hier keine Zielidentität vorliegt, ist eine vertragliche vergabefreie interkommunale Kooperation ausgeschlossen. Eine Kooperation kann dann ggf. durch eine Institutionalisierung (gemeinsamer Rechtsträger) begründet werden. Dafür kommt es dann auf die entsprechenden Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes an. Ob das in Rheinland-Pfalz bei fehlender Zielidentität zulässig wäre ist allerdings fraglich. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (KomZG) können kommunale Gebietskörperschaften nur Aufgaben, zu deren Erfüllung sie berechtigt oder verpflichtet sind, gemeinsam wahrnehmen.

Bisher war in der Beratungspraxis eher die Frage des kooperativen Charakters einer interkommunalen Kooperation in der Diskussion. Hier reicht der Vergabekammer, dass jeder Kooperationspartner zumindest Teilleistungen übernimmt. Dies ist aus kommunaler Sicht zu begrüßen, aber eben auch bei der Gestaltung zu beachten.

Hinweis: Der Autor hat in dem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

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Über Martin Adams, Mag. rer. publ.

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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